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Liquid Vergiftungen bei Kindern um 1500% gestiegen

Statistikspielereien

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Die Homepage Kinder- & Jugendärzte im Netz veröffentlichte vergangene Woche einen kurzen Artikel, der bei einem Artikel der Internet Site Health Day abgeschrieben ist, der sich wiederum auf eine Erhebung bezieht, die im Fachmagazin Pediatrics veröffentlicht wurde.
Alleine das zeigt schon, dass der Verfasser offenbar nicht die Zeit hatte, sich die Studie um die es geht einmal selber durchzulesen. Apotheken Rundschau Niveau, es steht nur „Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte“ drüber.
In diesem Artikel wurde dramatisch davor gewarnt, dass die Vergiftungen von unter 6 Jährigen Kindern durch Liquid für E-Zigaretten von 2012 bis 2015 um 1500% zugenommen hat.

„Würde es sich um eine Infektionskrankheit handeln, gäbe es Schlagzeilen im ganzen Land“, sagte Dr. Gary Smith, Direktor des Nationwide Children’s Hospital’s Center for Injury Research and Policy in Ohio.
Warum es nicht zu Schlagzeilen im ganzen Land kommt, könnte an den Relationen liegen. Aber vielleicht wird es ja noch in einer deutschen Presseagentur gelauncht, oder durch das DKFZ gepusht und herumgereicht. Denn 1500% sind schon eine Menge Holz. Das ist dramatisch.
Eventuell sollte man sich hier die Zahlen noch einmal genauer anschauen. Denn, wie vapers.guru schon öfter versucht hat klar zu machen, lügen Statistiken nie. Sie werden höchstens zu Zwecken missbraucht, verdreht und selektiv dargestellt.

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In den USA gibt es eine Speicherung aller gemeldeten Vergiftungsfälle. Dies wurde im Bericht bereits falsch dargestellt, dort ruft niemand an. Der Autor des Artikels mag ein guter Kinderarzt sein, seine Fähigkeiten der englischen Sprache sind doch eher mäßig. Das Ding heißt nämlich National Poison Data System (NPDS) und dort sollte man besser nicht anrufen wenn sein Kind gerade eine Zigarre zerkaut. Es ist lediglich die Datenbank der AAPCC, der American Association of Poison Control Centers. (Amerikanische Vereinigung der Gift Kontroll Zentren) Was jeder Redakteur innerhalb weniger Minuten herausfinden könnte. Wenn er wollte.
Eine solche Datenbank macht durchaus Sinn in einem Land, in dem tausende Menschen von Klapperschlangen und Spinnen gebissen werden.
Die Wissenschaftler haben sich dort einfach mal alle Fälle herangezogen, die mit Kindern unter sechs Jahren und Nikotin zu tun haben.
Richtig, in der Erhebung ging es nicht um E-Zigaretten, sondern um Nikotin. Und damit geht schon eine Relation völlig verloren.

Hinzu kommt, dass der Anstieg von Vapern gar nicht weiter benannt wird. Das ist aber recht entscheidend, wenn man sich ein wirkliches Bild von der Gefahr machen will. Das Problem dabei ist, dass es keine verlässlichen Zahlen dazu gibt. Nach den letzten Schätzungen liegt der Weltmarkt inzwischen bei 7,6 Millionen, allerdings gehen nationale Schätzungen alleine in den USA von über 3 Millionen Vapern aus.

Um zu verdeutlichen wie wichtig dieser Zusammenhang aber eigentlich ist: Angenommen es kommt eine neue Frucht auf den Markt, die Liqui. Die Liqui ist nicht sonderlich verbreitet. Aber sie entwickelt sich rasant. Immer mehr Menschen essen Liqui. Hat sie vorher niemand gegessen weil es sie nicht gab, essen nach nur drei Jahren fünfzehn Mal so viele Menschen Liqui. Dann ist es doch recht logisch auch zu erwarten, dass 15 Mal mehr Kinder sich an Kernen von Liqui verschlucken. Ein Anstieg um 1500%.
Dieser Anstieg kann also sehr einfach dadurch begründet sein, dass es einfach mehr Vaper gibt. Und entsprechend auch mehr Unfälle.

Von Januar 2012 bis August 2015 gingen 29.141 Meldungen von Nikotinvergiftungen bei Kindern ein. Also innerhalb von über drei Jahren. Das entspricht einem monatlichen Durchschnitt von 729 Fällen.

Was in den genannten Medienberichten zwar nebenbei erwähnt, aber nicht genauer benannt wird, ist die Tatsache, dass über 60% auf das Konto von Zigaretten gehen. Viele gingen auf das Konto von „Sonstigen“, also höchstwahrscheinlich von Nikotinsprays und ähnlichem. Einige andere gingen auf andere Tabakerzeugnisse wie Zigarren oder dem nach wie vor beliebten Kautabak.
Lediglich 14,2% gingen auf das Konto von Liquids.

Es ist völlig normal, dass Wissenschaftler auch mit Prozentangaben arbeiten. Natürlich können sie ihre Ergebnisse nachher dann dramatisch in einem Abstract (Zusammenfassung) darstellen. Je nachdem wem sie damit gefallen wollen oder wer die Studie in Auftrag gegeben hat. Für den normalsterblichen Vaper ist es aber sinnvoller und nachvollziehbarer, wenn mit Zahlen und nicht mit Prozentwerten operiert wird.
Die Rechnung ist daher sehr leicht. Denn 14,2% von 729 Fällen sind 104 Fälle von Vergiftungen von Kindern unter sechs Jahren im Monat.

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Haben Kinderärzte sonst keine Sorgen?

Aber selbst das liest sich ja noch sehr dramatisch an. Denn nur in 2% der Fälle durch Vergiftungen durch Liquids, in Zahlen bei 71, erlitt das jeweilige Kind mäßige Beschwerden und in fünf Fällen stärkere Beschwerden wie Kopfschmerz oder Übelkeit. Nicht im Jahr, nicht im Monat, sondern über den gesamten Zeitraum hinweg. Das sind weniger als zwei Fälle pro Jahr. Und das bedeutet im Umkehrschluss, dass in 98% der Fälle zwar ein Vorfall (Meldung, Untersuchung) vorlag, aber eine Vergiftung im Sinne des Wortes gar nicht stattgefunden hat. Übrspitzt gesagt: Der Arzt hat sich das angeguckt, ist aber unverrichteter Dinge wieder gegangen. Die Datenbank zählt das aber natürlich mit.
Ein Kind verstarb tragischer Weise tatsächlich. Gregory Conley, Präsident der American Vaping Association, stellte aber klar, dass dieses Kind eine selbstgemischte und hochdosierte Nikotinlösung getrunken hatte.

Wenn man es also zusammenfasst und mal verständlich ausdrückt haben sich innerhalb von über drei Jahren 76 Kinder wirklich „vergiftet“, davon nur 5 mit „stärkeren“ Beschwerden. In einem Land mit über 322 Millionen Einwohnern.
Es ist ja vollkommen richtig so etwas einmal zu erfassen. Aber das war Anlass genug für die Kinderärzte Deutschlands mit einer Erhöhung von 1500% Alarm zu machen.
Wir ersparen es uns, das in einer Grafik darzustellen. Denn 76 bzw. fünf Fälle in einer Menge von über 29.000 kann man in tatsächlichen Relationen nicht sinnvoll widergeben.

Sollte Euch also demnächst so ein Artikel über den Weg laufen, dann könnt Ihr beruhigt in Euch hinein grinsen. Und wenn Euer Kinderarzt etwas davon erzählt, solltet Ihr ihn mal fragen ob er die Studie wirklich gelesen hat und wie er im Studium in Statistik abgeschnitten hat. Oder in der Schule in Dreisatz und Prozentrechnen. Mehr braucht man dafür nämlich eigentlich nicht.

Von irgendwelchen mahnenden Worten sehen wir ebenfalls ab. Jedem halbwegs geistig gesunden Menschen sollte klar sein, dass Zigaretten genau wie eCigs und Liquids nicht in Kinderhände gehören. Auch wenn die kleinen, bunten Fläschchen so interessant aussehen und so lecker riechen.
Wem das nicht bewusst ist, der sollte sich einfach möglichst nicht fortpflanzen.

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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