Den Dampfern steht der nächste Supergau bevor. Die Popcorn Lunge.
Aber bevor wir schon einmal sicherheitshalber den Bestatter unseres Vertrauens für unsere persönliche Grablege kontaktieren, sollten wir uns das vielleicht etwas näher anschauen.
Die Sau, die gerade durch sämtliche Medien getrieben wird, kommt dieses Mal sogar aus Harvard. Aber ein großer Name steht nicht zwangsläufig für sachliche Fakten. Dafür sorgt die Funktionsweise der Presse.
Joseph G. Allan ist Forscher an der Harvard T.H. Chan School for Public Health. Sie gehört zur Harvard Universitiy in Boston, einer ausgezeichneten Elite Universität. Dort hat Allan eine Forschungsgruppe gegründet und sich mal Liquids genauer angeschaut.
Dabei hat er herausgefunden, dass 47 der getesteten 51 Liquids Diacetyl enthielten. Und das ist wiederrum Hauptverdächtiger als Auslöser der so genannten Popcorn Lunge.
Auf diese Studie berufen sich ausnahmslos alle Artikel zu dem Thema, die derzeit grassieren. Direkt oder indirekt über Presseagenturen.
Was ist Popcorn Lunge überhaupt?
Das Ding heißt aber nicht wirklich Popcorn Lunge, sondern Bronchiolitis obliterans. Es wird auch nicht so genannt, weil die Lunge dann aussieht wie Popcorn. Sondern weil diese Krankheit in Zusammenhang mit der Verursachung durch Diacetyl zum ersten Mal bei Mitarbeitern eines Herstellers für Mikrowellen Popcorn bekannt wurde. Denn Mikrowellen Popcorn enthält ebenfalls Diacetyl. Daher heißt es eigentlich auch korrekter „Popcorn Workers Lung“.
Und Bronchiolitis obliterans macht auch nicht fürchterlich unheilbar tot, sondern nur krank.
Wird die Bronchiolitis obliterans nicht entsprechend behandelt, kann sie sich chronifizieren. Also dauerhaft werden. Sie verursacht dann eine leichte -in seltenen Fällen schwere- Verengung der Atemwege. Wird sie rechtzeitig behandelt ist sie in den allermeisten Fällen nach wenigen Wochen verschwunden. Meist reicht aber schon das Absetzen der Verursachung, in diesem Falle also des Diacetyls. Also des Liquids.
Die gefährliche Chemie wieder
Noch interessanter wird es aber, wenn man sich nun die Details anschaut.
Zum ersten wurden ausschließlich Liquids von amerikanischen Herstellern untersucht. Bei geschätzten 7000 Liquids, die derzeit auf dem Markt sind, einen Test mit 51 Liquids anzusetzen -die noch dazu alle um die Ecke erstanden wurden- ist also schon einmal nicht sonderlich repräsentativ.
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass es in der deutschen Dampfer Community bereits vor einiger Zeit einen Shitstorm gab. Nur wenige europäischer Hersteller nutzen daher noch Diacetyl als Zusatzstoff.
Hinzu kommt, dass Diacetyl auch ein Geschmacksverstärker ist und gerade bei sehr süßen und cremigen Aromen eingesetzt wird. Es riecht und schmeckt sehr stark nach Butter. Und das hat sich für den europäischen Markt als nicht so gerne genommen herausgestellt. Außerdem kann es Kunststofftanks zum Anlaufen bringen. Es gibt also gute Gründe, warum Hersteller in Europa auch darauf verzichten.
Doch auch wenn Diacetyl in der Presse gerne als „Chemikalie“ oder „Schadstoff“ bezeichnet wird, es ist ein ganz normaler Aromastoff. Der beispielsweise auf Popcorn bedenkenlos verzehrt werden kann und auch zugelassen ist. Bei chemisch-biologischen Vorgängen wie dem Bierbrauen entsteht er ganz natürlich. Es ist also kein Pinselreiniger oder Frostschutzmittel.
Kein einziger Fall dokumentiert
Und noch ein zweiter Fakt ist sicher wichtig, um die angebliche Gefahr einschätzen zu können. Bei den wenigen Fällen bei denen eine Popcorn Lunge mit E-Zigaretten in Zusammenhang gebracht werden konnte, lag immer eine Vorerkrankung vor. Beispielsweise Asthma. Unnötig zu erwähnen dass noch niemand daran gestorben ist. Mit oder ohne Vorerkrankung.
In Europa ist derzeit kein einziger Fall dokumentiert, bei dem es überhaupt zu einer Popcorn Lunge kam.
Zigaretten enthalten etwas mehr
Das entscheidende ist aber etwas anderes. Die allermeisten Dampfer sind ehemalige Raucher. Und damit haben sie sich selber bereits aus dieser Risikogruppe ausgeschlossen. Oder besser gesagt: aus der Risikogruppe katapultiert. Denn Zigarettenqualm enthält die zwischen 5000 und 20.000 fache Menge an Diacetyl.
Richtig gelesen. In Worten zwanzigtausend. Und selbst da liegt es noch unter den vom National Institute for Occupational Safety and Health herausgegebenen Grenzwerten.
Bestünde also Gefahr dass Dampfer eine Popcorn Lunge bekommen könnten, wäre die Chance mindestens 5000 Mal größer, dass sie nach langem Tabakkonsum längst eine hätten.
Und so muss man letztendlich auch die Studie von Allan und der Harvard University beurteilen.
Inzwischen kritisieren nicht nur viele Ärzte in den USA diese Studie. Es ist nicht einmal eine richtige Studie. Es ist mehr die Datenerhebung einer Studiengruppe.
Und die Veröffentlichung selber warnt noch nicht einmal vor Liquids. Sondern mahnt lediglich, dass man das doch mal genauer untersuchen sollte. Was ja schon einiges darüber aussagt, wie die Studie von den Machern selber eingeschätzt wird. Außerdem muss der Satz immer drunter stehen, damit sie weiter Kohle für Untersuchungen bekommen.
Ohne die genauen statistischen Daten erhoben zu haben, kann man also locker davon ausgehen, dass es wahrscheinlicher ist am Nordpol von einem Pudel zerfleischt zu werden, als vom Dampfen eine Popcorn Lunge zu bekommen.
Der Rest sind Clickbaits.
Joey Hoffmann
Neueste Artikel von Joey Hoffmann (alle ansehen)
- Razzia: 11 von 15 Verkaufsstellen mit illegaler Ware - 23. Februar 2023
- Aromenverbot: Politiker schmeißen alles durcheinander - 16. Februar 2023
- VAPERS.GURU vor dem Aus? - 8. Februar 2023