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E-Zigarette schädlich wie Tabak?

Neue Studie der Universität von Conneticut

E-Zigaretten sind gleich schädlich wie Tabak. Das behauptet zumindest ein Artikel, der vorgestern auf heute.at erschien.
Der Inhalt der zitierten Studie ist jedoch etwas komplizierter und die Quellenlage dünn. Was dazu geführt hat, dass diese Meldung leidenschaftlich in den Sozialen Medien und Foren diskutiert wird.
Aber was steckt wirklich dahinter?
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Bis jetzt ist es keiner wissenschaftlichen Studie gelungen, eine Schädlichkeit der E-Zigarette fundiert und reproduzierbar nachzuweisen.
Gestern veröffentlichte die österreichische Heute einen kurzen Artikel über eine Studie der University of Connecticut, die angeblich nachweist, dass E-Zigaretten „gleich schädlich“ sind wie Tabak.

Durch die Dynamik der neuen Medien wird diese Meldung auf den entsprechenden Dampfer Medien leidenschaftlich diskutiert. Selbst der Verband des eZigarettenhandels hat dazu eine Stellungnahme veröffentlicht und bezeichnet diese Meldung als „Fake News“.
Was die ganze Sache tatsächlich erschwert ist einerseits die Tatsache, dass die komplette Studie nur gegen Geld zu lesen ist. Und andererseits geht es in der Studie um eine neue Technik, die für Laien schlicht unverständlich ist.

Es gibt jedoch recht deutliche Anzeichen, was von dieser Aussage zu halten ist. Denn schaut man sich einige Quellen einmal genauer an, so kann man sich auch als Laie ein recht zuverlässiges Bild davon machen. Ohne vorher Chemie studieren zu müssen.

Wer erzählt das was?

Zunächst sollte man sich die Quelle anschauen, aus der diese Aussage stammt. Die österreichische Heute ist nicht zu verwechseln mit der Nachrichtensendung des deutschen ZDF. Sie ist nach der Kronen Zeitung die meistgelesene Zeitung Österreichs.
Es handelt sich um eine kostenlose Tageszeitung, die Inhaltlich mit der Kronen Zeitung oder der deutschen Bild zu vergleichen ist. Sie war bereits in Skandale verwickelt und wurde auch schon vom Presserat gerügt.

Soviel kann man zu dem Artikel auch vorweg nehmen: Die wenigen enthaltenen Informationen sind alle über das Abstract, also die öffentliche Zusammenfassung der Studie, zu erfahren.
Der Eindruck, ein wissenschaftlich ausgebildeter Redakteur habe hier vielleicht weitere Informationen, dürfte eher nicht zutreffen. Der Redakteur musste lediglich die Zusammenfassung lesen und konnte daraus den Artikel zusammenschreiben. Das ist auch naheliegend, da einzelne Formulierungen nahezu wortgleich sind.

Interessant zu erwähnen ist in dem Zusammenhang auch, dass die Redakteure eines Artikels bei seriösen Zeitungen eindeutig benannt oder zumindest leicht zu finden sind. Bei der Heute ist das nicht der Fall. Man kann also auch keine Aussage über die Fachkompetenz des Journalisten treffen.

Der Versuch der UConn

Campus der Universität von Conneticut

Veröffentlicht wurde die Studie von zwei Chemikern und einem Wissenschaftler für Materialforschung der University of Connecticut. Sie wollten die Schädlichkeit von Liquids für E-Zigaretten mit einem neuartigen Verfahren untersuchen.
Dafür wurden Proben des Dampfes von E-Zigaretten und des Rauches von Tabak Zigaretten genommen und durch eine chemisches Analyseverfahren geschickt.
Das ist tatsächlich sehr kompliziert und für Laien kaum verständlich zu erläutern.

Prinzipiell geht es darum, dass die Proben in einer neuen Vorrichtung aus dem 3D Printer menschlichen Enzymen und DNA zugeleitet werden. Dieser neue Versuchsaufbau wurde in dem Labor selber entwickelt. Er soll dazu dienen, schnell und preiswert die mögliche Schädlichkeit von Stoffen für die Menschliche DNA anzeigen zu können.
Die Forscher haben dies bisher offensichtlich vor allem für die Untersuchung von Abwässern genutzt.

Wissenschaftliches Ergebnis oder Werbeaktion?

Alle Quellen, die offen zu finden sind, vermitteln eher den Eindruck, dass es hier um das Bewerben dieser neuen Technik geht, als um die eigentliche Fragestellung. So wird das Design, also der Versuchsaufbau, recht genau beschrieben. Die eigentlichen Ergebnisse oder die Gewinnung der Proben (Samples) jedoch völlig vernachlässigt.

Für Studien eher unüblich: Die bildliche Darstellung des Versuchsaufbaus. (Foto: ACS Journal)

Ein weiterer Punkt ist sicher, dass in diesem Versuchsaufbau nicht mit lebenden Menschen gearbeitet wurde. Mehr noch, es war nicht einmal ein Versuch mit menschlichen Zellkulturen. Sondern lediglich mit Enzymen und DNA.
Die Ergebnisse solcher Untersuchungen mögen streng wissenschaftlich einen Nutzen haben. Aber sie sind keineswegs ein endgültiger Hinweis darauf, ob dadurch Zellen im lebenden Körper entarten und so Krebs entsteht.
Die Universität selber spricht auch nur von einer „potentiellen“ Gefahr. Wohingegen die Zeitung Heute daraus die Sicherheit macht „Selbst E-Zigaretten ohne Nikotin verursachen Krebs.“

Woher kamen die Samples?

Hinzu kommt ein weiterer, sehr entscheidender Faktor. So ist in den offenen Quellen nicht nachvollziehbar, wie die Proben überhaupt gezogen wurden. Und aus der Studie selber geht es auch nicht hervor.
Dass dieser Faktor aber sehr entscheidend ist, ist jedem Dampfer klar. Denn ganz entscheidend ist, ob ausreichend Liquid an den Heizwendel der E-Zigarette gelangt ist.

Wird eine E-Zigarette überhitzt, beispielsweise durch zu schnelles Ziehen, einer zu hohen Befeuerung oder durch den Abriss des Liquid Nachflusses, verbrennt die Watte einfach nur und es entstehen dadurch dann natürlich Schadstoffe.
Diese Schadstoffe würden aber nie durch einen Vaper inhaliert werden. Der gefürchtete „Dry Hit“ ist für einen Dampfer nicht zu inhalieren, er führt zu sofortigen Hustenanfällen.

Kokelstudie auf neuem Niveau?

Der Versuchsleiter Karteek Kadimisetty mit dem Probenträger für seine neue Maschine aus dem 3D Drucker. (Foto: Peter Morenus/UConn)

Bisher haben viele Untersuchungen den Fehler begangen, die Proben des Dampfes der E-Zigarette wie bei einer Tabak Zigarette zu gewinnen. Beispielsweise durch automatisierte Smoking Machines. Das ist streng wissenschaftlich aber aus den genannten Gründen überhaupt nicht statthaft.
Denn eine Smoking Machine bemerkt weder, wenn sie zu heftig oder zu häufig zieht. Noch bemerkt sie, wenn der Nachfluss des Liquids abreißt. Etwas, was ein Dampfer sofort bemerken würde. Deshalb werden diese Untersuchungen auch gerne als „Kokelstudien“ bezeichnet.

Über diesen Punkt gibt dann aber ein Artikel der Seite der Universität von Connecticut UConn Today dem aufmerksamen Leser einen Hinweis.

„In the current study, the researchers extracted vapor samples from e-cigarettes and smoke from tobacco cigarettes using an artificial inhalation technique. Cigarettes were connected to a tube that contained a cotton plug. The researchers then used a syringe at the other end of the tube to replicate inhalation. Samples came from the chemicals captured in the cotton.“

In der aktuellen Studie extrahierten die Forscher Dampf Samples von E-Zigaretten und Rauch von Tabak Zigaretten, indem sie eine künstliche Inhalationstechnik benutzten. Die Zigaretten wurden an eine Röhre angeschlossen die Watte enthielt. Die Forscher nutzten dann eine Spritze (syringe) auf der anderen Seite der Röhre, um die Inhalation zu imitieren. Die Samples wurden dann aus den Chemikalien gewonnen, die in der Watte aufgefangen wurden.

Vollautomatische Smoking Machines im Test

Das Wort „syringe“ bedeutet eigentlich Spritze.
Allerdings ist es nur sehr schwer vorstellbar, dass hier jemand langsam und sanft mit der Hand an einer angeschlossenen Spritze gezogen hat. Zumal die menschliche Lunge etwa einen halben Liter Luft inhaliert. Es hätte also eine sehr große Spritze sein müssen.
Wahrscheinlicher ist doch, dass auch hier eine technische Lösung verwendet wurde, beispielsweise ein Tubus der mechanisch Unterdruck erzeugt. Auch der würde im Amerikanischen sicher mit „syringe“ beschrieben werden.

Keine klare Dokumentation

Hinzu kommt, dass hier mit hoher Wahrscheinlichkeit keine E-Zigaretten der neusten Generation benutzt wurden. Sondern E-Zigaretten der so genannten ersten Generation.
Das sind E-Zigaretten mit geschlossenen Kartuschen, die nur auf Zug reagieren. Vor allem diese Geräte neigen aber dazu schnell zu kokeln. Denn sie sind ja ausdrücklich dafür ausgelegt, dass ein Mensch an ihnen zieht. Er würde es sofort sensorisch wahrnehmen, wenn er zu feste zieht. Er würde es merken und schmecken.

Der amerikanische Journalist Bryan Clark schreibt dazu auf thenextweb.com:

„Ohne angemessene methodische Dokumentation können wir nicht wissen, ob am Liquid gezogen wurde oder am so genannten Dry Burn. [Dry Hit, Anm. d. Red.] Dry Burn bedeutet, wenn das Liquid weg ist und Du stattdessen die Wicklung selber verbrennst, wodurch Du dann Rauch inhalierst, anstatt den Dampf des E-Liquids.
20 Züge können ein Gerät leicht austrocknen, und UConn [University of Connetitcut, Anm. d. Red.] trifft keine Aussagen dazu ob nachgefüllt wurde oder die 20, oder 60, oder 100 Züge ein Dry Burn waren.“

Bemerkenswerte Ergebnisse

Die Messergebnisse grafisch: Tabakzigaretten (TC), Filterlose (nf-TC), E-Zigaretten (EC) und E-Zigaretten ohne Nicotin (nn-EC); (Foto: ACS Journal)

In den Aussagen der Universität sind noch einige Hinweise zu finden, die Dampfer und andere Wissenschaftler zumindest aufhorchen lassen sollten.
An der veröffentlichten Grafik ist zu sehen, dass jeweils drei Versuche in einer Reihe gemacht wurden. Einmal mit 20 Zügen, einmal mit 60 Zügen und einmal mit 100 Zügen. Zwanzig Züge würden der Inhalation einer Tabak Zigarette entsprechen. Woher diese Relation stammt ist nicht nachvollziehbar, es wird lediglich auf andere Studien verweisen, die das bestätigt hätten.
Offensichtlich wurden dann jedoch auch an Tabak Zigaretten die gleiche Anzahl von Zügen durchgeführt, was diese Aussage völlig überflüssig macht.

Auf der Grafik sieht man, dass die Ergebnisse nicht linear sind, sondern eine Parabel beschreiben.
Das ist bei einer E-Zigarette im normalen Gebrauch nicht erklärbar. Zwei Züge müssten die doppelte Menge an Schadstoffen ergeben wie ein Zug. Und 100 Züge die fünffache Menge wie 20 Züge. Vorausgesetzt die E-Zigarette wird sachgemäß betrieben. Eine Abweichung zeigt, dass hier andere Faktoren Einfluss genommen haben müssen.

„The potential DNA damage from e-cigarettes increased with the number of puffs, Kadimisetty says.“

Die potentielle DNA Schädigung von E-Zigaretten wuchs mit der Anzahl der Züge, sagte Kadimisetty.

Offenbar geringe Dampfkompetenz

Eine weitere Aussage des leitenden Forschers verstört dann noch mehr.

There are potentially hundreds of chemicals in e-cigarettes that could be contributing to DNA damage, Kadimisetty says.

Es gibt potentiell hunderte von Chemikalien in E-Zigaretten, die zu einer Schädigung der DNA beitragen könnten, sagte Kadimisetty.

Im gleichen Artikel wird zuvor jedoch sehr genau beschrieben, was in Liquids enthalten ist. Propylenglykol, Glycerin, eventuell Nicotin und Aromen.
Selbst wenn die Aromen also aus dutzenden einzelnen Chemikalien bestünden, was sie nicht tun, käme man kaum auf „hunderte von Chemikalien in E-Zigaretten“.

Eine solche Aussage ist deshalb verwirrend, weil Kadimisetty mit einer solchen Aussage eine geringe Fachkompetenz beweist.
Es vermittelt eher den Eindruck, hier wurde ein tolles, neues Experiment ausprobiert. Und um das zu bewerben, hat man einfach einmal einige Liquids für E-Zigaretten herangezogen. Das Thema ist gerade sehr öffentlichkeitswirksam.
Was sich auch damit deckt, dass weder das Modell der E-Zigarette noch das Liquid genannt wird. Geschweige denn der Nicotin Gehalt. Trotzdem wird auf alle E-Zigaretten geschlossen.

Wer bezahlt für so etwas?

Das National Institute of Environmental Health Sciences bei Durham in Noth Carolina

In dem Kontext sollte man vielleicht auch einmal schauen, wer diese Studie gefördert hat. Denn dieses Versuchsdesign wurde ja schon mehrfach für die Analyse von Abwässern benutzt. Deshalb erscheint es naheliegend, dass das National Institute of Environmental Health Sciences die Forschung unterstützt hat.
Allerdings ist es bei genauerem Hinschauen schwer verständlich, wie eine staatliche Behörde für Umweltmedizin auf den Gedanken kommt Liquids in E-Zigaretten zu untersuchen. Wofür sie eigentlich nicht wirklich zuständig wäre.

Das National Institute of Environmental Health Sciences ist ein Teil der National Institutes of Health, der US amerikanischen Gesundheitsinstitute. Diese unterstehen geschlossen dem Ministerium für Gesundheitspflege und Soziale Dienste der Vereinigten Staaten, dem United States Department of Health and Human Services.
Und das ist wiederum die federführende Behörde, der auch die FDA untersteht. Die gerade daran arbeitet die E-Zigarette in den USA stark zu regulieren.

Aussage nicht belegt

Es ist bei wissenschaftlichen Studien nicht angemessen, sie von vorn herein abzutun. Vor allem nicht, wenn man sie nicht versteht.
Eine Meldung dazu als „Fake News“ abzutun ist es erst recht nicht. Dieser inflationär verwendete Begriff ist völlig unzutreffend. (Was ist denn der Fake? Die Meldung? Die Untersuchung?)

Möchte man sich dazu ein Urteil bilden, muss man dazu zumindest recherchieren oder sich die Studie selber anschauen.
Aber man muss auch nicht Chemie studiert haben, um sich ein Urteil über diese Studie zu erlauben. Man muss nichts von der angewandten Technik verstehen, um es einschätzen zu können. Denn ganz augenscheinlich wurden hier fundamentale Fehler gemacht, bevor es überhaupt an den naturwissenschaftlichen Teil des Versuches ging.

“From the results of our study, we can conclude that e-cigarettes have as much potential to cause DNA damage as unfiltered regular cigarettes,” Kadimisetty says.

Durch die Ergebnisse dieser Studie können wir schließen, dass E-Zigaretten das gleiche Potential wie filterlose Zigaretten haben, die DNA zu schädigen“ sagte Kadimisetty.

Eine solche Aussage ist durch diesen Versuch in keiner Weise belegt. Und eine solche verallgemeinernde Aussage steht einem Wissenschaftler dann auch nicht zu. Auch nicht, wenn er in jedem Satz das Wort „potentially“ („möglicherweise“) einbaut. Erst recht nicht, wenn sein Versuch so lückenhaft ist, er dazu keine korrekte Dokumentation vorlegt und das ganze so sehr nach Gefälligkeitsstudie und PR Aktion riecht.
Da die neu entwickelte Methode angeblich so kostengünstig ist, sollten die Forscher diesen Versuch doch mit Geräten der dritten Generation im TC Modus durchführen. Denn im temperaturgeregelten Modus kommt kein Dampf, wenn kein Liquid mehr nachfließt. Diese Ergebnisse wären mindestens so aussagekräftig wie ihre jetzigen.

Tabak verursacht eine ganze Liste von potentiell tödlichen Krankheiten. An der ersten Stelle steht nicht einmal der Krebs, sondern die Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Dass eine Boulvard Zeitung hier kurzerhand trotzdem die gleiche Schädlichkeit erkennt rundet nur das Bild.

Man kann auch nicht ein Auto verbrennen, die Asche untersuchen und danach öffentlichkeitswirsam behaupten Autofahren würde potentiell Krebs verursachen. Das ist aber genau das, was solche Studien machen. Nur dass diese Studie eine neue und schicke Methode verwendet hat.


Artikel der Heute: http://www.heute.at/life/gesundheit/story/43438620
Articel auf UConn Today: http://today.uconn.edu/2017/06/e-cigarettes-potentially-harmful-tobacco-cigarettes/
Abstract auf ACS: http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/acssensors.7b00118
Stellungnahme des VdeH: http://www.vd-eh.de/neue-e-zigarettenstudie-ist-fakenews/
Kommentar auf thenextweb.com: https://thenextweb.com/insider/2017/06/12/e-cigarettes-as-harmful-as-their-analog-counterparts-not-so-fast/#.tnw_BK5dXqVP

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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