Am vergangenen Samstag fand die Filmpremiere zu der lang erwarteten Dampfer Doku A Billion Lives von Regisseur Aaron Biebert in Berlin statt.
Es ist schwer nun etwas für ein Dampfer Magazin darüber zu schreiben. Denn sicher ist vieles interessant.
Natürlich war die Premiere auch ein Sehen und Gesehen werden. Aber ein Society Report wäre sicher nicht das, was die meisten Leser interessiert. Ein Hintergrund Bericht über die Organisation wäre sicher interessanter, da es von Dampfern organisiert wurde. Und es gibt dann ja auch noch einen Film zu besprechen.
Letztendlich ist es auch genau eine solche Vielfalt, an der der Film krankt. Und weshalb ihm Filmkritiker von der New York Times zu wenig belastbare Beweise vorwarfen und die LA Times meinte, A Billion Lives erscheine wie ein Werbefilm für die E-Zigarette.
Organistation von unten
Das Dampfen ist eine Revolution. Angefangen hat sie mit Ideenreichtum einiger weniger, die sich in Foren über die Erfindung des chinesischen Pharmakologen Hon Lik ausgetauscht haben. Und dann zumeist in Gründerstimmung auch ein Geschäft daraus machten. Und so wurde auch diese Filmpremiere organisiert. Von „unten“.
Aaron Biebert nahm sich bei der Premiere sehr viel Zeit. Er stand lange für Fotos bereit, schüttelte unzählige Hände und bevor der Vorhang auf ging, betraten er und Anja Jochem Skowronek die Bühne.
Anja war diejenige, die vor etwa einem Jahr formlos Kontakt über die Facebook Seite von A Billion Lives gesucht hatte. Aaron antwortete ihr persönlich, und seitdem wurde gemeinsam daran gearbeitet die Dokumentation auch nach Deutschland zu holen.
Thomas Viell von e-rette schickte sich gerade an mit der Intersteam die erste Dampfer Messe in Berlin zu organisieren. Seine Mitarbeiterin Ilka Klein versuchte ebenfalls den Film nach Deutschland zu holen. Und so wurde kurzerhand die Firma ideen.express gegründet, die dann als Unternehmen entsprechend agieren konnte.
Mit dem Kino International fand sich dann auch ein passender Ort für die Premiere. Das wurde in den 1950ern als Premieren Kino der DDR gebaut und versprüht mit der weitläufigen, neoklassizistischen Karl-Marx-Allee ein entsprechendes Flair. Auch ohne Honeckers Bunker im Keller gesehen zu haben. Etwas gruselig und doch spannend.
Erste Synchronisation ins Deutsche
Die Aftershow Party im Club gegenüber wurde ebenfalls von den Organisatoren eingetütet. Das Österreichische Start up Unternehmen Von Erl, das gerade in den USA Erfolge feiert und davon ausgeht die Regulierung der FDA überstehen zu können, sponserte Essen und Getränke. Ebenso wie die Firma InnoCigs aus München, deren Gründer Dustin Dahlmann wiederum Vorsitzender der Lobbyorganisation BfTG ist.
Bei der kurzen deutsch-englischen Ansprache betonten Anja und Aaron dann auch, dass dies nochmal ein Meilenstein auf dem Weg der Vaping Revolution ist. Denn für die Vorführung in einer „world leading“ Nation (O.-Ton Aaron) wurde der Film zum ersten Mal synchronisiert. Die deutschen Stimmen wurden auf die englische Tonspur gelegt (dubbed). Er ist nun also auch auf deutsch für Vorführungen erhältlich.
Mehr als eine TV Doku
Wie bereits angedeutet ist die Situation des Dampfens sehr komplex. Die Entwicklungen sind rasant. Um diese Entwicklungen aber verstehen zu können, muss viel über die E-Zigarette erklärt werden. Und das ist auch das Manko, das diesem Film einen etwas unsortierten Nachgeschmack gibt.
Obwohl er handwerklich tadelsfrei ist, das muss vorweg geschickt werden. Man merkt ihm an, dass hier jemand am Werk war, der vorher Kurzfilme bzw. Spots gemacht hat. Viele Time Laps Aufnahmen sollen die Tragweite verdeutlichen, um die es geht.
Es ist schon eindeutig mehr als eine TV Doku. Und die Entscheidung ihn nicht einfach auf YouTube frei zugänglich zu machen ist völlig nachvollziehbar.
Entwicklung und Evolution
In den ersten 40 Minuten beschränkt Aaron sich darauf, die Entwicklung der Zigarette und ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu beschreiben. Denn bis in die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurde der Tabakgenuss durchaus positiv bewertet. Nicht nur von der Tabakindustrie.
Eine starke Rolle hat der auch bei der Premiere anwesende Winston Mann, David Goerlitz. Er erzählt seine eigene Geschichte. Nachdem er jahrelang die Werbeikone für den Hersteller RJ Reynolds war, starb sein Bruder an Lungenkrebs. Im Jahr 1988 gab er öffentlichkeitswirksam das Rauchen auf und stellte sich dem Kampf gegen Big Tobacco. Dafür erhielt er sogar die Ehrenmedaille der WHO, die er aber im vergangenen Jahr wegen deren Position gegen die E-Zigarette zurückgab.
So erklärt Aaron dem Zuschauer auch, warum die Tabakindustrie versucht die E-Zigarette zu verdrängen. Die Gründe dürften offensichtlich sein.
Dazu wird die Evolution der E-Zigarette skizziert. Angefangen bei Hon Lik, dem chinesischen Erfinder der modernen E-Zigarette, über Oliver Kershaw, der das erste E-Cigarette-Forum ins Leben rief, bis zu den ersten Versuchen Tabak in Kaffeemaschinen aufzukochen um einen Tabakgeschmack zu bekommen, der einer Zigarette nahe kommt.
Hier zeigt der Regisseur auch, warum die Politik etwas gegen die E-Zigarette hat. Da sie nämlich dadurch Steuereinnahmen verliert.
Es ist schade, dass erst jetzt und auch nicht deutlich genug die einzigartige Partnerschaft zwischen Pharma Industrie und den E-Zigaretten Gegnern wie der WHO und Non-Profit-Organisationen angesprochen wird. Und das ist die Kritik, die dieser Film sich dann doch gefallen lassen muss. Das ist leider in dem komplexen Thema etwas hinten über gefallen.
Bootleggers and preachers
Aaron vergleicht es selber sehr treffend mit dem Verhältnis zwischen Bootleggern und Predigern.
Während der Alkohol Prohibition in den USA wurde vor allem in den ländlichen Gebieten Schnaps durch unzählige Bootlegger schwarz gebrannt. Die wussten aber, umso mehr der örtliche Prediger gegen den Teufel Alkohol wetterte, umso schlechter wurde das Gewissen der Menschen. Und umso teurer konnten sie ihren Alkohol verkaufen. Also fingen die Schwarzbrenner an, genau diese Prediger zu unterstützen. Und die Prediger nahmen diese Unterstützung an, obwohl sie von genau denen kam, die sie bekämpfen wollten. Am Konsum geändert hat es nämlich kaum was, die Leute haben gesoffen wie vorher auch.
Dieses Bild ist ein wundervolle Analogie zu dem Verhältnis zwischen E-Zigaretten Gegnern und der Pharma Industrie. Wie beispielsweise der großen American Cancer Society, die auch am gerade stattgefundenen Kongress der WHO in Delhi teilgenommen hat und durch die Pharma Industrie finanziell unterstützt wird.
A Billion Lives Trailer
Viele kommen zu Wort
Viele Leute kommen zu Wort. Um nur einige zu nennen sei hier Derek Yach erwähnt, ehemaliger Yale Professor, der als Direktor der WHO auch an der Framework Convention of Tobacco Control mitgearbeitet hat. Oder Dr. Bill Godshall, der Smokefree Pensylvania leitet, die als eine der wenigen Anti Tabak Organisationen nie Gelder von der Pharma Industrie angenommen hat. Erwähnenswert sind sicher auch Dr. Delon Human und vor allem Clive Bates, einem der größten Kämpfer für die E-Zigarette in England.
Auch der in Europa sehr bekannte Dr. Farsalinos aus Griechenland kommt zu Wort.
Es verwundert nicht, dass A Billion Lives von den Kritikern gemischt aufgenommen wurde. Sicher hätten den 95 Minuten der Dokumentation etwas weniger Tabak Spots aus den 50ern und etwas mehr Hintergrundfakten gut getan. Beispielsweise wie die Lobbys auf Politiker Einfluss genommen haben. Was aber auch eine Frage des Budgets ist. Auch ein Hinweis, dass viele Gegner es einfach abgelehnt hatten mitzuwirken, hätte sicher dem Eindruck eines Werbefilms entgegen gewirkt. Der hoch aufgehängte Kampf der Firma NJoy wurde außerhalb der USA sicher auch deutlich weniger wahrgenommen, da gibt es inzwischen andere Lichtgestalten. Erwähnenswert und informativ ist er für viele Dampfer auch in Europa dennoch.
Es verwundert aber auch nicht, dass der Film von 92% der Zuschauer als gut bewertet wurde (rottentamatoes.com). Denn wer sich diesen Film ansieht wird derzeit sicher selber Dampfer oder Angehöriger sein.
Gut gemacht und sehenswert ist er allemal.
A Billion Lives wurde in der Dampfer Szene weitreichend gepusht. Es besteht die Gefahr, dass er zum heiligen Gral erhoben wird, man darüber aber vergisst dass er nicht nur für Dampfer funktionieren muss. Das gleiche Schicksal hatte 1983 Wild Style, der bis heute in der Graffiti Szene ein Kultfilm ist, darüber hinaus aber nie viele Menschen erreicht hat.
Dieser Film kann tatsächlich mehr. Auch wenn er als erster abendfüllender Film von Aaron wohl nicht mit den ganz großen Produktionen mithalten kann. Er hat Potential.
Ein wichtiger Film
Aarons Engagement ist dabei dankenswert zu loben. Er kann überzeugen, dass es ihm als Nichtraucher und Nichtdampfer nicht nur darum geht einen Film zu promoten. Sondern dass er die Anspielung des Titels, dass es hier gemäß Schätzungen der WHO um eine Milliarde Menschenleben geht, völlig ernst meint.
Für Vaper ist es ein wichtiger Film. Auch er kann Kultstatus erhalten. Vielleicht werden wir in zehn Jahren einmal den verstaubten USB Stick aus der Schublade kramen und ihn uns noch einmal ansehen.
Es wäre auch ein wichtiger Film für andere. Vor allem für Raucher. Aber auch für Ärzte oder Mitarbeiter in Gesundheitsorganisationen. Und vielleicht würde der ein oder andere Beamte, Politiker oder Entscheidungsträger doch einmal eher hinterfragen, was WHO und andere ihnen einflüstern. Wie es offenbar in Neu Seeland schon passiert ist.
Aufruf zur Mithilfe
Deshalb rief Anja in der Ansprache mit Aaron auch dazu auf, mitzuhelfen ihn zu verteilen. Diesem Aufruf schließt sich vapers.guru gerne an. Denn leider hat sich bisher noch kein Filmverleih gefunden, der sich die Rechte für den deutschsprachigen Markt sichern möchte.
Dampfern ist es gelungen ihn nach Deutschland zu holen. Dampfern ist es gelungen, dass er in den USA in vielen Kinos gezeigt und in großen Zeitungen besprochen wird. Es wäre doch gelacht, wenn es uns nicht gelingt ihn einer breiten Öffentlichkeit nicht nur schmackhaft, sondern auch zugänglich zu machen.
Wenn Ihr eine Idee habt, dann wendet Euch an die die deutsche Facebook Seite von A Billion Lives. Oder geht gleich über die Homepage. Ob ein Programm Kino um die Ecke oder ob Ihr eine einmalige Vorstellung in einem großen Kino selber organisiert. Es sind genug helfende Hände da, Ideen und Vernetzung sind gefragt. Und vielleicht merkt so ja doch ein Filmverleih, dass hier etwas geht.
Der Film sei jedem empfohlen. Nicht nur Dampfern.
Es ist ein wichtiger Film. Ein weiterer Schritt der Vaping Revolution.
Truth is coming!
Joey Hoffmann
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