Die Interessengemeinschaft E-Dampfen e.V. ist nach eigenen Angaben der erste deutsche Konsumentenverband für Vaper.
Gestern hat sie eine Erklärung veröffentlicht, nach der sie auf Grundlage des Diskriminierungsverbotes bei der Bürgerbeauftragten der EU eine „formale Beschwerde“ eingereicht hat.
Wer das jetzt für eine gute Idee hält, oder meint das würde irgendetwas für Dampfer ändern, sollte sich genauer ansehen, was da überhaupt wieder abläuft.
Die Europäische Kommission soll dem Europäischen Rat alle vier Jahre einen Bericht vorlegen, wie Tabakwaren in den Mitgliedsstaaten versteuert werden und was davon beim Verbraucher ankommt. Gegebenenfalls soll die Kommission Vorschläge einbringen, wie das besser zu regeln wäre. Denn einerseits will man etwas für die öffentliche Gesundheit tun. Und höhere Steuern führen zu Verteuerungen, Verteuerungen führen zu weniger Konsum. Andererseits will man aber den Binnenmarkt innerhalb der EU stärken. Und dafür muss die Besteuerung möglichst einfach und einheitlich sein. Vor allem, damit keine Verzerrungen im Markt auftreten. Beispielsweise durch eine Wiedereinführung oder ähnlichem. („Ich kauf Kippen nur in Polen!“)
Stein des Anstoßes
Hierfür möchte die Kommission, bzw. die zuständige Stelle für diese Besteuerung, eine Umfrage durchführen. Eine sogenannte „öffentliche Konsultation„. Diese Umfrage richtet sich gezielt an Privatpersonen, aber auch an Organisationen, Behörden und „stakeholder“, also Hersteller und Händler.
Da die E-Zigarette ein völlig neues Produkt ist, wird hier auch erfasst, was man von einer Besteuerung der E-Zigarette hält. Beispielsweise wie die E-Zigarette im Vergleich zum Tabak besteuert werden soll, wie sich wohl eine Besteuerung von 20% oder 50% auf das Konsumentenverhalten auswirkt und so weiter.
Im Anschluss an die Umfrage können sogar Dokumente hochgeladen werden.
Kritikpunkt der IG-ED ist nun, dass diese Umfrage nur auf Englisch verfügbar ist.
Nachdem sie, nach eigener Aussage, bereits am Anfang der Umfrage im November 2016 angefragt hat, hat sie zwei Wochen Später eine Antwort „angemahnt“.
Auf der Grundlage des Diskriminierungsverbotes haben wir beim Bürgerbeauftragten der EU eine formale Beschwerde über das Verhalten der EU-Kommission eingeleitet.
Das Diskriminierungsverbot
Das hört sich ja schon geil an. Um diesen Satz vollends zu verstehen, muss man sich einmal anschauen, was das Diskriminierungsverbot und was die Bürgerbeauftragte der EU eigentlich sind.
Das Diskriminierungsverbot ist Teil der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die ist so zu sagen Teil der Verfassung der EU. In Ihr werden so wichtige Grundlagen geregelt wie das Verbot von Sklaverei und Folter, das Recht auf Meinungsfreiheit oder Religionsfreiheit oder dass es in der EU keine Strafe ohne Gesetz geben darf.
Wie wichtig ein Gesetz ist, sieht man auch daran, dass davor keine Paragraphen sondern Artikel stehen. Und das Diskriminierungsverbot steht im Artikel 14.
Das Diskriminierungsverbot richtet sich vor allem an die einzelnen Staaten. Basteln wir einmal ein Beispiel, damit es klarer wird.
In Bosnien (und in anderen Ländern) gibt es eine starke Tendenz gegen Sinti und Roma. Würde Bosnien nun hingehen und Roma vor Gericht gezielt stärker bestrafen, läge ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vor, und man könnte den Europäischen Gerichtshof anrufen.
Die Bürgerbauftragte
Die Bürgerbeauftragte der EU ist eine Instanz, die wir beispielsweise mit dem Wehrbeauftragten in Deutschland auch haben. „Bürgerbeauftragter“ ist natürlich nur eine Funktion, das ist ein ganzer Stab von Beamten. An die kann man formlos eine Beschwerde richten, wenn man meint, dass etwas nicht so ganz rund läuft. Die Bürgerbeauftragte (bzw. ihre Mitarbeiter) kann sich das dann genauer anschauen und eventuelle Maßnahmen ergreifen. Beispielsweise es an die Kommission weiterleiten, dem Rat vorlegen, sich an die einzelnen Mitgliedsstaaten wenden oder ähnliches. Vereinfacht gesagt hat sie aber keine weiteren Berechtigungen. Sie kann keine Anweisungen geben, dass irgendein Missstand behoben werden soll.
Sie ist ein Rädchen in der Maschine. Aber trotzdem eine sehr gute Einrichtung, denn wenn die Bürgerbeauftragte etwas anmahnt, dann werden einige hellhörig und andere nervös.
Drei Probleme
Protest ist ja schön und gut. Jetzt ergeben sich aber zwei bis drei Probleme, die vielleicht schon ins Auge fallen. Und ab hier fällt es echt schwer nicht polemisch zu werden.
Erstens hat die Bürgerbeauftragte keinerlei Weisungsfunktion. Das heißt, sie kann nicht hingehen und der Europäischen Kommission vorschreiben das Internet anzuhalten und die Umfrage neu zu machen. Sie kann höchstens anmahnen, dass diese Umfrage nicht in allen 24 Sprachen der Mitgliedsstaaten bereitgestellt wurde. Das ist aber folgenlos. Ein zuständiger Beamter wird mit den Achseln zucken, sich sagen „Vielleicht in vier Jahren mal.“ und das Ding wegheften.
Zweitens ist die Begründung doch etwas konstruiert. Denn das Diskriminierungsverbot richtet sich ja gegen handfeste Missstände, wie der organisierten, gezielten Diskriminierung von Schwulen oder ethnischen Minderheiten durch einen Staat. Von Umfragen im Internet steht da beim besten Willen nichts drin.
Und zum dritten ist diese Umfrage eine reine Erhebung. Sie ist an sich schon nicht rechtsbindend. Denn es geht hier ja nicht darum, dass man die Leute mal fragt, und dann wird das so gemacht. Es ist kein Volksentscheid. Da es in der Befragung auch um die Besteuerung von Tabak geht, müssten sonst ja nur alle Raucher (immerhin ein Drittel der volljährigen Bevölkerung) sagen, dass sie gegen eine Besteuerung sind. Und dann würden Zigaretten nicht mehr besteuert. Denn Nichtraucher beantworten die Umfrage ja sicher weniger.
Die Kommission will damit nur eine Stimmungslage erhalten und Ansatzpunkte, wo man vielleicht nachhaken könnte oder wie eine Regulierung Sinn machen würde. Beispielsweise werden ja sehr viele E-Zigaretten und Liquids importiert, bei Zigaretten gibt es wenige große Hersteller mit Fabriken in den Ländern.
Befragung von Privatpersonen
In der Befragung wird auch als erstes danach gefragt, wer die Umfrage beantwortet. Ob es sich dabei um eine Privatperson, eine Organisation, eine Behörde oder einen „stakeholder“ handelt. Und es hat überhaupt nichts damit zu tun, dass „der Bürger“ nicht ernst genommen wird, wenn die Angaben von Privatpersonen anders bewertet werden. Denn es ist aus dem letztgenannten Grund ja offensichtlich, dass vor allem diejenigen Privatpersonen dort antworten, die dampfen oder rauchen. Und dass die natürlich eine ganz andere Motivation haben zu antworten. Die werden nämlich tendenziell alle gegen eine Besteuerung sein. Dafür braucht man keine Umfrage.
…hört sich aber fett an!
Wenn man jetzt einmal einen Schritt zurück geht und sich das einmal anschaut, wird das Bild auch etwas klarer, was dort abgelaufen ist. Und dann ist es annähernd unmöglich nicht polemisch oder mindestens lakonisch zu werden.
Die Kommission stellt eine Befragung über die Besteuerung online. Einige Wutdampfer bekommen tropfende Zähne, reiben sich die Hände, und denken sich „Denen zeigen wir es. Jetzt prügeln wir denen unsere Weisheit ein.“ Dummerweise werden die meisten Wutdampfer schon im Ansatz gebremst, denn die Umfrage ist nur auf Englisch. Dadurch fühlen sich einige ungerecht behandelt, denn für sie ist so etwas ja ein Angriff auf ihr Mitspracherecht. Welches de facto hier gar nicht existiert.
Nachdem sich ausreichend darüber aufgeregt wurde, sucht man also nun eine Möglichkeit sich über diese Ungerechtigkeit zu beschweren. Da ist die Bürgerbeauftragte ja naheliegend. Anstatt nun aber einfach anzumerken, dass das so nicht in Ordnung ist, wird direkt die ganz große Peitsche ausgepackt. Die Menschenrechtskonvention. Also schreibt man eine Beschwerde auf Grundlage des Diskriminierungsverbotes und gibt dazu eine öffentliche Erklärung heraus. Da kann man ja mal schön auf die Pauke hauen, Hauptsache der Busch brennt. Der Konsumentenverband hat sich wegen Diskriminierung bei der EU beschwert. Wow.
Die Was-wird-wohl-passieren-Show
Die IG-ED kündigt in ihrer Erklärung vollmundig an, über den weiteren Verlauf berichten zu wollen.
Man braucht mit gesundem Menschenverstand keine Glaskugel, um zu wissen, was dabei herauskommt. Man darf sogar prognostizieren, dass die Antwort („…wurde dem Petenten abschlägig beschieden.“) dann dazu führen wird, dass viele Wutdampfer sich weiter über die EU und die Ungerechtigkeit aufregen. Anstatt einmal ihre eigenen Mittel und Wege zu hinterfragen.
Geschweige denn, dass man mal darüber nachdenkt, dass die zuständige Stelle das Ganze sogar absichtlich nur auf Englisch veröffentlicht hat, damit eben nicht Abertausende meinen klugscheißerisch belehren zu müssen und Gigabytes an Info Material hochladen.
Wozu eigentlich? Wozu?
Und so bleibt dann auch ein Schmankerl zum Schluss. Die Umfrage endet am 16. Februar. Diese Umfrage ist aller Voraussicht nach längst Geschichte, bevor irgendetwas Sinnvolles bei der Beschwerde herauskommt.
Und wir wundern uns, warum die Gerichte verstopft sind.
So werden die Interessen von Konsumenten in Deutschland vertreten. Die Frage, was die IG-ED mit dieser Aktion eigentlich zu erreichen hofft, bleibt unbeantwortet. Ob vorher juristischer Rat gesucht wurde, traut man sich gar nicht erst zu fragen. Wohl eher nicht, denn sonst würde die IG-ED hier nicht von einer „förmlichen“ Beschwerde sprechen. Denn Beschwerden an die Bürgerbeauftragte sind formlos. Was auch die Formulierung eine „förmliche Beschwerde eingeleitet (!)“ zu haben ad absurdum führt. Das impliziert nämlich, dass da jetzt irgendwas hoch Offizielles und Wichtiges ans Laufen kommt. Solche Formulierungen sind von der IG-ED hinlänglich bekannt. Auf ihrer Facebook Seite spricht sie direkt davon, dass die EU alle nicht englischsprachigen Bürger diskriminieren würde.
Es kann der IG-ED ja nicht darum gehen, hier als Organisation eine Umfrage zu beantworten. Irgendwer in der IG-ED wird schon ausreichend Englisch können. Die Motivation dahinter muss ja die sein, dass möglichst viele Dampfer etwas gegen die Besteuerung äußern. Die Illusion von Basisdemokratie.
Demokratische Steckenpferde
Leider ist es etwas aus der Mode gekommen, Kindern Märchen und alte Erzählungen vorzulesen. Bei dem Bild das sich hier ergibt, liegt der Vergleich zu den Schildbürgern sehr nahe.
Die Schildbürger sind ein Haufen von Idioten in der Stadt Schilda, die sich durch absurde Lösungen einen Namen gemacht haben. Die Erzählungen waren als Lehrstücke jahrhundertelang sehr beliebt.
Als einmal der Kaiser nach Schilda kommen wollte, ließ er vorher eine Ankündigung senden. Denn es war üblich, hohem Besuch entgegen zu kommen. Und so ließ er im damaligen Amtsdeutsch verkünden, man könne ihm „halb zu Fuß und halb zu Pferd“ entgegen kommen. Was bedeutet, dass derjenige der Kein Pferd hat, auch zu Fuß kommen kann. Nach einiger Beratung kamen die Schildbürger darauf, ihm auf Steckenpferdchen entgegen zu hoppeln. Nach seinem Besuch sprach der Kaiser allen Bürgern von Schilda die Narrenfreiheit zu.
Was hat die IG-ED wohl innerhalb der Kommission für einen Ruf?
Man muss die IG-ED nicht diskreditieren. Was sie tut spricht für sich selbst.
Zur öffentlichen Konsultation geht es hier…
Zur eigentlichen Umfrage geht es hier…
Zur Veröffentlichung der IG-ED geht es hier…
Joey Hoffmann
Neueste Artikel von Joey Hoffmann (alle ansehen)
- Razzia: 11 von 15 Verkaufsstellen mit illegaler Ware - 23. Februar 2023
- Aromenverbot: Politiker schmeißen alles durcheinander - 16. Februar 2023
- VAPERS.GURU vor dem Aus? - 8. Februar 2023