Die Bundestagswahlen stehen ins Haus. Obwohl die E-Zigarette ein gesundheitspolitisch kaum zu überschätzendes Thema ist, sind die Informationen der Positionen der Parteien dazu eher spärlich.
Dustin Dahlmann, Vorsitzender des BfTG, hat sich bereit erklärt in einem Interview eine Übersicht zu geben.
Das BfTG, das Bündnis für Tabakfreien Genuss, hat sich 2015 gegründet. In der Zeitrechnung der sich in Lichtgeschwindigkeit entwickelnden E-Zigarette sind drei Jahre eine lange Zeit. Nach normalen Maßstäben ist es ein sehr junger Verein.
In ihm haben sich klein- und mittelständige Unternehmen aus der Branche der E-Zigarette zusammengeschlossen. Es ist ein Lobby Verband, der versucht die Interessen der Hersteller und Händler in der Politik zu vertreten. Vom älteren VdeH (Verband des E-Zigaretten Handels) setzt er sich vor allem dadurch ab, dass er keine Mitglieder aus dem Bereich der Tabakindustrie akzeptiert.
Trotz der kurzen Zeit war das BfTG überraschend erfolgreich. Durch seine intensive Arbeit hat er nicht nur offene Türen in Berlin und Brüssel gefunden. Er hatte auch durch viele Gespräche und nicht zuletzt die Hilfe von Prof. Dr. Mayer maßgeblichen Anteil daran, dass der Bundesrat das geplante Mentholverbot gekippt hat.
Der Vorsitzende Dustin Dahlmann hat sich die Zeit genommen um vor der Wahl einen Überblick über die Positionen der Parteien zu geben.
Weder Positives noch Negatives
vapers.guru: Kannst Du uns erstmal bitte einen Überblick geben, wie die großen Parteien, die sich nun zur Bundestagswahl stellen, zur E-Zigarette positionieren?
Dustin Dahlmann: Bei CDU, CSU und SPD findet man weder Positives noch Negatives zur E-Zigarette. Zwischen den Zeilen gibt es aber kleine Fundstücke, die zumindest mittelbar mit unserem Produkt zu tun haben. So sprechen sich alle drei Parteien für eine bessere Förderung des Mittelstandes, von Start-up-Unternehmen und den Bürokratieabbau aus. Immerhin. Themenbereiche, die für unsere Branche extrem wichtig sind und an die wir nach den Wahlen bei Union und Sozialdemokraten politisch anknüpfen werden.
Klar muss uns aber auch sein, dass viele Aussagen in den Programmen Allgemeinplätze sind, die im Koalitionspoker schnell wieder weichgespült werden.
Halbwissen bleibt Herausforderung
vapers.guru: In den Reihen der CDU gibt es bis heute die stärksten Zweifler und Kritiker an der E-Zigarette. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Mortler gehört zur CSU und ist stark mit dem DKFZ und auch Martina Pötschke-Langer vernetzt. Müssen Dampfer hier vielleicht weitere Regulierungen befürchten?
Dustin Dahlmann: Zweifler und Kritiker gibt es. Ohne Frage. Das gilt aber auch für die anderen Parteien, die im aktuellen Bundestag vertreten sind. Das BfTG hat in letzter Zeit mehrere Gespräche mit Bundestagsabgeordneten der Union aus dem Bereich Verbraucherschutz geführt. Thema war hier unsere Forderung nach besseren Rahmenbedingungen zur Selbstregulierung der Branche. Hier gab es Zweifel und auch Kritik – aber auch politische Neugierde und echtes Interesse.
Eine Herausforderung für uns bleibt das Halbwissen im politischen Raum zu unserem Produkt und die generelle Gleichsetzung von Tabakprodukten und E-Zigaretten in den Köpfen der Entscheidungsträger. Die Folge: politische Fehlentscheidungen – bis hin zu praxisfremden Überregulierungen unserer Branche. Unser Job ist es, Politiker – sei es aus der Union, der SPD oder den kleineren Parteien – aus dieser Komfortzone des Halbwissens rauszubekommen. Das müssen wir nach den Wahlen unbedingt mit hoher Schlagzahl weiterführen.
Einziges Programm mit E-Zigarette
vaper.guru: Die FDP positioniert sich ausgesprochen positiv zur E-Zigarette. Aber nicht in ihrem Hauptprogramm. Was ist da Sache?
Dustin Dahlmann: Ja. In der Tat sind die Liberalen die einzige Partei, die sich explizit positiv zu unserem Produkt äußert. Zu finden ist das in ihrem Zusatzprogramm, das nicht auf der Webseite veröffentlicht ist.
Themen, die nur in dem Zusatzprogramm zu finden sind, haben aber keine geringere politische Priorität. Vielmehr werden hier Detailfragen und speziellere Themengebiete untergebracht, die den Rahmen eines Hauptprogramms sprengen würden. Klar hätten wir die E-Zigarette noch lieber im Hauptprogramm gesehen, aber mit der konkreten Textpassage sind wir schon sehr zufrieden.
„Eine gesetzliche Gleichbehandlung von E-Zigaretten und klassischen Tabak-Zigaretten sowie nikotinhaltiger und nikotinfreier Produkte ist unbegründet und verunsichert den Verbraucher. Auf weitere deutsche Alleingänge bei der Regulierung muss verzichtet werden. Sie schwächen die Marktstellung der deutschen Unternehmen gegenüber der innereuropäischen Konkurrenz und führen zu starken Wettbewerbsverzerrungen in der meist klein- und mittelständisch geprägten Branche. Wir Freie Demokraten plädieren deshalb für einen liberalen Verbraucherschutz bei der E-Zigarette. Eine Regulierung mit Augenmaß muss die Bürger vor Risiken angemessen schützen, ihnen aber auch die Freiheit zur eigenen Entscheidung lassen.Zusatzprogramm der FDP zur Wahl 2017
Für uns ist sicher: wenn die FDP nach den Wahlen auf der bundespolitischen Bühne mitspielt, hat das BfTG das Zusatzprogramm bei zukünftigen Gesprächen als Dauergepäck dabei.
vaper.guru: Allerdings hat die E-Zigarette durch die starke Lobbyarbeit von Tabak- und Pharmaindustrie natürlich auch politische Widersacher. Und die FDP spricht sich gegen ein Lobby Register aus. Was darf man von diesen für die E-Zigarette eigentlich widersprüchlichen Positionen halten?
Dustin Dahlmann: Grundsätzlich ist Lobbyarbeit per se nichts Anstößiges – zumindest dann, wenn man ein Anliegen hat, das sich seriös begründen lässt. Und wenn man seine politische Arbeit auch transparent macht. Bei unserer politischen Kommunikation zur E-Zigarette ist das so. Das Produkt, für das wir uns einsetzen, ist für viele Nutzer eine echte Alternative zur Tabak-Zigarette und auch zu Heated-Tobacco.
Die E-Zigarette hat ein enormes gesundheitspolitisches Potential. Wenn die Politik sie auch lässt. Das BfTG kommuniziert seit seiner Gründung transparent seine politische Arbeit auf Bundes-, Länder- und Europaebene. Gegen ein in der Praxis auch funktionierendes Register ist aus unserer Sicht damit prinzipiell nichts einzuwenden.
Martin Schulz und die TPD
vaper.guru: Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten ist Martin Schulz, der von 2012 bis 2017 Präsident des Europaparlamentes war. Als 2014 über die TPD2 abgestimmt werden sollte, hat er ein so genanntes Splitting untersagt. Wodurch zur E-Zigarette und anderen Tabakprodukte getrennt abgestimmt worden wäre. Kannst Du uns einmal erläutern, worum es damals ging?
Dustin Dahlmann: Wir sind ein junger Verband. 2014 gab es uns noch nicht. Somit haben wir die damalige Abstimmung der TPD2 im EU-Parlament auch nicht mitbegleitet. Aus dem Plenarprotokoll des Europäischen Parlaments vom 26. Februar 2014 geht aber hervor, dass der damalige Parlamentspräsident Martin Schulz sich vor der anstehenden Abstimmung zur TPD2 mit den Abgeordneten über das Verfahren ausgetauscht hat.
Nach unserer Information muss das Ganze unter erheblichen Zeitdruck abgelaufen sein. Und es scheint unterschiedliche Bewertungen des Vorgehens in der Parlamentsleitung und Abgeordneten gegeben zu haben.
Wie gesagt, unser Verband existiert seit 2015. Daher fokussieren wir uns auf die aktuellen Herausforderungen.
Sozialdemokratische Gesprächspartner
vaper.guru: Das BfTG hat unter anderem auch mehrere Gespräche mit dem Bundestagsabgeordneten Marcus Held von der SPD geführt. Der steht der E-Zigarette ja nicht nur offen, sondern ausgesprochen positiv gegenüber. Was ist Deiner Einschätzung nach insgesamt von der SPD bei dieser Frage zu halten?
Dustin Dahlmann: Für die Sozialdemokraten gilt das, was ich eingangs zur Union gesagt habe. Es gibt gut informierte Befürworter, die „open minded“ sind. Und es gibt Kritiker, die vor Fakten zur E-Zigarette einfach „die Schotten dicht machen“, unser Produkt nach wie vor mit wesentlich schädlicheren Tabakprodukten gleichsetzen.
Unser Ziel bleibt daher auch hier: ins Gespräch kommen, mit populären Irrtümern zum Produkt aufräumen und politische Aufklärungsarbeit gegen Halbwissen setzen. Man kann es auch „dicke Bretter bohren“ nennen. Erste Erfolge haben sich da auch bei einigen Sozialdemokraten gezeigt. Wir bleiben da nach den Wahlen dran.
Linke und Grüne
vaper.guru: Sowohl die Linken wie auch die Grünen haben sich im bei der Abstimmung 2016 gegen das Tabakerzeugnisgesetz ausgesprochen. Frank Tempel von den Linken hielt sogar geradezu eine Flammrede vor dem Bundestag. Und der Mediziner Dr. Harald Terpe bemängelte die Unverhältnismäßigkeit. Was ist von den beiden Parteien in Zukunft zu erwarten? Gibt es programmatische Positionen?
Dustin Dahlmann: Ja, das stimmt. Bei den Linken ist Herr Tempel in der Tat ein Protagonist pro E-Zigarette. Der Rest der Fraktion verhält sich nach meinem Eindruck aber hierzu in letzter Zeit wenig bis gar nicht. Die Grünen haben sich zum Thema in der Fläche gesehen null positioniert. Von einer Programmatik oder gar Position kann bei beiden Parteien daher leider nicht die Rede sein.
Was da die Zukunft bringt wäre nur per Glaskugel zu bestimmen. Wir werden das nach den Wahlen genauer beobachten.
Keine Kontakte zur AfD
vaper.guru: Die rechtspopulistische AfD hat zum ersten Mal eine Chance, in den Bundestag einzuziehen. Hat die Partei sich inzwischen auch einmal zur E-Zigarette positioniert? Im Programm oder vielleicht durch Anfragen oder Äußerungen?
Dustin Dahlmann: Wir haben aus gutem Grund keine politischen Kontakte mit der AfD auf der Landesebene. Das werden wir auch auf Bundesebene weiter so halten.
[Anm. d. Red.: Redaktionell ist keine programmatische Position der AfD zur E-Zigarette bekannt.]
Mehr Beinfreiheit
vaper.guru: Gibt es Themen, die voraussichtlich nach der Bundestagswahl vom Gesetzgeber angepackt werden? Was sind die Aussichten des BfTG?
Dustin Dahlmann: Wir müssen generell bei vielen kommenden Gesetzesvorhaben, Verordnungen, Regulierungen weiter die Augen aufhalten, ob die E-Zigarette eventuell wieder in einen Topf mit Tabak-Produkten wie etwa Heated Tobacco geworfen wird.
Ein zweiter Themenkomplex ist mehr Beinfreiheit bei der Selbstregulierung für unsere Branche. So haben wir etwa bei eventuellen Wettbewerbsverstößen von Marktteilnehmern bisher zu wenig Spielraum zur Eigenklärung. Einen ersten Anfang zum Thema haben wir bei Verbraucherpolitikern der CDU und der SPD und gegenüber dem BMEL in dieser Legislaturperiode gemacht – da müssen wir nach den Wahlen weiter ran!
EU arbeitet am Steuermodell
vaper.guru: Gibt es in Europa derzeit noch andere Entwicklungen, die es zu beachten lohnt? Oder gibt es absehbare Bewegungen auf Länderebene im Bereich der E-Zigarette?
Dustin Dahlmann: Ja. Hierzu zwei Beispiele: Die Europäische Kommission arbeitet gerade aktuell an einem Entwurf für ein neues Tabaksteuermodell, das auch die E-Zigarette betreffen wird. EU-seitig wurde das BfTG im Sommer hier um fachlichen Praxis-Input gebeten, den wir geliefert haben. Das Thema wird, nachdem es die EU passiert hat, dann auch die nächste Bundesregierung befassen.
Auf Länderebene schwelt seit einiger Zeit die mögliche Verschärfung des Nichtraucherschutzes munter vor sich hin. Das Thema wird vor allem aktuell von Bundesländern wie Bremen und Sachsen-Anhalt fleißig vorangetrieben. An beiden Themen sind wir dran.
Mit Blick auf das EU-Ausland stellen wir fest, dass sich ein Trend abzeichnet, die E-Zigarette über die TPD2 hinaus zu regulieren. Auch das werden wir weiter beobachten und uns für einen gangbaren Weg für die E-Zigarette einsetzen. Wir informieren und sensibilisieren weiterhin Entscheider in Berlin und Brüssel für die besonderen Belange unseres Produktes. Schließlich gibt die E-Zigarette Rauchern europaweit die Chance zum Tabakstopp.
Der E-Zigarette ein Gesicht geben
vaper.guru: Was sind die Erwartungen und Aussichten des BfTG? Wie wird es weitergehen, woran wird gearbeitet?
Dustin Dahlmann: Welches politische Farbenspiel nach den Wahlen herauskommt ist sicher spannend. Primär wichtig für unsere Branche wird es aber vor allem sein, der E-Zigarette stärker ein eigenes Gesicht zu geben. Gegenüber Politik, Medien, Wissenschaft und Öffentlichkeit.
Das heißt den Unterschied zur E-Zigarette und alten und neuen Tabak-Produkten immer wieder herauszustreichen, das Gesundheitspotential des Produktes in Deutschland selbstbewusst zu vertreten. Dass das der richtige Weg ist haben wir beim Mentholverbot gezeigt. Die politische Arbeit gegen das Verbot gegenüber Bundes- und Landespolitik hat Wirkung gezeigt. Das Verbot ist vom Tisch.
vaper.guru: Ich bedanke mich für das Gespräch.
Das Gespräch führte Joey Hoffmann.
Homepage des BfTG: http://www.tabakfreiergenuss.org/
Joey Hoffmann
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