Wir haben ja nicht nur in Deutschland bzw. in Europa Theater mit selbsternannten Gesundheitswächtern, die faktenresistent im Dampfen den Untergang des Abendlandes zu sehen scheinen. In anderen Ländern geht ein ähnliches Kasperltheater ab. Oder teilweise noch Besseres.
Die letzte Farce spielte sich im State Capitol des US Bundestaates Utah ab.
Aber um einen Eindruck zu bekommen was für eine Monty-Python-Nummer sich da abgespielt hat, muss man sich erst einmal klar machen was Utah eigentlich ist.
Utah wurde begründet durch die Mormonen. Es wird auch heute noch der Mormonen Staat genannt. Und die Mormonen, die heute noch über 60% der Bevölkerung ausmachen, sind schon ein lustiges Völkchen. Mal ganz abgesehen von Vorwürfen des Rassismus, dem Kampf für die Vielehe oder dass Mormonen Angehörige anderer Religionen auch nach deren Tod einfach nachträglich taufen können.
Die Mormonen wurden erfunden von Joseph Smith. Bevor er als Tagelöhner und Bauer unterwegs war hat er mit seinen Eltern bereits Anfang des 19. Jahrhunderts Schätze gesucht. Das konnte er besonders gut, da er nach eigener Aussage „Sehersteine“ in einen weißen Zylinder legte die ihn dann zu den Schätzen führten.
1823 ist ihm dann ein Engel erschienen, der ihm verriet wo das auf Goldtafeln bummelig 600 v. Chr. geschriebene Buch Mormon versteckt sei. Natürlich in den USA. Wo auch sonst? Durch die ebenfalls versteckten Sehersteine konnte Joseph Smith die Goldtafeln dann aus dem „reformierten Ägyptisch“ -eine Sprache die bis heute nirgendwo sonst aufgetaucht ist- übersetzen. Anschließend nahm der Engel die Goldtafeln wieder mit. Voilà, schon gab es eine neue Religion und Joseph Smith erklärte sich zum Propheten. Natürlich vollkommen berechtigt, keine Frage.
Und ja, die Leute die daran glauben dürfen wählen und Waffen besitzen. In deutschen Klapsmühlen sitzen Menschen für weniger.
Ansonsten ist Utah eigentlich nur bekannt für Felsen. Kulisse für jeden zweiten unterdurchschnittlichen Western. Das war es dann aber auch. Stein gewordene Langeweile mit zwei Millionen Einwohnern.
Und weil in Utah offenbar wenig los ist, hat man auch wenig zu tun. Deshalb wurden vergangenen Mittwoch einige High School Schüler in Busse gesetzt und zum Kapitol nach Salt Lake City gekarrt. Denn dort wurde gerade über eine 87%ige Steuererhöhung auf alle E-Zigaretten-Produkte beraten. Organisiert wurde der Schulausflug von verschiedenen Anti-Raucher- und Anti-E-Zigaretten-Vereinigungen.
Im Kapitol hielten sie eine Demonstration ab. Mit Podium, Pressetermin und Rednerpult, an dem die motivierten Teenies und Weltverbesserer ihre Reden vorlesen durften. („E-Zigaretten sind eine perfekte Suchtmaschine geworden, die eine neue Generation von jungen Menschen verführt.“)
Allerdings läuft in den USA gerade auch eine tolle Gegenbewegung. Eine Aufklärungswelle von engagierten und intelligenten Menschen, angefacht durch den zu erwartenden Kinofilm A Billion Lives. Und so versammelten sich einige E-Zigaretten und Tabak Suchtpräventions Befürworter zu einem stillen Protest vor der Treppe des Kapitols. Unter anderem unterstützt durch die Smoke-Free-Association, der größten Vereinigung von Dampfern in den USA. (Siehe Titelbild, Bild: Utah Smoke Free Association)
Davon waren die hochanständigen, sittenstrengen Schüler und ihre Organisatoren offenbar so erschüttert, dass sie versuchten die Demonstranten zu blockieren und den Sheriff aufforderten die Gegendemonstration aufzulösen, weil diese eine Störung darstellen würden. Dabei sagten die paar Leutchen gar nichts. Nur irgendwie ging die Aufmerksamkeit der Presse wohl zu weit.
Da schaltete sich dann Jeff Stier ein. Er ist Chef der Abteilung für Risiko Bewertung des National Center for Public Policy Research. Im Fernsehen und Radio ist er gern gesehener Gast, wo er sich meist zu Fragen der öffentlichen Gesundheit äußert.
Stier führte ein kurzes Vier-Augen-Gespräch mit dem Staatsanwalt, und man beschloss die Gruppe Gegendemonstranten dort zu belassen wo sie ist. Offenbar empfand man sie nicht als eine solche Störung wie die sendungsbewussten Teenies.
Stier sagte später in einem TV Interview dass er endtäuscht war, dass die Regierung [von Utah, Anm. d. Red.] Kinder benutze um „einer politischen Agenda Vorschub zu leisten um erwachsenen Rauchern das Recht zu nehmen auf dramatisch weniger schädliche Produkte umzusteigen und diese aus dem Dasein zu besteuern.“
Irgendwie war die Meldung dass die schweigende Gegendemonstration verhindert werden sollte dann noch interessanter als ein paar Schüler die Reden vorlesen. Monty Pythons hätten ihre Freude gehabt.
Joey Hoffmann
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