Wie ProVape bekannt gab ist die Produktion eingestellt. Und ein Aufschrei geht durch die Dampferreihen, vor allem unter den Älteren und denen die schon länger dampfen.
Schuld sei die Regulierung der FDA. Aber ist das wirklich ein realistisches Szenario?
Was ist da nicht alles an Kommentaren in Foren und auf Social Media zu lesen. Nachdem der ein oder andere Blogger und Vlogger die Meldung lanciert hat, geht der Shitstorm erst richtig los.
Die vielen Arbeitsplätze die hier kaputt gehen. Und die Tabakmafia. Und überhaupt sind ja alle schuld. Alles. Danke Merkel!!!
Sogar ein vereinsamter Putin Troll wurde gesichtet, offenbar paarungsbereit, der sofort vorschlug das „dümmste Volk der Welt“ aus Europa zu jagen.
Es ist wirklich schön zu sehen, dass sehr viele Dampfer das ganze nüchterner betrachten, beurteilen und vielleicht auch zweimal darüber nachdenken, bevor sie etwas in die Tasten hauen.
ProWer?
Für die jüngeren Dampfer muss man ProVape vielleicht überhaupt erst einmal vorstellen.
ProVape war eine kleine Manufaktur in den USA.
Die Firma und die Geräte hatten einen sehr guten Namen. Das ist unbestreitbar. Viele alte Dampfer laufen noch heute mit Geräten durch die Welt, die sie bereits vor Jahren gekauft haben. Kwasi unkaputtbar das Zeug.
Die ProVari Geräte waren mit die ersten ihrer Art auf dem Markt. Geregelte Tube Akkuträger für wechselbare Akkus.
Die FDA, die zuständige Behörde der USA, hat sehr restriktive Bestimmungen erlassen um den Markt der E-Zigaretten zu regulieren. [Ausführlicher Bericht hier…]
So müssen alle Geräte eine Zulassung haben, die auch „Abgasuntersuchungen“ mit einschließt. Die Anmeldung für diese Produkte ist an sich schon recht teuer, diese Zertifikate kommen noch hinzu.
ProVape hat in ihrem Statement nun angegeben, dass sie aufgrund der restriktiven Vorschriften der FDA beschlossen haben, nicht weiter zu machen.
Und diese Formulierung sollte doch schon einmal einladen darüber nachzudenken. Zumindest bevor man behauptet, die FDA hätte die Firma kaputt gemacht. Denn diese Bestimmungen werden überhaupt erst in etwa zwei Jahren gültig. Und es laufen bereits Verfahren um juristisch dagegen anzugehen.
Auf Niesche spezialisiert
Schaut man sich die Geräte aber genauer an, dann keimt da eine andere Erkenntnis. Die sicher vielen jüngeren Dampfern (und damit ist nicht das Lebensalter gemeint) eher logisch erscheinen wird.
ProVape hat Nischenprodukte hergestellt. Die ProVari mit der höchsten Ausgangsleistung war die neuste mit 60W. Es wurde schon als Revulotion gewertet, wenn eine ProVari – das Flaggschiff – überhaupt in der Lage war Coils bis zu 0,7 Ohm zu erkennen. Oder zum Schluss 0,5 Ohm.
Es sind also von ihrer Machart her ausgesprochene Qualitätsprodukte, die eher für Backedampfer geeignet sind.
Durch diese Spezifikation fällt dann ein anderes Merkmal umso mehr ins Gewicht. Diese Produkte bewegten sich im absolut obersten Segment. Die meisten ProVari sind bis heute in der Preisklasse von ungefähr 200,- € bis 250,- € angesiedelt.
Und diese beiden Punkte sollte man doch einmal dem gegenüber stellen, dass es beispielsweise Einsteigergeräte von Joyetech gibt, die bereits mit 0,5 Ohm Coils geliefert werden. Inklusive Verdampfer. Für etwas über 20,- €.
Natürlich hat so ein Produkt immer seine Berechtigung. Das sind Liebhaber Stücke, die man sich vielleicht einmal gönnt und dann 10 Jahre etwas davon hat. Das ist gar nicht der Punkt. Die Frage ist, ob man damit reich wird.
Style liegt im Auge des Betrachters
Hinzu kommt ein weiterer Faktor.
Ist man noch vor vier Jahren auf die E-Zigarette umgestiegen, dann musste man sich kümmern. Die Geräte waren nicht so anwenderfreundlich wie heutzutage. Da musste man Kartuschen noch mit Spritzen befüllen, da musste man noch schrauben und basteln, und da hatte man drei Geschmacksrichtungen zur Auswahl.
ProVari ist irgendwie etwas auf diesem Stand stehen geblieben. Abgesehen davon, dass die älteren Geräte alle über das inzwischen verbreitete Norm Maß von 22mm hinaus gingen und zum Verdampfer dann konisch zuliefen, hatten sie auch ein anderes Gewinde.
Seit den ersten Joyetech Geräten hat sich das 510er Gewinde eingebürgert (Joye 510). So gut wie alle Geräte haben dieses Gewinde, man kann austauschen wie man lustig ist. ProVaris hatten üblicherweise ein anderes und man musste ein Adapter für das Hybrid Gewinde dazwischen setzen.* Was dann oftmals einfach aussieht wie aus dem Ratschekasten zusammengebaut.
Und auch hier wieder der Vergleich: Das in Zeiten, in denen nicht nur die meisten Geräte untereinander austauschbar sind. Sondern in denen es in der Leistungsklasse all-in-one Lösungen gibt, die nicht nur für Umsteiger viel attraktiver sind, sondern auch nur ein Zehntel des Geldes kosten.
Es ist nachvollziehbar, dass viele Enthusiasten da natürlich emotional dran hängen. Aber was recht ist, muss recht bleiben. Und eine derartige Stimmungsmache ist schlicht Unsinn, völlig egal wie scheiße die Regulierungen und scheißerer die FDA sind.
Ausverkauft oder nur kein Handel?
Es wurden auch Kommentare laut, dass die ProVari ja so gefragte Geräte waren, dass sie kaum zu bekommen waren. Weil sie ständig ausverkauft waren.
Aber auch das ist eine Kognitive Verzerrung. Sie waren ausverkauft, weil kein Mensch sie gekauft hat. Und kein Händler ist hingegangen und hat sich mal zwanzig auf Lager gelegt. Denn dann war er 4000 Flocken los, für ein paar Geräte die er vielleicht nie quitt bekommt.
Im Offline Shop um die Ecke liegt auch noch ein Dani von Dicodes in der Vitrine. Seit zwei Jahren. 20 Watt, 200 Euro. Geiles Gerät, aber wer kauft das? Der Verkäufer kann zweimal in der Woche abstauben und demnächst Museumskarten verkaufen. Das war es.
Spezialisierung mach unflexibel
Um es einmal im Manager-Marketing-Denglisch zu sagen: Hier wurden Produkte für ein kleines Marktsegment angeboten, die dazu geführt haben, dass man nicht ausreichend flexibel auf veränderte Bedingungen des Marktes reagieren konnte. Weil die Gewinnspanne klein und die Stückzahl durch die potentielle Zielgruppe gering war. Umsatz ist nicht alles.
Wenn man davon nur eine Handvoll im Monat vertickert hat, dann hat man jetzt natürlich auch weder die Liquidität, noch lohnt es sich da weiter zu investieren. Und genau so hat ProVape es auch formuliert. Nicht „wir mussten schließen“, sondern „wir haben entschieden nicht weiter zu produzieren“. („…we have made the decision to cease production and close operations.“)
Was sollen sie auch sonst schreiben? Wir haben marktstrategisch scheiße gebaut?
Evolution des Dampfes
Natürlich war die Regulierung der FDA der Auslöser. Aber wahrscheinlich nicht der Grund. Vielleicht der Tropfen, der dem Fass den Boden ins Gesicht schlägt. Aber nicht der Zwang.
Wann immer ein großes Unternehmen – und ProVape dürfte weit davon entfernt gewesen sein – mit einer solchen Begründung dicht macht, heißt es in Wirtschaftskreisen nur „dann hätten die eh nicht mehr lange durchgehalten“.
Schade. Aber Tel Aviv, wie der Franzose sagt.
Was dabei schlicht zum Kotzen ist, ist dass direkt wieder die Wutdampfer® aus dem Busch springen, und „Danke Merkel“ schreien. Hauptsache immer direkt einmal Bashing, zurücknehmen kann man immer noch.
Gute Alternativen für Liebhaber
Im Übrigen haben wir in diesem Segment wirklich tolle Hersteller direkt vor der Türe. Wie die bereits erwähnten Dicodes aus’m Pott. Und der Flashy sollte jedem ein Begriff sein. Der Kayfun wird auch in Westdeutschland produziert. Nicht zu vergessen die begeisterten Modder. (Gruß an Bukki in die Schweiz. Oder Deutschland. Oder wo er sich gerade rumtreibt.)
Wer einen Akkuträger in den USA bestellt, muss sich nicht moralisch über den Umsteiger erhaben fühlen, der sich ein Gerät aus China an den Mund hält.
Ist es Schade? Ja bestimmt.
Geht eine Ära zu Ende? Bestimmt nicht.
Hat die FDA Schuld? Eher nicht.
Das einzig Beständige ist der Wandel.
Wenn wir wollen, dass Dampfen „normal“ wird, dann müssen wir akzeptieren, dass Firmen kaputt gehen. Auch wenn sie hervorragende Geräte bauen. Markt, Anpassung, Zielgruppe, das ist „normal“.
Was machen Agfa und Nokia eigentlich gerade?
*EDIT: Aufgrund eines Kommentars von „Hans Christian Holy“, meines Wissens nach Vorstandsmitglied der IG-ED, auf der Facebook Seite von vapers.guru folgende Gegendarstellung:
Entgegen der Darstellung im Artikel verfügen nicht alle ProVari Akkuträger über keinen 510er Anschluss.
Ich selber, als Autor, besitze keinen ProVari Akkuträger. Ich habe das auch nicht weiter verfolgt oder recherchiert. Dieses Detail erscheint mir in Kontext und Aussage des Artikels unbedeutend.
Für konstruktive Kritik bin ich jederzeit dankbar.
Joey Hoffmann
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