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Nikotinfreie Liquids in allen Größen

Aber Hauptsache Panik

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Zugegeben, wir sind schon etwas angefressen.

Am 28.06.2016, also am vergangenen Dienstag, hat der Bundestag den Entwurf einer Änderung zum Tabakerzeugnisgesetz veröffentlicht. (Den Entwurf findet ihr hier…) Darin geht es vor allem um eine weitere Einschränkung der Werbung für E-Zigaretten.
In diesem Gesetz steht aber auch der unheilschwangere Satz im Vorwort zu lesen:

Durch das Änderungsgesetz werden nikotinfreie elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter den nikotinhaltigen gleichgestellt, soweit dies zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsschäden erforderlich ist.

Und schon legen die Weltuntergangspropheten wieder los, und hauen ein Statement nach dem anderen heraus. Einige von den Urhebern übrigens Mitglieder der IG-ED.

„Der absolute Horror !!!!“

„Die üblichen Lügen – wieso darf der Staat seine Bürger belügen?“

„Jo die haben den Kenntnisstand auf 2015 eingefroren damit ja keine aktuellen Forschungsergebnise das unterlaufen können.“

„Ich habs mir erspart alles komplett zu lesen weil man dieses Beamtendeutsch eh kaum versteht…“

Hauptsache erstmal Alarm

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Vorher gleich, jetzt gleicher: Skandalös!

Besser wäre es gewesen, es doch einmal ganz zu lesen.
Wer das für den „absoluten Horror“ hält, dem empfehlen wir einmal drei Wochen Urlaub in Rakka. Einfach damit die Relationen wieder gerade gerückt werden.
Auch der z-Promi Philgood steigt darauf ein und bezeichnet es als „skandalös“. Allerdings setzt er es noch in Verhältnis zu den „Untersuchungsergebnissen“ von BfR und DKFZ. Und da ist wenigstens halbwegs was dran. Auch wenn es keine „Untersuchungen“ waren, sondern eine wissenschaftliche Bewertung und eine Stellungnahme.

Das ist das übliche Vorgehen der Mitglieder der IG-ED und vieler selbsternannter Führer einer imaginären „Dampfercommunity“. Und aus ganz persönlicher, subjektiver Motivation stimmen dann eine Menge Wutdampfer mit ein. Erstmal den Panik Knopf drücken. Hauptsache die Luft scheppert. Zurücknehmen kann man immer noch. Dass die Stampede dann aber schon läuft, ist ja erst einmal egal. Gegendarstellung auf der letzten Seite, so läuft es halt.
Inzwischen wird das in der Dampferszene verteilt. Und weil der Mensch ja von Natur aus eine faule Sau ist, wird immer weniger gelesen. Geschweige denn einmal der Gesetzesentwurf genau analysiert. Dass da einmal ein Rechtsbeistand -in Form eines gelernten Juristen- drüber schaut, kann man ja eh vergessen.

Dabei wäre es vielleicht besser gewesen, das Ding tatsächlich einmal komplett zu lesen.
Denn in den Änderungen stehen ja nicht die ursprünglichen Paragraphen, sondern immer nur die Verweise, in welchen Absatz was eingefügt werden soll. Man muss sich also mindestens die Arbeit machen, das aktuelle Gesetz zu nehmen und mit den Änderungen abzugleichen. Das geht nicht in zehn Minuten und mit „absolutem Horror“.

„Gleichgestellt“ nicht „gleich reguliert“

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Wie wir die „Community Experten“ sehen: Man findet halt immer was. (Foto: nichtlustig.de)

Die Vorankündigung, nikotinfreie Liquids gleichzustellen, ist eine formaljuristische Aussage. Denn ein Jurist wertet nicht mit „gut“ oder „schlecht“. Das ist etwas, was Menschen ohne Staatsexamen dann aber immer wieder gerne daraus machen.
Nikotinfreie Liquids gleichzustellen bedeutet nur, dass sie juristisch gleichgestellt sind. Es bedeutet noch nicht, dass sie gleich reguliert werden. Der Rechtswert „nikotinfreies Liquid“ ist damit identisch dem Rechtswert eines Liquids mit Nikotin. Eine Ansage, die bei strittigen Prozessen einmal relevant werden könnte. In der Gesetzesänderung hat es eigentlich für die Praxis gar keine weitere Auswirkung.

Im Gegenteil. Hätte das dampfende Panikorchester weiter gelesen, hätte es gemerkt dass Liquids ohne Nikotin sogar weniger reguliert werden sollen. Die Regulierung wird „aufgehoben“.
Das ergibt sich aus der Änderung unter Nummer 6.

Die Regulierung, die in den meisten europäischen Ländern zum Wutgeschrei geführt hat, findet sich in §14, zur „Beschaffenheit von Elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern“. Dort heißt es:

(1) Elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälterdürfen dürfen nach Maßgabe des Satzes 2 nur in Verkehr gebracht werden, wenn

1. Nachfüllbehälter ein Volumen von höchstens 10 Milliliter haben,
2. elektronische Einwegzigaretten oder Einwegkartuschen ein Volumen von höchstens 2 Milliliter haben.

Nach der in Nummer 6 der Gesetzesänderung eingefügten Passage würde der Paragraph lauten:

(1) Elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter, die Nikotin enthalten, dürfen nach Maßgabe des Satzes 2 nur in Verkehr gebracht werden, wenn

1. Nachfüllbehälter ein Volumen von höchstens 10 Milliliter haben,
2. elektronische Einwegzigaretten oder Einwegkartuschen ein Volumen von höchstens 2 Milliliter haben.

Das bedeutet, dass nikotinfreie Liquids ohne Höchstmenge abgegeben werden dürfen.

Mehr noch, auch Basen die kein Nikotin enthalten dürften danach in den gleichen Mengen wie bisher auch verkauft werden.

Befreiungsschlag für Hersteller

Würde die Gesetzesänderung so durchgehen -was sehr wahrscheinlich ist- wären schon einmal alle Vaper die auf Nikotin verzichten, oder sich selber Nikotin oder Bunkerbase beimischen, aus allen Regulierungen die an der TPD2 so stark bemängelt wurden raus.

Auch den Händlern bzw. Herstellern würde damit ein riesen Stein vom Herzen fallen. Denn sie könnten beispielsweise Gebinde anbieten. (Wie wir schon mehrfach versucht haben zu erklären.) Sie könnten zum Beispiel 10ml Flaschen mit 20mg Nikotin anbieten, und die gewünschte Menge an nikotinfreier Base oder Liquid gleich mit dabei. Man schüttet die einen Flaschen in die andere und hat seine gewünschte Menge Base oder Liquid von 50ml, 100ml oder mehr. Mit seinen gewünschten 3mg oder 6mg Nikotin.
Das ist aber nur ein Weg um es dem Verbraucher, also uns Vapern, so einfach wie möglich zu machen. Die Hersteller haben da schon einige Ideen.

Diese Gesetzesänderung bedeutet also genau das Gegenteil von dem, was die Untergangspropheten verbreiten.

Wer will sich schon mit Differenzierung aufhalten?

Die Gesetzesänderung enthält noch einige andere Änderungen, die für den Endverbraucher allerdings nicht sonderlich relevant sind. Unter anderem das Verbot von „ortsfester“ Außenwerbung, Vorschriften zu Funk und Fernsehen und das Verbot der kostenlosen Abgabe. Ebenso sollen Ausspielungen verboten werden. Es kann also nicht mehr jeder Hinterhofmischer seinen Bekanntheitsgrad dadurch erhöhen, dass er mit Gewinnspielchen auf Facebook nervt.
Offenbar müssen aber nikotinfreie Liquids keine Hinweise zu gesundheitlichen Risiken mehr enthalten. Was eine weitere Erleichterung für Hersteller wäre.

Wir haben übrigens bereits am 20. April über den ersten Entwurf der Änderung in einer Notiz auf unserer Facebook Seite berichtet. Auch da bereits mit dem Hinweis zu den nikotinfreien Liquids. Vielleicht sollten auch einige dieser Community-Experten öfter vapers.guru lesen. Aber weil wir nicht für jeden Scheiß direkt in die wutdampferische Panik verfallen, hassen uns offensichtlich genau die Leute, denen etwas Rationalität gut tun würde. Oder wenigstens ein paar Silvester Jura Studium.

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Dä Diddä weiß wie’s geht

Wenn man aber nicht restlos damit beschäftigt ist in eine Papiertüte zu atmen oder panisch im Kreis zu rennen, fällt einem vielleicht sogar auf dass die gesetzlichen Regelungen sich immer mehr dem täglichen Bedarf eines Vapers annähern. Mit der Freigabe von Höchstmengen für nikotinfreie Liquids nutzt die Bundesregierung sogar eine Lücke der TPD2 zum Wohl der Vaper. Und zur Müllreduzierung.

Der Informationsgesellschaft würde es gut tun, wenn sich einige strenger an Dieter Nuhr halten. „Wenn man keine Ahnung hat: Einfach mal Fresse halten“. Oder wenigstens nicht nach jeder hektisch aufgenommenen Halbwahrheit sofort in Panik verfallen und die dann auch noch öffentlich ausposaunen.
Wäre allen mit geholfen.

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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