Aktuell meldet die Deutsche Presse Agentur ab sofort sei der Verkauf von nikotinhaltigen E-Zigaretten verboten. Das habe der Bundesgerichtshof in Karlsruhe -immerhin das höchste Gericht Deutschlands- per Grundsatzurteil beschlossen.
Es werden also in den nächsten Tagen immer wieder Meldungen dieser Art in den Medien auftauchen. Meist mit fast identischem Wortlaut.
Aber der weise Mann schaut sich erst einmal an was da passiert ist, bevor er multimedial zum erweiterten Selbstmord per Kettensäge aufruft. Was ist also passiert?
vapers.guru investigativ. (Hört Ihr die James Bond Musik auch?)
Heute Morgen tickerte die Meldung der dpa herein, die nun gerade von allen Medien bereitwillig aufgegriffen wird. Die Meldung erweckt den Anschein E-Zigaretten seien generell verboten worden und das Problem das die Gerichte damit hätten läge am Nikotin.
Das hört sich für den erfahrenen Vaper schon etwas seltsam an. Zum ersten weil es „die E-Zigarette“ nicht gibt, zum zweiten weil Nikotin auch weiter in Zigaretten erlaubt ist und zum dritten weil E-Zigaretten kein Nikotin enthalten. Liquid enthält Nikotin, nicht E-Zigaretten.
Eine sehr kurze Recherche machte dann noch mehr stutzig. Denn Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofes werden meist angekündigt und lang erwartet. Dieses Urteil stammte vom 23.12. 2015. Da drängen sich doch einige Fragen auf.
Um es einfach zu machen erzählen wir mal auf die Schnelle im Karnevalstroubel was passiert ist.
Ein Händler aus Frankfurt hat E-Zigaretten online und offline gewerbemäßig vertickert. Dafür hat er u.a. auch Cig-a-likes wie sie an Tanken verkauft werden im Programm gehabt. Die sind im Urteil auch explizit beschrieben, sie reagieren auf Ansaugen. Diese hat er in irgendeiner Art und Weise branden lassen. Das bedeutet, er hat sie bei einem Zwischenhändler bestellt und mit seinem Logo oder seiner Verpackung versehen lassen (engl.: branding). Das ist eine vollkommen übliche Vorgehensweise.
In den Nachfüllkartuschen um die es ging war auch Ethanol enthalten. Auch das ist keine Schwefelsäure, es ist ein Alkohol der in ganz vielen Sachen enthalten ist. Da Ethanol auch in Medikamenten enthalten, in Zigaretten aber verboten ist, geht es auf 33 Seiten Gerichtsurteil auf gefühlten 60 Seiten um Medikamentenverordnungen.
Das Landgericht Frankfurt hat das mitbekommen und dem Händler dafür dann eins übergebraten. In Form einer Geldstrafe.
Da der Händler offenbar schon länger mit der Stadt Frankfurt im Streit liegt kann man sich vorstellen, dass ein Mitarbeiter der Stadt genervt war weil man ihm nicht wegen des Streites ob Liquids nun Medikamente sind vor den Koffer scheißen konnte, und ihn dann halt anderweitig angezeigt hat. Aber das ist nur eine Mutmaßung.
Der Händler ist daraufhin in Revision gegangen und die ganze Nummer ist vorm Bundesgerichtshof in Karlsruhe gelandet.
Der BGH hat nun festgestellt, dass das Urteil des Landgerichts Frankfurt korrekt war.
Dabei geht es aber nicht -wie die Meldung impliziert- um irgendein Verbot. Der BGH hat kein Verbot ausgesprochen! Das kann er auch gar nicht, dafür ist der Gesetzgeber zuständig. Wir sind ja nicht in Nordkorea hier. Sondern es geht schlicht darum, dass Ethanol nicht in Liquids darf. Und damit die Strafe gerechtfertigt ist.
Fassen wir einmal zusammen was das für den normalen Vaper heißt:
- Ethanol ist in Liquids nicht erlaubt. Und üblicherweise auch nicht enthalten. Der Händler wurde lediglich dafür abgestraft, dass die von ihm unter seiner Verantwortung gewerbemäßig vertriebenen Liquids Ethanol enthielten.
- Das „Grundsatzurteil“ das in der Meldung beschrieben wird bezieht sich lediglich darauf dass zum ersten Mal höchstrichterlich bestätigt wurde, dass E-Zigaretten bzw. Liquids zu den tabakähnlichen Erzeugnissen gehören und damit den gleichen Gesetzen was die Zusatzstoffe betrifft unterliegen.
- Das Urteil des Landgerichts Frankfurt betrifft weder alle Liquids noch alle E-Zigaretten. Es geht ausschließlich um die Kartuschen für ein Produkt. Auch noch um Cig-a-likes die auf Ansaugen Dampf produzieren.
- Die Meldung der dpa impliziert, dass es um alle nikotinhaltige E-Zigaretten geht. Das ist schlicht falsch. Und es hat auch wenig mit dem Gehalt von Nikotin zu tun. Festgestellt ist lediglich, dass alle Produkte die aus Tabak gewonnen wurden dann auch den entsprechenden Gesetzen unterliegen.
- Dieses Urteil ist nicht aktuell, sondern vom 23.12.2015. Seit dem werden auch weiter alle gängigen Produkte für E-Zigaretten verkauft. Ein Verbot hat also de facto nicht stattgefunden.
- Der Bundesgerichtshof kann keine Verbote aussprechen. Er interpretiert lediglich die Gesetze, die der Gesetzgeber beschließt. Das ist Grundlage der Demokratie in der wir leben.
- Das Urteil ist ein Revisionsurteil. Es richtet sich also nach den Gesetzen, die zu dem Zeitpunkt bestanden als das zu prüfende Urteil erlassen wurde. Und das stammt aus dem Jahr 2013. Seit dem ist auf EU Ebene einiges passiert. (TPD2)
Unsere juristische Abteilung liegt derzeit besoffen mit Pappnase in der Sammelstelle für Rosenmontagsopfer. Wir sind aber auch ohne Staatsexamen sehr sicher dass es sich so verhält. Wer mag kann es gerne prüfen, das Urteil im Original findet Ihr hier.
So wird eine Meldung verdreht. Das Prinzip Stille Post. Grundsätzlich ist vapers.guru immer vorsichtig damit andere Absicht oder Propaganda zu unterstellen. Falschmeldungen unterliegen meist einfach der Funktionsweise der Medien.
Wenn aber eine angesehene Presseagentur wie die dpa ein solches Urteil Wochen nachdem es gefällt wurde derart verdreht meldet, dann muss man mindestens Fahrlässigkeit unterstellen. Wenn nicht sogar schlimmeres. Spannenderweise wird in vielen Artikeln auch das DKFZ und sein Kampf gegen Nikotin erwähnt, obwohl auch das in keinerlei Zusammenhang steht.
Was bleibt ist wieder eine Ente, heiße Luft und ein merkwürdiger Beigeschmack. Es kommt einem Skandal schon sehr nahe dem BGH ein Grundsatzurteil zu unterstellen, was in der Realität gar nicht existiert.
Was bei Vapern viel mehr auf Resonanz stoßen sollte ist ein Satz aus dem Urteil des höchsten deutschen Gerichts:
„Es gibt Hinweise darauf, dass der Konsum von elektronischen Zigaretten objektiv zur Entwöhnung von Zigarettenrauchern geeignet ist.“
Das sollte man sich erst einmal in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen, anstatt Hypes loszutreten!
EDIT:
Natürlich führt das Thema zu hitzigen Diskussionen. Die Community steht Kopf. In Brandenburg soll schon ein Händler geplündert worden sein. Aber in Brandenburg soll es auch wieder Wölfe geben. In der Tundra hat man generell wenig zu tun.
Ernsthaft:
In der Urteilsbegründung findet sich auch der Verweis darauf, dass in Tabakerzeugnissen nur eine Menge von 5%-10% gemessen am Trockenanteil von Tabakprodukten (hier Liquids) enthalten sein darf. Diese Regelung ist Bestandteil des Vorläufigen Tabakgesetzes. Der Gesetzgeber wollte damit ausschließen, dass Rauchern Tabak angedreht wird, der mit PG und VG gestreckt ist.
Dabei ergeben sich mehrere Schwierigkeiten. Beispielsweise hat Liquid keine Trockenmenge. Ob das juristisch so astrein ist, ist also die Frage. Es geht auch darum, dass das Vorläufige Tabakgesetz ja mit dem Umsetzen der TPD2 unwirksam wird. Denn die EU hat den Handel mit Liquids -und damit auch mit ihren essentiellen Bestandteilen PG und VG- legalisiert.
Das ist aber eine so kleinteilige Diskussion, dass sie jeden Rahmen auf Social Media oder dieses Blogs sprengen würde.
Grundsätzlich beträfe das also nur Liquids die
+ Nikotin enthalten.
+ deren Nikotin aus Tabak gewonnen würde.
+ deren Bestandteile an PG und VG 5% bzw. 10% überschreiten würden.
+ zwischen jetzt und dem Inkrafttreten des Tabakgesetzes im Mai im Handel wären.
Wenn es denn überhaupt so wäre. Und der Verband der Händler schätzt das bereits offiziell so ein, dass es niemals zur Umsetzung käme. Sie bezeichneten diese Urteil auch als „Aprilscherz“.
Grundsätzlich gilt aber: Jeder Händler sollte sich selbstverständlich professionellen juristischen Rat suchen. Das ist hier ein Vaper Blog und keine Rechtsberatung. Aber das wissen die Händler auch selber, das nennt man unternehmerische Verantwortung.
Exemplarisch findet Ihr hier die Beurteilung des Urteils durch die Kanzlei Juravendis in München, in Auftrag gegeben durch die Happy People GmbH.
Man sollte NIE etwas glauben was im Internet steht. Auch bei vapers.guru nicht. Wir lügen wie Mist. (Brandenburg ist aber wirklich öde!)
Aber wenigstens zeigen wir Quellen auf und verlinken das Urteil. Wir wollten damit lediglich zeigen was passiert, und wie die Presse eine Meldung daraus generiert. Und irgendwie sind wir auch sicher morgen wird es noch E-Zigaretten geben. Ganz wirklich echt.
Mehr ist (hoffentlich) nicht hinzu zu fügen.
Joey Hoffmann
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