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Neue Studie weist E-Zigarette angeblich Herzrisiko nach

Wenn Medien wissenschaftlich werden

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Seit einigen Tagen wird wieder eine wissenschaftliche Studie durch die Medien geprügelt. Und sie wurde auch von größeren Medien aufgegriffen, wie in einem kurzen Artikel und 30 Sekunden Einspieler von RTL. Und einem längeren, englischsprachigen Artikel auf dem unabhängigen Qualitätsmedium RT.

Irgendwie ist es schon ermüdend und langweilig. Weil der Eingangssatz auch immer der gleiche ist.
Aber ok, here we go again.

Dieses Mal geht es darum, dass eine Studie angeblich beweist, dass E-Zigaretten genauso schädlich für das Herz sind wie Tabak Zigaretten. Und das Nikotin das Herz schädigt.
Das klingt ja spannend, schauen wir uns das doch einmal genauer an.

Die Studie, die hier zitiert wird, wurde durchgeführt von mehreren Wissenschaftlern der David Geffen School of Medicine an der UCLA.
Veröffentlicht wurde die Studie bereits am 25.01.2017 auf dem Jama Network, dem Journal der American Medical Association. Das ist wiederum eine Plattform verschiedener wissenschaftlicher Magazine, die dort zum Peer Review veröffentlicht werden. Das bedeutet, die Studie wurde von der AMA angenommen und darf nun von anderen Wissenschaftlern auseinander genommen werden.
Die Studie erschien in dem Magazin Jama Cardiology.

Die Studie nicht gelesen

Komplette Studie nur für Mitglieder

Das alleine zeigt, dass die Studie schon relativ zuverlässig und sauber ist. Zumindest über dem Niveau von RTL. Aber hier stößt man auch direkt auf das erste Problem.
Um die Studie komplett lesen zu können, muss man Mitglied sein oder zumindest das Magazin abonniert haben.
Zwar kann man einige der Studien auch „mieten“, also für andere Zwecke lesen. Natürlich gegen Kohle. Diese Möglichkeit ist bei dieser Studie aber gar nicht vorgesehen. Nicht mal für Geld.
Da es weltweit aber hunderte solcher Fachmagazine gibt, und kein Medienunternehmen Mitglied oder Abonnent bei allen sein kann, liegt eine Schlussfolgerung also sehr nahe. Nämlich dass die Medien, die sich auf diese Studie beziehen, sie ebenfalls nie gelesen haben.

Das so genannte Abstract, eine Zusammenfassung die zu jeder Studie gehört, ist zwar frei einsehbar. [hier…] Aber dort stehen eher Frequenzzahlen und statistische Kennziffern drin.
Man darf also davon ausgehen, dass die Medien hier wieder eine Presseveröffentlichung oder eine Zusammenfassung einer anderen Quelle gelesen haben, und nun irgendwelche Beiträge daraus stricken.
Das ist die übliche Arbeitsweise dieser Medien.

Sauberer Studienaufbau, aber für was?

Beschissenes Design kann alles kaputt machen.

Die meisten Fehler schleichen sich in Studien im so genannten Design ein. Also im Studienaufbau. Aber auch der ist hier recht sauber beschrieben.
Man hat 42 Menschen zwischen 21 und 45 genommen, die ansonsten körperlich gesund waren. Von denen gaben 23 an, regelmäßig zu dampfen. Und 19 gaben an, weder Tabak noch E-Zigarette zu konsumieren. Hier könnte sich bereits ein Fehler eingeschlichen haben. Denn es ist keine Angabe darüber zu finden, ob die E-Zigaretten Konsumenten auch Tabak geraucht haben.

Bei diesen Testpersonen wurden dann verschiedene Parameter gemessen, einmal durch eine Messung der Herzfrequenz und einmal durch die Messung von oxidativem Stress im Blutplasma.
Dabei herausgekommen ist, dass die Menschen, die angegeben haben regelmäßig zu dampfen, veränderte Herzfrequenzen hatten und einen höheren oxidativen Stress. Und beides sind Indikatoren, die als Auslöser für Herzerkrankungen gelten.
Mehr gibt das Design an sich schon nicht her, alles andere ist dazu erfunden.

Was nicht in der Studie steht

Um einmal deutlicher zu machen, was die Medien nun daraus konstruieren, hier einige Stichpunkte.

  • Die Studie hat keine Messungen bei Tabakrauchern durchgeführt. Ein Vergleich von Zigarette zu E-Zigarette hat gar nicht stattgefunden. Der Vergleich „genauso schädlich wie…“ entbehrt also jeglicher Grundlage.
  • Die Studie hat Hinweise auf Risiken gesucht. Sie hat keine tatsächliche Schädlichkeit gemessen. Dazu müsste eine Schädigung nachgewiesen werden. Das sind zwei sehr verschiedene Dinge.
  • Aus dem Abstract geht nicht hervor, wann gemessen wurde. Denn dass Nicotin kurzzeitig die Herzfrequenz ändert und den Blutdruck erhöht ist bekannt. Das tun auch Coffein und Teein. Es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass dies dauerhaft passiert. (Auch bei Rauchern nicht.)
  • Offenbar wurde nicht kontrolliert, ob die Gruppe der Dampfer auch Tabak konsumiert.
  • Oxidativer Stress ist als Auslöser von Herz Erkrankungen nicht eindeutig nachgewiesen.
  • Die Dosierung des Nicotins oder des Dampfes ist nicht angegeben.

Die Studie sagt also lediglich, dass beim Dampfen irgendetwas passiert und dass diese Parameter mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko zusammenhängen könnten.

„In this study, habitual e-cigarette use was associated with a shift in cardiac autonomic balance toward sympathetic predominance and increased oxidative stress, both associated with increased cardiovascular risk.“

Ob diese Beobachtung aber die gleiche ist, die wir auch bei Coffein, Teein oder selbstverständlich Zigaretten machen können, wird dort überhaupt nicht angesprochen. Es ist lediglich die wissenschaftliche Feststellung „da passiert etwas“. Was rein wissenschaftlich auch durchaus sinnvoll ist.
Dennoch sollte man sich klar machen, dass dieser Versuchsaufbau mit Kaffee zu der gleichen Schlussfolgerung führen würde.

Aufbauschen um eine Meldung zu konstruieren

…und sich dann über „Lügenpresse“ wundern.

Dass den Medien das aber zu wenig ist um einen Bericht daraus zu machen, sieht man an dem Füllstoff, der in den Berichten verwendet wird.
Beispielsweise zitiert RT wieder die üblichen Wissenschaftler, die darauf hinweisen, dass E-Zigaretten nicht harmlos sind. Was sicherlich ebenfalls wissenschaftlich richtig ist, aber einen Dampfer der vorher jahrzehntelang geraucht hat einen herzlichen Scheißdreck interessiert.

RTL zitiert natürlich wieder das DKFZ und maßt sich sogar die Schlussfolgerung an, dass Nicotin zu verstopften Arterien führt. Was ziemlich absurd ist, sich aber als Allgemeinwissen eingeschlichen hat. Da Nicotin ja immer nur im Tabak gemessen wurde. Dass diese Verstopfung aber am Teer – oder den tausenden anderen Stoffen im Tabak und deren Verbrennung – liegen könnte, und dass dies für Nicotin keineswegs nachgewiesen ist, wird nicht erwähnt.

„Nicht wirklich alarmierend“

Die Komödie geht aber noch weiter.
Der Medizin Professor Aruni Bhatnagar von der Cardiovaskulären Division der Uni Louisville und Direktor des American Heart Association’s Tobacco Center hat selber ein Editorial zu der Studie mit verfasst. Und er sagt dazu auf healthday.com [hier…]

„Also ich würde sagen, was hier berichtet wird ist wichtig, aber nicht wirklich alarmierend.“
(„So, I would say that what is being reported here is important, but not really startling.“)

Gregory Conley, Präsident der American Vaping Association, geht mit seiner Einschätzung noch weiter.

„Diese Studie, wie viele andere die von Forschern durchgeführt wurden um Headlines zu produzieren, versagt beim Vergleich der Effekte von Dampfen nikotinhaltiger Liquids mit anderen Möglichkeiten. Wie dem Rauchen von Zigaretten, dem Nutzen von nikotinfreien Liquids oder dem Trinken von Kaffee.“
(„This study, like so many performed by researchers looking to generate headlines, fails to compare the effects of vaping nicotine-containing liquid with other activities, such as smoking cigarettes, using non-nicotine liquid or drinking coffee.“)

Dem ist nichts hinzu zu fügen.
Viele Medien werden schon sehr genau wissen, warum sie die Quelle für ihre Berichte nicht angeben.

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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