Gestern Abend kommentierte jemand auf unserer Facebook Seite unter einem Video, sein markierter Kumpel solle sich ruhig noch zwei Flaschen Nikotin Spray holen. Eine kurze Suche im Netz bestätigte die Vorahnung: Es hat tatsächlich noch nie jemand die E-Zigarette dem Nikotin Spray gegenüber gestellt. Kein Verband, kein Hersteller, niemand kam mal auf die Idee.
Das ist deshalb umso faszinierender, weil ja vor allem die Akteure gegen die E-Zigarette, wie beispielsweise die Presse oder das Deutsche Krebsforschungsinstitut in Heidelberg, immer wieder auf die möglichen Risiken der E-Zigarette verweisen. Und zur Rauchentwöhnung eher so genannte Nikotinersatztherapien wie Nikotin Spray empfehlen.
Selbstverständlich muss das ein Vergleich von Äpfel und Birnen sein. Denn bei der E-Zigarette wird der Dampf inhaliert, beim Spray wird das Nikotin vor allem über die Mundschleimhaut aufgenommen.
Aber beides sind ja Dinge, mit denen man die Zigarette substituieren (ersetzen) kann und will. Beide haben den gleichen Anspruch. Also ist es durchaus statthaft, sie einmal gegenüber zu stellen.
Mehr als die Sucht nach Nikotin
Der erste und vielleicht wichtigste Punkt ist die Substitution selber. Vielen ist nicht klar, dass eine Sucht immer aus mehreren Komponenten besteht. Der Raucher ist nicht süchtig nach dem Nikotin. Das hat sich einfach falsch in das Gemeinwissen eingeschlichen. Genauso wie „Schizophren“ nichts mit mehreren Persönlichkeiten zu tun hat.
Es ist bis heute nicht gelungen, ein Suchtpotential von Nikotin eindeutig und reproduzierbar nachzuweisen. Nikotin rangiert bei Gegenüberstellungen nur so weit oben in der Drogen Skala, weil es bisher ja immer mit Tabak verbunden wurde. Denn es spritzt sich ja niemand Nikotin in übel beleumundeten Bahnhofsgegenden. Erst durch die E-Zigarette ist diese Kopplung aufgehoben worden. Genau deshalb verorten immer mehr Ärzte das Suchtpotential und die Risiken von Nikotin irgendwo bei Coffein.
In den Gegenüberstellungen müsste korrekterweise „Tabak“ stehen, und nicht „Nikotin“.
Nikotin ist übrigens auch offiziell nicht als krebserregend eingestuft. Das ist auch so ein Mythos.
Der Raucher ist süchtig nach dem Ritual. Etwas in den Fingern zu haben, etwas zum Mund zu führen, eine Zigarette zu drehen oder mit den Kollegen Raucherpause zu machen. Das ist viel wichtiger als das Nikotin selber. Hinzu kommen der Throat Hit und der Lung Hit, dieser Drücken auf der Brust und das Kratzen im Hals. Und wer meint das sei Quatsch, sollte mal darüber nachdenken, warum sehr viele Menschen von Wasser ohne Kohlensäure unbefriedigt sind.
Nur 4% schaffen es
Natürlich gibt Nikotin auch etwas. Den Müden macht es etwas wacher (der Blutdruck steigt kurzzeitig an) und den Nervösen entspannt es (konditioniertes Verhalten). Aber würde die Gabe von Nikotin alleine befriedigen, dann müssten auch Nikotinpflaster wirken. Tun sie aber nicht.
Zu der NRT, Nicotine Replacement Therapy, zählen alle Nikotinersatzprodukte. Wie Kaugummis, Pflaster und Sprays. Im Mittel hören mit diesen Präparaten aber genauso viele Menschen auf zu rauchen wie ohne. Es sind etwa 4%.
Nur vier von 100 Menschen schaffen es dauerhaft die Kippen sein zu lassen. Oder an der Havanna zu nuckeln.
E-Zigarette weit erfolgversprechender
Bei E-Zigaretten sagen die Zahlen etwas anderes. Allerdings ist das natürlich gar nicht so einfach zu erfassen. Denn sehr viele Dampfer wollen gar nicht aufhören zu rauchen. Sie wollen nur das Gesundheitsrisiko minimieren. Deshalb gibt es auch sehr viele Dual User. Die dampfen sich auf der Arbeit oder abends auf der Terrasse einen, und in Wacken hauen sie sich die Peitsche ins Gesicht und ziehen drei Schachteln Filterlose weg.
Trotzdem sind die Zahlen erhellend. Je nach Umfrage hören mit der E-Zigarette zwischen 30% und 80% auf Tabak zu konsumieren. Selbst Erhebungen von Gegnern der E-Zigarette kommen auf 24% und erdreisten sich das als „nur“ zu bezeichnen.
Der griechische Professor Dr. Farsalinos vom Onassis Krebszentrum , selber Nichtraucher und Nichtdampfer, hat die Zahlen – die von der EU 2014 erhoben wurden – ausgewertet und kommt zu dem Ergebnis, dass bis dahin über 6.000.000 Menschen in Europa durch die E-Zigarette aufgehört haben zu rauchen. So viele wie noch nie mit irgendeinem anderen Mittel.
Wenn man weiß, was die Sucht eigentlich ausmacht, dann wird auch offensichtlich, warum die E-Zigarette so viel erfolgreicher ist. Ja sogar sein muss. Weil sie nämlich mehr ersetzt als nur das Nikotin.
Ein Dampfer kann mit seinen Kollegen auch weiterhin zur Raucherpause. Er kann weiter seinen Ritualen frönen. Er kann sich im Auto seine Dampfe anschmeißen oder morgens beim Kaffee zum Wachwerden schön eine schmöken. Derjenige der versucht mit Nikotin Spray aufzuhören, der kann sich einmal lustlos das Zeug in den Mund spritzen, und das war es dann.
Inhaltsstoffe auch in Frostschutzmitteln
Deshalb ist es nicht nur verwunderlich, warum viele Gegner der E-Zigarette so auf Nikotinersatztherapien bestehen. Es ist doch naheliegend anzunehmen, dass hier eine Interessensüberschneidung mit der Pharmaindustrie vorliegt. Die ja jedes Jahr Millionen mit diesen Präparaten verdient.
Sondern es ist auch verwunderlich, dass noch keiner auf die Idee gekommen ist, das einmal mit der E-Zigarette zu vergleichen.
Da die Gegner der E-Zigarette gerne möglichst schlechte Ergebnisse heranziehen und mit sehr platten Argumenten arbeiten („Die Inhaltsstoffe sind auch in Frostschutzmitteln enthalten!“) ist es ja nur legitim, einmal die möglichst ungefährlichste Variante heranzuziehen und das Gleiche dann einmal auf das Nikotinspray anzuwenden. Und das verändert das Bild dann radikal.
E-Zigarette als Kippenersatz
Die E-Zigarette an sich gibt es ja nicht. Sie ist ein technisches Hilfsmittel um sich den Dampf und das Nikotin rein zu ziehen. Das wird nämlich gerne schon ignoriert und viele sprechen dann von „der E-Zigarette“.
Aber ich kann mir auch mit einer Bong Tabak, Weed oder Heroin reinziehen. Die Blubber selber ist nur gefährlich, wenn ich sie jemandem über den Scheitel ziehe.
Nehmen wir also einfach einmal an, jemand möchte mit der E-Zigarette nur seine Tabakzigaretten substituieren. Langfristig wird das Beste, Harmloseste und Vielversprechendste dann eine einfache eGo sein, mit der er sich selbstgemischtes Menthol Liquid reinzieht.
Dieses Liquid besteht aus drei Substanzen, abgesehen vom Nikotin.
Zum ersten das PG, das Propylenglykol. Es ist der Geschmacksträger, allerdings sehr kratzig. Es ist ein Feuchtigkeitsmittel, das auch in Kaugummis oder Kosmetika verwendet wird. Und das zweite ist Glycerin. Das ist der Stoff, der möglichst dicken Nebel gibt. Glycerin ist prinzipiell nichts anderes als Pflanzenfett. Deshalb wird es häufig mit VG abgekürzt, was in Deutschland oft mit „Veganes Glycerin“ übersetzt wird. Eigentlich kommt es aber aus dem Englischen und bedeutet „vegetable“. Aber „Gemüsiges Glycerin“ hört sich nun mal beschissen an.
Auch Glycerin ist ein Feuchtigkeitsmittel. Es findet sich beispielsweise auch in Zahnpasta, Kosmetika und Duschgel.
Diese beiden Stoffe sind die Basis für jedes Liquid. Sie finden sich auch im Theater und Disconebel. Sie sind auch für Asthmasprays zugelassen. Und bevor es da wieder einen Shitstorm gibt: Derzeit ist in Europa offenbar kein Asthmaspray mit diesen Stoffen mehr auf dem Markt. Der letzte Hersteller war ein französischer. Das liegt aber nur daran, dass inzwischen andere Trägerstoffe effizienter und billiger sind. Sie sind als Arzneimittelzusatz zugelassen und finden Verwendung.
Spannenderweise werden diese beiden Stoffe auch Tabak zugesetzt, damit er nicht austrocknet. Jeder Raucher hat sich also vorher schon jahrelang eh so etwas wie Liquid reingezogen.
Als letztes braucht der Umsteiger dann Menthol. Wer den Herstellern nicht vertraut, oder wem der Aluhelm glüht, der kann sich die Menthol Kristalle in jeder Apotheke kaufen. In pharmazeutischer Reinheit.
Das war schon alles, was er braucht und sich reinzieht.
Und was ist im Spray?
Schauen wir uns jetzt doch mal das Nikotinspray an. Das ist recht leicht, man muss nämlich nur die Verpackung lesen. Da Nikotinsprays nicht rezeptpflichtig sind, muss der Hersteller dort angeben was drin ist.
Als Referenz schauen wir doch einfach mal beim Pharmariesen McNeil GmbH & Co. OHG. Das ist nämlich eine Unterabteilung von Johnson & Johnson, der mit seinen über 120.000 Mitarbeitern jährlich etwa 70 Milliarden Umsatz macht.
McNeil GmbH & Co. OHG ist Hersteller des Aushängeschildes der NRT, der Marke Nicorette.
Die gleichen Grundzutaten wie im Liquid
Auf den ersten Blick fällt etwas Spannendes auf. Denn die Basis des Sprays ist genau die gleiche wie die des Liquid. Auch hier werden Propylenglykol und Glycerin (Glycerol) verwendet.
Das ist also bei Spray völlig in Ordnung, aber bei E-Zigaretten wird argumentiert dass es durch das Erhitzen und Inhalieren gesundheitsschädlich sein kann. Interessant.
Jetzt stehen da aber noch viele andere Inhaltsstoffe drauf. Man zieht sich also noch mehr rein, als bei einer E-Zigarette mit Menthol Liquid.
…und noch mehr
Das Menthol wird im Spray durch irgendwelche nicht näher bezeichnete Aromen ersetzt. Und davon gleich mehrere. Es ist ein Minze Aroma angegeben, und ein „Frische“ Aroma. Was auch immer das sein soll. Zur Abrundung wird noch Levomenthol dazu gekippt.
Um das ganze wohl etwas fluffig zu machen, wird Natriumhydrogencarbonat zugegeben. Das kennt man eigentlich als Backmittel. Aber da ja gerne bei den Grundstoffen (die sowohl in Zigaretten wie auch Liquid und Spray enthalten sind) erwähnt wird, dass sie auch in Frostschutzmittel vorkommen, sollte man vielleicht hier erwähnen dass Natriumhydrogencarbonat auch in Feuerlöschpulver enthalten ist. Und jeder Dealer kennt das Zeug, denn damit wird aus Koks Crack gekocht.
Alk und Süßstoff
Um das Spray aber noch weiter zu optimieren, kommt auch noch Ethanol mit rein. Das ist Alkohol, der nicht nur in alkoholischen Getränken vorkommt, sondern auch in Parfüms enthalten ist. Und da wird die Vorstellung doch langsam etwas ekelig. Aber es geht ja noch weiter.
Damit das jetzt halbwegs annehmbar schmeckt, haut man noch Süßstoff mit rein. Aber nicht nur einen, das reicht offenbar nicht. Es wird Acesulfam-Kalium zugegeben, das etwa 200 Mal so süß ist wie Saccharose. Und es kommt Sucralose dazu, was etwa 600 Mal so süß ist wie Zucker. Lecker.
Emulgatoren und Salzsäure
Als Sahnehäubchen obendrauf kommt dann noch ein Schuss Salzsäure. Richtig gelesen, kein Scherz. In dem Zeug ist auch Salzsäure.
Die Zutaten lassen sich aber offenbar nicht so gut mischen. Deshalb muss da jetzt gegengesteuert werden, damit das Zeug in der Flasche nicht ausflockt oder so. Also gibt man noch Trometamol und Poloxamer dazu. Das sind Hilfsstoffe, die bei der Emulsion helfen. Sie sind beispielsweise auch in Kosmetika zu finden.
Und wenn man sich das jetzt einmal so durchliest sollte man nicht vergessen, man inhaliert das Zeug ja zwangsläufig auch.
Hier nochmal der Hinweis, das ist natürlich keine medizinisch relevante Gegenüberstellung. Denn beispielsweise dampft man ja viel mehr als man sprayt. Aber es gibt doch schon mal einen interessanten Eindruck, was man sich da so reinzieht. Und womit die Big Pharma so ihre Kohle verdient. Und was diejenigen empfehlen, die NRT vor der E-Zigarette den Vorzug geben.
Alleine die Tatsache, dass die Basis von Nikotinspray die gleiche ist wie von Liquid für E-Zigaretten, sollte einem doch zu denken geben.
Versuch eines Preisvergleichs
Natürlich ist es auch schwer, das ganze einmal preislich zu vergleichen. Denn jeder dampft und sprayt ja unterschiedlich oft. Aber versuchen wir es einmal. Nur einmal ein Gedankenspiel.
Denn dafür muss man gar nicht mit vielen Variablen rechnen, eine einfache Gegenüberstellung reicht.
Ein Doppelpack des Nicorette Spray wird für etwa 50,- € angeboten. Damit kommt man nach Herstellerangaben etwa 20 Tage aus.
Jeder Dampfer wird bestätigen, dass 100ml Liquid für einen Anfänger mit einer eGo sehr großzügig sind. Da kommt man bei dem Selbstgemischte auf Kosten von etwas über einen Euro für den gleichen Zeitraum. Eher länger.
Wer jetzt meint pfiffig zu sein wird einwenden, dass man ja noch eine E-Zigarette benötigt. Entsprechende Starter Kits – mit allem was man benötigt – sind für etwa 40,- € zu haben.
Die empfohlene Therapiezeit mit dem Spray beträgt allerdings 12 Wochen. Man benötigt also nach Herstellerangaben mindestens vier Doppelpacks. Was nach Adam Riese dann über 200,- € kostet. Die E-Zigarette bleibt aber, und so kommt man auf Kosten von maximal 50,- €.
Schön blöd eigentlich
Wer jetzt tatsächlich noch meint sich zur Abgewöhnung lieber das Spray anzutun, der leckt auch gelben Schnee. Also ehrlich mal.
Mit der E-Zigarette haut man sich also Zeug rein, was auch im Frostschutzmittel ist. Aber mit Nikotinspray aus der Apotheke auch. Nur dass da noch das Zeug aus Schminke, Parfüm, Crack und Feuerlöschpulver dabei ist. Und dafür verzichtet man auf das, was die Sucht hauptsächlich ausmacht.
Denken wir einen Moment darüber nach.
Die Grafik unten ist übrigens mit der großen Auflösung (ca. 3MB) verlinkt. Die kann sich jeder mit einem Rechtsklick runterziehen. Frei zur Verwendung, bedient Euch.
Joey Hoffmann
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