Gestern erhielt ich eine Anfrage zu einem Beitrag in der Sendung „Auf Streife – Die Spezialisten“ auf Sat1. In diesem Beitrag kamen Rettungskräfte zum Einsatz, weil sich Jugendliche Drogen durch die Dampfe reingezogen hatten.
Auf die Frage, ob da etwas dran sein könnte, musste ich mit Ja antworten. Daher habe ich mich entschlossen, in einem Blog Beitrag mal gechillt Aufklärung zu leisten.
Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte der Sender Sat1 einen Beitrag in seiner Sendung „Auf Streife – Die Spezialisten“. In diesem Beitrag ging es um eine Mutter, die den Notarzt verständigte. Weil ihre Tochter irgendwo ohnmächtig geworden ist.
Warum eine Mutter, deren Tochter an einem unbekannten Ort ohnmächtig ist, einen Notarzt anstatt die Polizei anruft, bleibt ein Geheimnis der Drehbuchschreiber.
An solchen kleinen Merkwürdigkeiten erkennt man dieses Format. Es nennt sich Scripted Reality, was übersetzt so viel wie „geschriebene Realität“ bedeutet.
Irgendwer schreibt dazu ein Drehbuch eines möglichst dramatischen Falles. Das wird dann mit verwackelten Bildern so umgesetzt, dass beim Zuschauer der Eindruck entstehen muss, es handele sich um einen „echten“ Fall.
Zwar verweist der Sender darauf, es handele sich um „nachgestellte“ Fälle. Dass diejenigen das aber mitbekommen, die solchen Scheißdreck anschauen, darf man bezweifeln. Ebenso wie die Behauptung, dem lägen echte Fälle zugrunde.
Es muss wahr sein, ich hab das in Fernsehn gesehn
Weitere Indizien für solche Formate ist die Sendezeit. Sie werden meist im Hausfrauenfernsehn ausgestrahlt. Und natürlich die grandiosen schauspielerischen Leistungen, die von Präkariatsangehörigen für ein warmes Mittagessen dort abgeliefert werden.
Inzwischen gibt es zu diesen Formaten sogar sozialwissenschaftliche Untersuchungen. Da sie – wie Hasskommentare durch Bots auf Social Media – dazu geeignet sind, die Vorstellungen der Realitäten zu verfälschen.
Der durchschnittliche Bürger bekommt kein Hartz IV, hat keinen Fliesentisch, besitzt alle Schneidezähne und trägt keine Klamotten von Kik.
Daher werde ich den Beitrag hier auch nicht verlinken. Denn ich musste mich zum Ansehen der halben Sendung durch über zwölf Werbespots quälen. Was ungefähr einem Spot pro Minute entspricht.
„Aber das sind doch keine Drogen“
In dem Beitrag eskaliert die vermisste Tochter dann punktgenau vorm eintreffenden Notarzt ein wenig rum und bricht zusammen. Inklusive anschließendem Krampfen und Schaum vorm Mund.
Der zuerst flüchtende Freund der Tochter wird dann etwas abseits wiedergefunden, wo er debil sabbernd mit einen Baum schmust.
Durch Befragung findet der Notarzt dann heraus, dass mittels einer E-Zigarette Legal Highs gedampft wurden. („Aber das sind doch keine Drogen, das ist doch legal.“)
Und an diesem Punkt muss man dem unkundigen Dampfer leider sagen: Ja, das ist möglich. Und nicht weit von der Realität entfernt.
Aber dazu muss man vielleicht einiges erklären. Und auch die krassen Checker, die das ausprobieren wollen, sollten ab hier aufmerksam lesen.
Legal Highs und anderer Scheiß
Legal Highs ist ein Marketing Name für so genannte Neue Psychoaktive Substanzen. Andere Namen sind Herbal Highs oder auch Badesalze.
Es handelt sich dabei um so genannte Designerdrogen. Sie werden nicht wie Cannabis, Opiate oder Koks aus einer Pflanze gewonnen. Sondern in einem Labor zusammengemischt.
Dass sie angeblich „legal“ sind, erweckt den Eindruck, sie seien harmlos. Das sind sie jedoch nicht. Im Gegenteil. Aus verschiedenen Gründen. Man weiß nämlich nie, was wirklich drin ist.
Legal sind sie nur deshalb, weil der Gesetzgeber Probleme hat, dort hinterher zu kommen.
Um das einmal zu verdeutlichen, möchte ich es an einem Fall erklären.
Immer die gleiche Vorgehensweise
Ein Chemiker bastelt in einem Labor solch ein Zeug zusammen. Das verkauft er dann als „Kräutermischung“ und Legal High. Mit Markenname und einer Firmenadresse im Kongo.
Wird nun eine der enthaltenen Substanzen auf die Verbotsliste gesetzt, muss man ihm das erst einmal nachweisen. Das dauert Monate. Denn es müssen Proben genommen werden, untersucht werden, die Behörde muss ein Verbot aussprechen… Das dauert.
Bis das alles durch ist, hat der Chemiker längst die Bude dicht gemacht. Er hat eine neue Firma an der Elfenbeinküste. Dafür muss er nicht einmal umziehen, sein Labor ist immer noch irgendwo in der holländischen Provinz. Oder in Brandenburg. Da soll es wieder Wölfe geben.
Und dann geht das ganze Spiel von vorne los.
Im Jahr 2016 gab es in Deutschland durch diese Legal Highs 76 Todesfälle. Mit synthetischen Opioiden, also im Labor erzeugtes „Heroin“, kommt man sogar auf 98. Im Vorjahr waren es noch 39. Die Zahl hat sich also mehr als verdoppelt.
Quelle: Bundeskriminalamt
Inhalieren nur eine Möglichkeit
Was nun sicher viele Dampfer aufregt ist, dass dies nun mit der E-Zigarette in Verbindung gebracht wird.
Vielen ist dabei aber nicht klar, dass auch die allermeisten traditionellen Drogen ganz verschieden aufgenommen werden können.
Natürlich gibt es bevorzugte Wege. So wird Heroin meist gespritzt. Aber es kann, wie Kokain, auch geraucht oder gesnift, also über die Nasenschleimhäute aufgenommen, werden.
Cannabis hingegen kann nicht gespritzt werden, weil es sich prinzipiell um Pflanzenteile oder Harz handelt. Aber man kann damit wunderbar Backen oder sich einen schönen Tee zubereiten.
Immer eine Frage der Dosierung
Es ist also immer eine Frage der Dosierung. Und die wird durch den Aufnahmeweg beeinflusst. Was direkt ins Blut geht knallt mehr, was durch den Verdauungstrakt muss geht zu großen Teilen verloren. Theoretisch könnte man sich auch Nikotin oder Alkohol spritzen. Ich würde aber tendenziell davon abraten.
Und das ist das nächste Problem der Legal Highs. Da man nie genau weiß, was eigentlich drin ist, weiß man auch nicht, wie man es dosieren sollte.
Auch wenn ich eine Überdosierung durch Dampfen wie in dem Scheißdreck von Sat1 für möglich halte, halte ich es doch für sehr unwahrscheinlich.
Mephedron an der Flasche erkannt
Macht man sich das alles klar, bemerkt man auch den nächsten Schnitzer der Schreiber dieses Machwerkes. Denn gemäß der Aussage des angeblichen Sanitäters handelt es sich bei dem konsumierten Mist um Mephedron. Was er nur anhand der Flasche Liquid natürlich sofort weiß. (Völlige Ziegenpisse, kein Arzt würde sich darauf verlassen.)
Mephedron (Meph, nicht Meth) ist jedoch eine Party Droge, ähnlich wie Extasy. Es wird auch häufig als solches vertickert. Die Begrifflichkeiten verschwimmen hier ein wenig, aus den bereits geschilderten Gründen. Extasy ist nämlich bei Weiten nicht immer reines MDMA. Viele Suchtberatungen bieten auf Events wie Konzerten kostenlose Analysen an. Damit die Menschen wenigstens sicher sind, was sie sich reinziehen.
Das Amphetamin Mephedron unterliegt in Deutschland aber schon seit Jahren dem Betäubungsmittelgesetz. Es handelt sich also ganz sicher nicht um eine Legal High. Zumindest ist es ganz sicher nicht legal.
Spätestens da entlarvt der Beitrag sich also als Bockmist.
Und das soll ein Sani sein?
Mal ganz abgesehen davon, dass ein echter Sanitäter sicher nicht solche Aussagen wie „Medikamente verursachen nicht so eine Wesensveränderung.“ treffen würde. Ansonsten würde ich ihm einmal dringend zu einem Selbstversuch mit Morphin raten. Sobald er wieder aufhört zu sabbern und sich wieder für die Einhaltung seines Stuhlgangs interessiert, wird er diese Aussage revidieren.
Es wird nicht alles immer schlimmer
Das alles ist nicht neu.
Heroin ist eigentlich ein Markenname und wurde ursprünglich von Bayer produziert. Es wurde frei in Apotheken verkauft, unter anderem als Schlafmittel. Und beim Entzug von Kokain als Hilfsmittel eingesetzt. Was ungefähr so sinnvol ist, wie Kopfschmerzen mit einer Axt zu bekämpfen.
Auch das angesprochene Mephedron wurde ursprünglich von der israelischen Firma Neorganics ganz offiziell hergestellt. Und es wurde noch sehr lange in den USA sogar an Tankstellen als „Badesalz“ verkauft.
Recht bekannt ist auch, dass die Nazis lange mit Amphetaminen für ihre Piloten experimentiert haben. Ein Großteil der Helden waren im Einsatz schlicht und ergreifend derbe drauf.
Neu ist lediglich, dass die Organisierte Kriminalität darauf gekommen ist, schneller solche Produkte auf den Markt zu schmeißen als der Staat hinterher kommt.
Es wird noch mehr kommen
Dampfer sollten sich das wirklich bewusst machen. Sobald es irgendetwas gibt das ballert, kommen auch Leute daher und versuchen es sich reinzuziehen. Die E-Zigarette ist dafür nur ein Mittel zum Zweck.
Ich warne davor, sich darüber übermäßig aufzuregen. Es wird noch viele Medienbeiträge dieser Art geben. Zumal die Medien ja auch nicht zwischen E-Zigaretten und Vaporizern (mit denen man auch Cannabis verdampfen kann) unterscheiden. Und sicher werden auch die Gegner der E-Zigarette das gerne mal irgendwie einstreuen.
Dagegen hilft nur Aufklärungsarbeit und Aussitzen.
Liquids sind in Deutschland und Europa streng limitiert. Dass jemand unbeabsichtigt irgend so einen Scheiß im Liquid hat, ist vollkommen absurd.
Heroin in einer Tabakzigarette ist genauso wahrscheinlich. Oder Marihuana am Weihnachtsbaum. (Frohes Fest!)
Und hört bitte auf, so eine Ziegenpisse im Fernsehen zu gucken. Echt jetzt.
Joey Hoffmann
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