Am Freitag trat der Chef der FDA mit einer Grundsatzrede vor die Presse. Inzwischen sind die Folgen dieser Rede deutlich zu spüren.
Diese Auswirkungen können für die Sache der E-Zigarette nicht hoch genug eingeschätzt werden. Offenbar wurde eine Lawine losgetreten.
Die FDA ist die Food and Drug Administration in den USA. Sie ist die regulierende Überwachungsbehörde für Lebensmittel, Medikamente, aber auch Tabak. Und damit auch der E-Zigarette, sie wurde vom Senat bereits 2009 offiziell damit beauftragt.
In der Folge dieser Entscheidung erließ die FDA Regulierungen für die USA, die im vergangenen Jahr in Kraft traten. Teil dieser so genannten Deeming Rule war die sehr strenge Regulierung der E-Zigaretten und Liquids. Von Herstellern wurden in dieser Deeming Rule Lizensierungen ihrer Dampfprodukte verlangt, die eine sehr kostenaufwendige Datenerhebung verlangte. Nach seriösen Schätzungen wären 99% der meist mittel- und kleinständigen Unternehmen im Bereich der E-Zigarette daran gescheitert. Diese Lizensierungen hätten August 2018 gegriffen, danach wäre die E-Zigarette in den USA faktisch kaum mehr existent gewesen. Einzige Ausnahme wären hier geschlossene E-Zigaretten von großen Herstellern gewesen, Liquids wären annähernd ganz vom Markt verschwunden.
Der Neue und die Rede
Scott Gottlieb ist der neue Chef der FDA. Er ist Mediziener und war bereits bei Anhörungen mit seiner wissenschaftlichen und liberalen Einstellung zur E-Zigarette aufgefallen. Inzwischen wurde er von der Trump Administration berufen, da der Comissioner traditionell zu den Posten gehört, die von der neuen Regierung neu besetzt werden.
Der Comissioner ist aber dennoch weitestgehend politisch unabhängig. Es wurden auch schon Amtsinhaber in ihrer Funktion übernommen. Auch über Parteigrenzen hinweg.
Am vergangenen Freitag trat Gottlieb mit einer halbstündigen Rede vor die Presse, in der er die neue Marschrichtung der FDA erläuterte. Und was dort zu hören war, war tatsächlich ein völliger Richtungswechsel der bisherigen Politik.
Bisher hat die FDA eine Law an Order Politik der Abstinenz vertreten. Innovationen sollten reguliert und damit praktisch unterbunden werden. Der Mediziner Gottlieb verfolgt jedoch den Kurs der so genannten Harm Reduction. Wenn man die Menschen nicht abhalten kann zu rauchen, dann muss man alles dafür tun, dass die Schäden durch das Rauchen minimiert werden.
Erste Maßnahmen
Schon zuvor hatte Scottlieb sich in einem Interview mit der Washington Post entsprechend geäußert.
„Ich sagte denen, ich will das dramatisch ändern. Ich will das Steuer herumreißen.“
Scott Gotlieb, Washington Post, 13. 06.2017
Dafür kündigte er verschiedene Maßnahmen an. Zum ersten möchte er den Jugendschutz stärken. Hierzu soll die Menge des Nikotins in Zigaretten reduziert werden. Damit soll die suchterzeugende Wirkung von Zigaretten reduziert werden. Ebenfalls soll eine Regulierung des Marketings für E-Zigaretten geprüft werden, sie soll für Jugendliche weniger attraktiv wirken.
Diese beiden Punkte werden von Befürwortern der Harm Reduction und der E-Zigarette skeptisch betrachtet. Allerdings kann man auch vermuten, dass Gottlieb mit diesen Zugeständnissen nur die sehr starke Gesundheitslobby in den USA besänftigen wollte.
A Dream Comes True
Der Rest seiner Äußerungen klingt wie der wahrgewordene Traum der amerikanischen und internationalen Dampferszene. Er stellte unmissverständlich klar, dass das Nicotin nicht verantwortlich für die gesundheitlichen Schäden durch den Tabak ist. Damit differenzierte er sehr deutlich zwischen der E-Zigarette und der Tabak Zigarette. Mehr noch, eigentlich nahm er damit als gegeben an, was Vaper und Befürworter der E-Zigarette seit Jahren vertreten. Dass die E-Zigarette weit weniger Risiko beinhaltet.
Als eine der ersten Maßnahmen hat er die FDA bereits umstrukturiert und das Center for Tobacco Products ins Leben gerufen, eine Abteilung die sich nun ausschließlich mit diesen Fragen beschäftigen wird.
Am darauffolgenden Samstag veröffentlichte die FDA eine Presseerklärung, in der sie bereits erste Maßnahmen ankündigte. Die Frist für die Deeming Rule ist für E-Zigaretten und Premium Zigarren verschoben worden. Für Zigarren bis zum Jahr 2021 und für E-Zigaretten bis zum Jahr 2022.
Das ist sicher mehr als eine Galgenfrist. Denn legt man den Maßstab an, in dem sich die E-Zigarette in den vergangenen Jahren entwickelt hat, und dem trug Gottlieb ausdrücklich Rechnung, dürfte der Markt im Jahr 2022 nicht mehr mit heute zu vergleichen sein. Sowohl im Bezug auf die Nutzer und weiterer wissenschaftlicher Untersuchungsergebnisse. Sondern auch bezüglich des Volumens und der Arbeitsplätze.
Überraschende Reaktionen in den Medien
Doch welche weitreichenden Folgen diese Rede und die Maßnahmen hatten, wird erst nach einigen Tagen so langsam deutlich.
Die bundesweiten Medien, von CNN über die Washington Post bis zur Los Angeles Times, nahmen sich des Themas an. Und alle gaben das wieder, was Gottlieb als gegeben vorausgesetzt hat. Dass die E-Zigarette deutlich weniger Risiko mit sich bringt.
„FDA Comissioner Scott Gotlieb sagte beide Maßnahmen sind Teil eines umfassenden Plans Raucher von konventionellen Zigaretten abzubringen und zur weniger schädlichen alternativen Formen von Nicotin, wie dem Dampfen, zu lenken.“
The Washington Post, 28.07.17
Durch diese Resonanz werden plötzlich auch vermehrt andere Stimmen in den Medien widergegeben. Es scheint, als wären auch die Medien nun eher geneigt, Argumente für die E-Zigarette abzubilden. Der ehemalige Professor für öffentliche Gesundheit der University of Michigan Kenneth Warner sagte der Los Angeles Times „Wenn du das Nicotin, nach dem Menschen verlangen, vom Rauch trennen kannst, der die Menschen tötet, tust du wohlmöglich etwas sehr wichtiges.“ Warner ist bis heute eine führende Autorität im Bereich Rauchen und Gesundheit.
Josh Sharfstein nannte Gottliebs Erklärung einen „aufregenden Moment“. Der Professor der John Hopkins Bloomberg School für Öffentliche Gesundheit war unter Obama selber stellvertretender Comissioner der FDA. „Das Gesamtbild bei der Sache ist, dass Zigaretten, wie wir sie kennen, ausgebremst werden können und E-Zigaretten eine Brücke für die Menschen sein kann nicht zu rauchen.“ sagte er in einer Stellungnahme der Washington Post.
Reaktionen an internationalen Finanzmärkten
Welche Auswirkungen diese Rede hat wird auch klarer, wenn man sich die Reaktion der Börsenkurse ansieht.
Philip Morris International verlor nach der Rede noch am Freitag annähernd 10%. Was bei einem Umsatz von 80 Mrd. sicher einen Verlust im zweistelligen Milliarden Bereich bedeuten dürfte. Auch die anderen Tabakkonzerne stürzten an allen internationalen Börsen in den Keller.
Interessant zu sehen ist, dass vor allem diejenigen Konzerne sich am schnellsten erholten, die selber bereits im Bereich der E-Zigarette tätig sind. Am schnellsten erholten sich Philip Morris und Japan Tobacco. Auch Altria konnte sich etwas erholen. Was wohl auch an der Unternehmensstruktur liegt. Viele Konzerne haben ihr internationales Tabak Geschäft ausgelagert.
Offenbar nachhaltigen Schaden nahm British American Tobacco, der Firmenriese mit Sitz in London. Obwohl BAT mit der Produktlinie Vuse wohl den vielversprechendsten Fuß in der Türe der E-Zigarette hat.
Bemerkenswertes auch in Europa
Doch es gibt auch schon erste Resonanzen aus Europa. Die umso erstaunlicher sind, wenn man sich die Geschichte des Kampfes für die E-Zigarette der letzten Jahre und die Verstrickungen dahinter genauer betrachtet.
Die öffentlichkeitswirksamste Gegnerin der E-Zigarette war in Deutschland sicher Frau Dr. Pötschke-Langer. Sie war Leiterin der Krebsprävention und Kollaborationsstelle der World Health Organisation am Deutschen Krebsforschungsinstitut in Heidelberg. Zwar räumte auch sie ein, dass die E-Zigarette deutlich weniger schädlich sei. Doch diese einmalige Äußerung in einem Interview wiederholte sie nicht mehr und vertrat stattdessen immer vehementer die Hilfe durch Nikotinersatzprodukte wie Pflaster oder Kaugummis.
Durch die Recherche der Süddeutschen Zeitung kam im vergangenen Jahr dann heraus, dass der Wissenschaftliche Aktionskreis Tabakentwöhnung e. V., bei dem die Frau Doktor nach ihrer Ablösung beim DKFZ führendes Mitglied wurde, von einer PR-Agentur im Auftrag von Novartis Consumer Health gegründet wurde. Novartis gehört weltweit zu den drei größten Herstellern von Nicotinersatzprodukten.
In einem nun erschienen Interview nimmt Ihre Nachfolgerin nach Gottliebs Rede nun eine ganz andere Sichtweise an. Frau Dr. Mons hatte sich zur E-Zigarette zwar im Vorfeld bereits etwas weniger kämpferisch gezeigt als ihre Vorgängerin. Aber sie war weit davon entfernt die Vorteile der E-Zigarette klar zu propagieren.
„Zumindest für stark abhängige Raucher ist es daher ratsam auf Dampfgeräte umzusteigen, um Gesundheitsschäden zu reduzieren.“
Dr. Ute Mons, Süddeutsche Zeitung, 31.07.17
Zwar musste auch sie erwartungsgemäß wieder betonen, dass E-Zigaretten „unvoreingenommen auf mögliche gesundheitliche Vorteile und Risiken“ überprüft werden müssen. Das Argument der angeblich unzureichenden Erkenntnisse hat sie von ihrer Vorgängerin übernommen.
Aber mit der klaren – wenn auch eingeschränkten – Empfehlung der E-Zigarette für starke Raucher nimmt sie eine Position ein, die der Position der WHO diametral entgegen läuft.
Immerhin ist sie Leiterin der Kollaborationsstelle, und auch hier wird noch einige Kommunikation zu erwarten sein.
Noch keine Reaktion der WHO
Die USA sind der mit Abstand größte Geldgeber der WHO. Durch ihre Wirtschaftsmacht sind sie der größte Beitragszahler, und die darüber hinaus gehenden Beiträge machen über 50% aus.
Es wird spannend werden, wie die WHO sich als größter Gegner der E-Zigarette und der Harm Reduction zu diesem Richtungswechsel positionieren wird.
Die Aussage von Fr. Dr. Mons in Heidelberg ist aber zumindest ein Zeichen, dass diese Position innerhalb der WHO keineswegs mehr so gefestigt ist, wie sie noch am vergangenen Donnerstag erschien.
Artikel zur Rede Gottliebs: https://www.vapers.guru/2017/07/30/sensationelle-rede-des-chefs-der-fda/
Artikel der Süddeutschen: http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/rauchen-zigaretten-ohne-suchtfaktor-1.3611322
Artikel der Washington Post: https://www.washingtonpost.com/news/to-your-health/wp/2017/07/28/fda-delay-e-cigarette-rules-years-explore-reducing-nicotine-conventional-cigarettes/?utm_term=.eba7b844bef8
Joey Hoffmann
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