Ich habe gestern den Blog Artikel von Sebastian auf Vapoon gelesen. Darin resümiert er die Äußerungen von Prof. Stöver zur E-Zigarette. Und kommt zu dem Schluss, dass wir Dampfer ja auch mit dem Befürworter Stöver nie ein wirklicher Freund werden. Denn für Stöver sei die E-Zigarette ja nur das kleinere Übel gegenüber der Tabakzigarette. Und Dampfen sei nur ein Genussmittel.
Und als ich das so las, wurde mir einiges klar.
Prof. Dr. Heino Stöver von der University of Applied Sciences in Frankfurt hat im vergangenen Jahr das Buch „Die E-Zigarette“ herausgebracht. [Bericht und Audio dazu hier…]
Seit dem entwickelt er sich zu einem der medienwirksamsten Befürworter der E-Zigarette in Deutschland. So hat er gerade erst in Berlin eine Pressekonferenz gegeben, auf der er zusammen mit dem Gesundheitsforscher Dietmar Jazbinsek einen politischen Richtungswechsel empfohlen hat. [Artikel hier…]
Das nahm Sebastian (der auch schon auf vapers.guru veröffentlicht hat) dann zum Anlass für seinen schwierigen, aber nicht unsympatischen Artikel. [hier…] Er schreibt halt etwas… Herbert Knebel.
Was verstehen wir unter Drogen?
Ich habe ja selber schon einige Male Reibereien mit Wutdampfern und anderen gehabt, weil ich da offenbar eine etwas kontroverse Meinung habe. Beispielsweise weil ich das krampfhafte umbenennen zu „E-Dampfgerät“ völlig albern finde. Oder weil ich mich erkäcke und erdreiste die Situation der E-Zigarette mit der des Cannabis zu vergleichen.
Wissenschaftler und Akademiker haben da eine völlig andere Bewertung. Wissenschaftler, Mediziner und andere haben auch einen völlig anderen Sprachgebrauch als das gemeine Volk.
Im Sprachgebrauch des gemeinen Fußvolkes ist eine Droge eine Substanz die breit macht. Sie ist böse. Deshalb ist sie verboten. Wer Drogen nimmt oder dealt, der kommt ins Zuchthaus.
Drogen haben den Beigeschmack von übel beleumundeten Bahnhofsvierteln, Drogenstrich, Mafia und Beschaffungskriminalität.
Viel zu diesem Bild beigetragen hat auch die Propaganda der entsprechenden Interessenvertreter im vergangenen Jahrhundert. [Mehr dazu im Artikel hier…] Und sie wird immer weiter dadurch befeuert, dass konservative Politiker ständig etwas von Verboten und Jugendgefährdung faseln.
Jeder Akademiker, der sich aber mal damit auseinander gesetzt hat (Mediziner, Pharmakologen, Psychologen, etc.) sieht das aber differenzierter.
Früher wurden Drogen in Fässern gelagert
Dazu ist es vielleicht interessant sich einmal anzuschauen, woher der Begriff „Droge“ überhaupt kommt. Dann wird auch klar, warum er eigentlich recht ungenau ist.
Im meiner Heimat Rheinland wird ripuarischer Akzent gesprochen. Und da der auch mit dem Niederdeutschen verwand ist, kennt man hier noch den Begriff „dröge“. Was sich im Hochdeutschen zu „trocken“ entwickelt hat. Im alten Plattdeutsch und Niederländisch heißt es „drooge“.
Norddeutschland, aber vor allem auch die Holländer, haben früher viel per Schiff importiert. Schon bevor es Kolonien gab wurde vor allem auch Tee und Gewürze aus Asien importiert. Die wurden in Holzfässern transportiert. Und diese hießen dann im kaufmännischen einfach „droge vaten“, trockene Fässer.
Tee wurde beispielsweise auch zur Beruhigung und für Wundaufschläge verwenden, und Gewürze wie Nelken oder Anis finden heute noch Anwendung in der Naturheilkunde und in der Schulmedizin. Omma wusste noch: Bei Zahnschmerzen einfach eine Gewürznelke lutschen.
So wurde dann im Sprachgebrauch aus den „drooge vaten“ verkürzt Droge. Trockenware. Und auch das finden wir heute noch in der deutschen „Drogerie“. Hier werden gar keine Drogen verkauft, so wie die meisten Drogen verstehen. Sie heißt trotzdem noch so.
Damit erklärt sich auch, warum im englischen „drug“ eigentlich die gleiche Bedeutung hat. Aber völlig anders verwendet wird. Zwar heißt der Kampf gegen Drogen auch „war on drugs“, aber die Apotheke ist im Amerikanischen der „drugstore“. Denn das Wort „drug“ ist viel mehr mit der Bedeutung „Medizin“ belegt. In den USA sind drugstores teilweise riesige Supermärkte, denn sie sind Drogerie und Apotheke in einem.
In Deutschland ist bis heute der Fachbegriff „Arzneidroge“ gebräuchlich.
Wissenschaftler werten nicht
Ein Wissenschaftler entscheidet nicht über gut oder schlecht. Er bewertet nicht moralisch. Das ist ihm fremd. Philosophen bewerten höchstens, ob etwas in einer Gesellschaft als moralisch und ethisch gut oder schlecht bewertet wird. Aber sie werten nicht selber. Sie betrachten alles möglichst emotionslos und wertneutral. Sollten sie zumindest.
Daher auch der sehr bekannte Spruch „Die Dosis macht die Droge“. Denn eigentlich kann fast alles eine Droge sein. Schokolade macht glücklich, das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Und wer gerne kocht hat den ganzen Schrank voller Drogen. Ein wenig geriebene Muskatnuss an das Kartoffelpüree, und schon schmeckt es wie bei Muttern. Aber wer mag kann sich davon ja mal fünf bis zehn Gramm reinhauen. Wer es lange genug schafft, vorm geschmacksbedingten Kotzen genug drin zu behalten, hat einen sehr spannenden Tag vor sich. Dagegen ist ein handelsüblicher LSD Trip eher der Vergleich eines Wodkas zur Weinschorle. Trotzdem ist Lysergsäurediethylamid eine verbotene Substanz und Muskat gibt es in jedem Supermarkt. Es muss also andere Unterschiede geben.
Vielleicht wird so klar, warum das Wort „Droge“ recht ungenau ist. Weil es geschichtlich gewachsen ist und nicht sauber abgetrennt verwendet wird.
Prinzipiell kann man aber sagen, dass zwei Dinge zutreffen müssen, damit man etwas im Deutschen als Droge bezeichnen kann.
Zwei Dinge sind entscheidend
Zum Ersten muss die Substanz eine psychotrope Wirkung haben. Grünkohl ist keine Droge. Wird auch nie eine. Man kann noch so viel Grünkohl essen, da tut sich nix. (Ausgenommen im norddeutschen Outback, wo zum Grünkohlessen geboßelt wird. Der Grünkohl bildet hier eine unauflösbare Partnerschaft mit dem Kööm.)
Dafür ist es unerheblich, ob ich als Konsument die psychotrope Wirkung tatsächlich bemerke. Ich kann sicher literweise Tee trinken, aber von dem Teein merke ich bewusst eigentlich nichts.
Zum zweiten muss man die Substanz konsumieren, um gezielt breit zu werden. Niemand isst sechs Kilo Kartoffelpüree mit Muskatnuss um stoned zu werden. Nach sechs Kilo Haschkeksen sollte man aber die Finger von schweren Baumaschinen lassen.
Dem aufmerksamen Leser wird hier auffallen, dass bei den Punkten die suchterzeugende Wirkung gar nicht vorkommt. Und das ist vollkommen richtig. Denn vieles kann süchtig machen. Aber dazu ist oftmals gar keine Substanz nötig. Ein Spielesüchtiger raucht ja keine Roulette Tische. Andererseits trinken sehr viele Menschen morgens einen Kaffee um auf Touren zu kommen, sind aber weit davon entfernt hier eine Sucht zu entwickeln. Sie können allerdings eine psychische Abhängigkeit entwickeln, sogar bei entkoffeiniertem.
Genussdrogen
Viele Dampfer werden jetzt aufspringen und siegesgewiss ausrufen, dass Dampfen keine Droge ist. Weil sie nicht dampfen um breit zu werden. So einfach ist das aber leider nicht.
Diejenigen, die sich genauer mit Süchten beschäftigen, differenzieren hier sehr viel genauer. Das sind meist Psychologen und Psychiater.
Das beste Beispiel ist Alkohol. Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass Alkohol eine Droge ist. Aber trotzdem konsumieren wir Alkohol nicht immer um breit zu werden. Denn Alkohol wird von alters her auch als Genussmittel getrunken.
Die Arbeiter an den Pyramiden im alten Ägypten wurden mit Bier versorgt. Bis zu sechs Liter täglich pro Person. Und die Arbeiter am Dom von Florenz erhielten verdünnten Wein. Weil Wasser wegen der Keime zu gefährlich war.
Wer leugnet dass ein kaltes Bier zum gegrillten Steak schmeckt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Ganz zu schweigen von einem Wildgulasch mit einem Cognac Sösschen und Preiselbeeren.
Deshalb hat sich in diesem Bereich der Begriff der Genussdroge etabliert. Dazu zählen u.a. Tabak, Kaffee, Tee und Alkohol. Und vor diesem Hintergrund gibt es kein einleuchtendes Argument, Dampfen nicht dazu zu zählen.
Alles was Spaß macht ist überflüssig
Genussdrogen sind erst einmal auch nichts Schlechtes. Täglich ein Gläschen Wein senkt das Risiko auf Krebs und Herzinfarkt. Bier enthält Vitamin B2 und für den Stoffwechsel wichtiges Niacin und Panthenolsäure. Und sogar Nikotin hat seine guten Seiten, da es stimulierend wirkt.
Aber grundsätzlich hat der Wissenschaftler erst einmal etwas gegen alles, was wir unserem Körper zuführen und nicht zum Überleben brauchen. Der Homo Sapiens Sapiens funktioniert mit Gemüse, Obst und etwas ungewürztem Fleisch hervorragend. Dafür ist sein Stoffwechsel konstruiert, alles andere schädigt. Da hat die Evolution lange dran gearbeitet. Alles andere ist überflüssiger Schnick Schnack. Denn hier geht es ja um „gesund“ und nicht „Spaß“.
Dennoch könnte ich irgendwie schwören, dass sogar Ernährungswissenschaftler und Suchtforscher hin und wieder ihrem Kind einmal ein Überraschungsei geben. Ohne dass es gerade überlebenswichtig wäre.
Das ist ein wissenschaftliches Axiom, eine Konstante, ein unverrückbares Dogma. Und es ist völlig absurd dagegen zu argumentieren.
Dampfen ist eine Genussdroge. Und kein Wissenschaftler wird das anderes bewerten. Auch Befürworter nicht.
Was Wissenschaftler wie Prof. Dr. Mayer oder Prof. Dr. Stöver tun, ist ein Abwägen von Risiken. Das ist aber auch alles. Und dafür ist es völlig unerheblich, ob sie nun selber dampfen oder unser aller Freund sind. Alleine diese Kategorisierung, alleine diese Bemessung erscheint vollkommen absurd.
Dampfe das kleinere Übel
Die Dampfe ist für Wissenschaftler immer nur das kleinere Übel. Um mehr geht es auch gar nicht. Das wird sich auch nie ändern. Der Mensch funktioniert nun einmal nicht drogenfrei. Wir werden nicht zurückkehren zu einer Neandertalerdiät. Und ein Leben ohne Überraschungseier und Cognacsauce ist denkbar, aber sinnlos. Deshalb geht es in dieser öffentlichen Diskussion immer und ausschließlich um Harm Reduction. Öffentliche Gesundheit und Risikominimierung.
Was wäre auch die Alternative zu dieser Unterscheidung und diesem Anspruch? Wer es anders sieht, der hat dann sicher auch kein Problem damit, seinem achtjährigen Kind eine E-Zigarette in die Hand zu drücken.
Reflexartiges Abwerverhalten
Aber mit diesem unterschiedlichen Ansatz erklärt sich sicher auch, warum einige Vaper auch nach Jahren immer noch so darauf pochen, die E-Zigarette „Dampfgerät“ zu nennen. Oder den Dampf als „Wolken“. (Mache ich auch „Regen“ wenn ich pisse?) Oder warum die Tagesschau einen halben Shitstorm abbekommt, weil sie scheinbar Dampfen und Kiffen gleich setzt. [hier…] Weil diese Dampfer, immer noch zu tiefst verängstigt vor weiteren Regulierungen, meinen es liege an der Bezeichnung. Oder dem öffentlichen Eindruck. Nur bloß nicht irgendwie in die Nähe kommen.
Leute, kommt darauf klar, Ihr seid Drogenkonsumenten. Wart Ihr auch, als Ihr noch geraucht habt. Und es ist vollkommen egal, ob Ihr das Ding jetzt E-Zigarette, Dampfgerät oder Sitz-Liege-Garnitur Sören nennt. Es ist eine Genussdroge. Da gibt es nix zu deuteln.
Das ist der gleiche Selbstbeschiss, den Raucher immer erzählen. Die rauchen nämlich auch alle nur aus Genuss. Bis sie versuchen aufzuhören. Aber im Gegensatz zur Kippe vergesse ich manchmal sogar die Dampfe zu Hause und kann wieder Zwei-Stunden-Meetings durchhalten, ohne ständig auf die Uhr zu gucken.
Und der Staat kann alles verbieten, wenn er Bock darauf hat. Es hat überhaupt keinen Einfluss, wie man das, was man sich da reinpfeift, nun nennt. Im Umkehrschluss würde das sonst bedeuten, wir müssten nur nachweisen dass Heroin ein Gewürz ist und es „Schnauli-Wauli“ nennen, und dann würde es wieder erlaubt.
Label Diskussion
Das ist eine genauso alberne Label Diskussion wie von den Seiten der Gegner, die immer von „rauchfrei“ sprechen. Aber völlig aufgeschmissen sind, wenn man ihnen entgegnet, dass es beim Dampfen keinen Rauch gibt. Weil Nikotinsucht und Inhalieren immer mit Tabak in Verbindung gesehen wurde. Es gab nichts anderes. Diese Menschen sagen zwar „rauchfrei“, meinen aber „inhalationsfrei“ oder „drogenfrei“. Und das ist eine Illusion.
Die E-Zigarette ist etwas neues, und dann muss auch ein neuer Sprachgebrauch her. Und wie Prof. Dr. Mayer im Interview mit vapers.guru [hier…] sagte: Dazu gehört geistige Flexibilität.
Sich auf diese Diskussionsebene herabzulassen wird keinen Erfolg haben. Wie mit Tauben Schach spielen. Erst schmeißen sie alle Figuren um, scheißen aufs Brett und dann stolzieren sie herum als wenn sie gewonnen hätten.
Man muss den Gegnern der E-Zigarette ganz klar sagen: Es gibt keine drogenfreie Gesellschaft. Hat es nie, wird es nie. Das haben die Amerikaner mit der Alkohol Prohibition bewiesen. Also doch lieber die Drogen zulassen, die den wenigsten Schaden anrichten. Und da ist die E-Zigarette weit harmloser als Tabak, weit erfolgreicher als alle Nicotinpflästerchen und hat weit weniger Chemie drin als alle Nicotin Sprays.
Nur diese Argumentation kann Erfolg haben. Indem man die Tatsachen anerkennt und normal damit umgeht, anstatt krampfhaft zu verleugnen. Der Grundsatz besagt, der Staat sollte nur das regulieren, was die Bevölkerung ernsthaft bedroht. Und diesen Grundsatz haben viele Politiker einfach vergessen.
Sind wir erst einmal zehn Millionen Vaper, dann wird das Dampfen genauso ganz selbstverständlich als Genussdroge akzeptiert werden, wie Tabak und Alkohol es heute sind.
Deshalb bin ich auch fest davon überzeugt, dass diese Label Diskussion den weit überwiegenden Teil der Vaper überhaupt nicht interessiert. Die sind froh vom Tabak weg zu sein, und der Rest ist ihnen ziemlich Latte.
Und genau das ist es, was Prof. Stöver argumentiert. Der ist übrigens seit Jahren auch Vorstand des Bundesverbandes für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik. Das hat nichts mit „Freundschaft“ oder „Sympathie“ zu tun. Das sind Instanzen, in denen Wissenschaftler einfach nicht denken. Nicht denken sollten.
Gäbe es keinen Tabak und wir würden dampfen, hätten die meisten jetzigen Befürworter auch etwas gegen das Dampfen. Etwas anderes zu glauben ist naiv.
Ich nehme Drogen
Ich nehme Drogen. So what?
Ich habe hier auch dicke Wälzer über die Ursprünge von Sucht gelesen, und dabei schön geraucht. Ich habe eine Klausur über die biologischen Grundlagen des Hirns geschrieben, und danach versucht mein eigenes unter Zuhilfenahme von Pils und Kurzem ausgiebig zu vernichten.
Wenn mir einer vorhält ich sei Drogenkonsument, dann frage ich ihn, ob er Medikamente nimmt. Oder was er von Muskat und Überraschungseiern hält. Wird aber meist nicht verstanden.
Joey Hoffmann
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