Wie die Hamburger Firma InnoCigs vergangene Woche mitteilte [hier…], hat sie gerichtlich eine einstweilige Verfügung gegen drei französische Händler erwirkt. Den Händlern wurde per Gericht untersagt, weiterhin elektronische Zigaretten nach Deutschland zu exportieren, die nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen.
Mit der Tabakproduktrichtlinie 2, kurz TPD2, der EU ist eine Richtlinie verabschiedet worden, die unter anderem auch den europäischen Binnenmarkt für E-Zigaretten harmonisieren und angleichen soll.
Diese TPD2 ist inzwischen in den meisten Mitgliedsstaaten in ein nationales Gesetz umgesetzt worden. In Deutschland in das Tabakerzeugnisgesetz. [Mehr dazu hier…] Wo das nicht geschehen ist, gilt die TPD2 in ihrer ursprünglichen Form als Gesetz.
In diesem Gesetz werden auch die Bedingungen geregelt, nach denen E-Zigaretten vertrieben werden dürfen. So müssen beispielsweise Beipackzettel enthalten und verschiedene Warnhinweise auf der Verpackung vorhanden sein.
Meldefrist ist entscheidend
Ein großer Streitpunkt hierbei ist die Meldefrist der Geräte. So müssen alle Produkte, die in Europa vertrieben werden, sechs Monate vor dem Vertrieb an den Endverbraucher bei der EU bzw. den nationalen Ordnungsbehörden angemeldet sein.
Das bedeutet in der Praxis, dass eine neue E-Zigarette aus China in Europa nicht sofort verkauft werden darf. Sondern sie muss erst einmal getestet, angemeldet und mit den entsprechenden Warnhinweisen versehen werden.
Illegale Wettbewerbsvorteile
Dampfer gieren aber geradezu danach, immer möglichst schnell den neusten Scheiß in den Händen zu halten. Da der Markt bei Liquids inzwischen so vielfältig geworden ist, schlägt sich das vor allem bei den E-Zigaretten nieder. Wer einen neuen Verdampfer oder Akkuträger als erstes in den Handel bringt hat deutliche Wettbewerbsvorteile.
Einige Händler haben diese Bestimmung nun umgangen, indem sie Produkte aus Frankreich importiert haben. Das war möglich, weil die französischen Händler üblicherweise nur nikotinhaltige Produkte anmelden. Also keine Geräte, da eine E-Zigarette ja kein Nikotin enthält.
Dieses Vorgehen ist auch in Frankreich illegal. Aber die Behörden schreiten dort – ob bewusst oder unbewusst – nicht ein.
So konnten diese deutschen Händler die Produkte früher auf den Markt bringen, als die, die sich an die Gesetze gehalten haben.
BfTG richtet Meldestelle für Händler ein
Das BfTG, der Händlerverband Bündnis für Tabakfreien Genuss, hat bereits im Vorfeld eine Meldestelle für solche Verstöße eingerichtet. [Interview mit dem BfTG hier…] Das geschah auf Wunsch vieler Mitglieder des Verbandes, die sich durch das Vorgehen solcher Händler bedrängt sahen, die Geräte hier frühzeitig auf den Markt gebracht haben.
Allerdings hat das BfTG die Händler nicht abgemahnt oder gar gerichtlich belangt, sondern über die Umstände informiert. Erschreckenderweise sind immer noch viele Einzelhändler in Deutschland sehr schlecht über die gesetzlichen Bestimmungen informiert. Das BfTG hat früh gemerkt, dass viele Händler einfach unwissentlich gehandelt haben.
InnoCigs vertritt auch kleine Händler
InnoCigs gehört zu den größten Groß- und Einzelhändlern in Deutschland. Sie beliefern fast 3000 kleinere Einzelhändler. Und damit muss InnoCigs sich nicht nur selber schützen, sondern steht auch für diese vielen deutschen Offline und Online Shops.
Daher hat InnoCigs dann ermittelt, welche Importeure vor allem dafür verantwortlich sind, dass hier Geräte vor dem Ablauf der sechsmonatigen Frist auf dem Markt erschienen. Dabei herausgekommen sind die drei französischen Großhändler.
„Die Produkte, um die es geht, fallen nicht unter die Übergansfrist und wurden auch nicht sechs Monate vorab in Deutschland gemeldet. Sie sind nach dem 20.11.2016 gelauncht worden. Wir würden die Produkte selber gerne verkaufen, haben Sie im Labor bereits umfassend getestet und registriert, aber wir müssen uns nun mal an die Wartefrist halten.“ sagte dazu Dustin Dahlmann, Managing Partner bei InnoCigs. „Im Interesse unserer Händler (die sich an diese Wartefrist halten) und auf mehrfache Aufforderung sahen wir uns gezwungen diese rechtlichen Maßnahmen zu ergreifen.“
Gericht gibt InnoCigs Recht
Da die französischen Händler auch auf eine entsprechende Abmahnung nicht reagierten, sahen die Hamburger sich gezwungen ein Gericht einzuschalten. Das Landgericht Hamburg untersagte den französischen Firmen nun, weiterhin Geräte nach Deutschland zu vertreiben, die nicht den Bestimmungen entsprechen. Unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- € und bis zu zwei Jahren Ordnungshaft.
In diesem Rechtsstreit ging es aber nicht nur um die Frist von sechs Monaten, wie Dahlmann vapers.guru gegenüber noch einmal klar stellte.
Am Dampfermarkt hat sich nämlich das Gerücht breit gemacht, dass alles in der ganzen EU vertrieben werden darf, was in einem Land als „legal“ gilt. Das ist vom Rechtsgrundsatz her richtig, scheitert aber an den genaueren Bestimmungen in der Praxis.
„Wenn das tatsächlich so wäre, dann würde es bedeuten, dass Liquids mit z.B. griechischen Warnhinweisen und griechischem Beipackzettel in deutschen Regalen stehen könnten. Und das kann ja nun wirklich für niemanden sinnvoll sein.“ so Dahlmann. „Wer sein Produkt in Frankreich oder Großbritannien kauft, hat dadurch nicht automatisch die Verkehrsfähigkeit des Produktes in Deutschland. Obwohl es möglicherweise in dem Ursprungsland rechtmäßig im Verkehr ist.“
Die da oben gegen uns hier unten
Der Mensch neigt dazu Opposition zu ergreifen. Aus einem emotionalen Rechtsempfinden heraus sind wir immer für den Schwächeren. Der Fußballverein, von dem noch nie einer was gehört hat und der gegen Bayern München spielt. Oder die kleine AfD, die den großen Altparteien mal zeigt wo der Frosch die Locken hat. Seien wir mal ehrlich: Rocky war ein Schläger, Schuldeneintreiber und grenzwertig debil. Und trotzdem haben wir Pippi in den Augen, weil er seinen Hund liebt und wenn er „Adrianne“ schreit.
Wohl auch deshalb haben einige Wutdampfer® in den vergangenen Tagen wieder ihrem Frust freien Lauf gelassen, und in teils wirren Argumentationen das Vorgehen von InnoCigs kritisiert.
Zu dem Unmut beigetragen hat sicher auch die Tatsache, dass Dustin Dahlmann nicht nur Managing Partner bei InnoCigs, sondern auch Vorsitzender des BfTG ist. Hier wurde sofort eine Verschwörung gewittert. Diese Dampfbonzen da oben, die uns armen Vapern das Leben schwer machen. Zu verstehen, dass das BfTG keineswegs identisch mit der Firma InnoCigs ist, Dustin Dahlmann nur der Vorsitzende und alle Großen der Branche dort vereint sind, erfordert schon etwas Bereitschaft zur Differenzierung
Dabei wurden aber mehrere Aspekte schlicht ausgeblendet.
Aspekte ausgeblendet
Zunächst hat das BfTG diesen Händlern Hilfe angeboten und sie darauf hingewiesen, dass es Regeln gibt, die für alle gelten.
Als nächstes hat die Firma InnoCig die französischen Großhändler kontaktiert. Und erst als das erfolglos blieb – wodurch man ein gewisses Kalkül bei den Franzosen unterstellen kann – wurden die Gerichte bemüht. Auch hier wurden dann eben nicht die kleinen, deutschen Einzelhändler angegangen. Sondern die Großhändler.
Durch dieses Vorgehen wurden tausende anderer kleiner Händler gegen das unlautere und unfaire Vorgehen von einigen Wenigen geschützt.
Und letztendlich wurde auch völlig ausgeblendet, dass die Händler, die sich nicht an die Bestimmungen halten, auch durch die deutschen Behörden sanktioniert werden können. Einfach so. Da kann dann auch mal morgens das Ordnungsamt im Shop stehen. Und dass kann dann auch mal zur Schließung führen.
Jeder andere Händler kann einen Einzelhändler abmahnen, der sich nicht an die Bestimmungen hält, die er selber zu befolgen hat. Und das geschieht auch gerade, mehr als es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Kognitive Dissonanz
Wer dieses Vorgehen kritisiert, muss sich die Frage gefallen lassen, was er eigentlich erwartet hat. Dass alle Händler und Hersteller die Gesetze ignorieren? Oder dass sie es dulden, dass sie wohlmöglich kaputt gehen, nur weil einige wenige sich illegal einen Marktvorteil verschaffen und hier lustig alles verbimseln wo sie gerade Lust drauf haben?
Die merkwürdige Dualität des Wutdampfers®: Einerseits soll Dampfen in der Normalität ankommen, andererseits sind Gesetze auch doof. Schließlich träumt man weiter von einem freien Markt und einem Recht auf alle Geräte die man will.
Harmonisierung und Fairness des Marktes können nur funktionieren, wenn sich alle an die Spielregeln halten.
Dass die Spielregeln scheiße sind, hat damit überhaupt nichts zu tun. Das sollte man differenzieren können. Der Markt spielt nur auf dem Billardtisch, die Politik gibt die Banden vor.
Joey Hoffmann
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