Schon 2015 hatte PHE einen Bericht über die E-Zigarette veröffentlicht, der für die damalige Diskussionslandschaft sensationell war. Dieser Bericht war es, der die in Dampferkreisen inzwischen berühmte Angabe von 95% weniger Risiko verankert hat.
Gestern hat PHE ein Update herausgebracht. Und legt noch einmal deutlich nach.
Public Health England ist so etwas wie eine Agentur der staatlichen Gesundheitsführsorge in Großbritannien. Bei ihr arbeiten vor allem Wissenschaftler, Forscher und Gesundheitsexperten.
Anders als beispielsweise in Deutschland gibt es keine gesetzlichen Krankenversicherungen, sondern die Beiträge fließen über die Steuern auch an PHE.
PHE gehört zum Departmente of Health and Social Care, betreibt eigene Forschung und Aufklärungsarbeit. Sie ist unmittelbar dem Gesundheitsministerium unterstellt.
Es gibt auch viel Kritik an PHE, auch dort läuft nicht alles wie eitel Sonnenschein. Aber dieses System hat gegenüber dem deutschen System einen unschlagbaren Vorteil. Der Staat hat ein sehr direktes Interesse daran, seine Bürger möglichst gesund zu erhalten.
Denn dadurch spart er Steuergelder, die er wo anders einsetzen kann. In Deutschland ist dieser Effekt sehr viel mittelbarer.
E-Zigarette als Chance verstanden
Vor allem diesem Umstand ist es sicher zu verdanken, dass PHE sich die E-Zigarette sehr viel genauer angeschaut hat als alle anderen europäischen Länder. Sie wurde durch das System sofort als Chance verstanden, die sich auch über die meist moralischen Bedenken von Kritikern der Harm Reduction (Schadensminimierung) hinwegsetzte. Denn Harm Reduction bedeutet hier immer auch Kosten Reduction. Erst kommt das Fressen, dann die Moral.
Und dafür sind die Politiker dann natürlich deutlich zugänglicher.
Im Jahr 2015 hatte Public Health sich also eingehend mit der E-Zigarette beschäftigt. Dazu hatte es aber nicht selber geforscht, sondern eine so genannte Metastudie durchgeführt. Sie haben einfach mal zusammengeführt, was andere Forscher so erforscht haben.
Der Erkenntnisstand war damals noch vergleichsweise dünn. Trotzdem kamen sie zu dem Ergebnis, dass die E-Zigarette mindestens 95% weniger Risiko mit sich bringt als Tabak Zigaretten.
Das Kollegium hat sich angeschlossen
Dieser Bericht enthielt auch weitere Erkenntnisse. Beispielsweise dass der Dampf von E-Zigaretten in der Raumluft für andere kein Gesundheitsrisiko darstellt und dass die E-Zigarette dazu dienen kann, den Gesundheitsstand der Bevölkerung zu verbessern.
Diesem Bericht hat sich dann einige Monate später das Royal College of Physicians angeschlossen. Das ist eine Art Ärztekammer mit Sitz in London. Sie hat weltweit einen hervorragenden Ruf, auch weil es die älteste Einrichtung dieser Art ist. Sie wurde bereits von Heinrich VIII gegründet.
Mehr noch, das Kollegium stellte klare Forderungen an die Regierung, die E-Zigarette zu unterstützen.
Der neue Report
Gestern veröffentlichte Public Health England nun eine Aktualisierung. Eine Anschlussstudie.
Und in diesem wird die Behörde noch deutlicher und direkter.
Zusätzlich veröffentlichte sie dazu verschiedene Videos (siehe unten) auf verschiedenen Kanälen und startete eine Art Kampagne.
In dieser Studie mit dem selbstbewussten Titel Evidence review of e-cigarettes and heated tobacco products (etwa „Sichtung der Erkenntnisse zur E-Zigarette und HnB Produkte“) hat PHE die alte Studie zur Grundlage genommen und tatsächlich aktuell angepasst.
Als Quelle dienten Public Health vor allem drei Kategorien von Quellen. Zum ersten „peer reviewed literature“, also wissenschaftliche Arbeiten, die das so genannte peer-to-peer review in Fachjournalen überstanden haben. Die sich dem Selbstreinigungsprozess der Kritik aller anderen Wissenschaftler ausgesetzt haben. Zum zweiten Datenerhebungen und Umfragen, wie sie auch von der Universität von Stirling durchgeführt wurden. (Die Studie, die Gateway widerlegt hat, Link unten). Und zum dritten Erkenntnisse, die von PHE oder partnerschaftlichen Organisationen wie dem Kings College gewonnen wurden.
Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass PHE selber dazu keine eigenen Untersuchungen beauftragt hat, wie die amerikanische FDA das gerne tut. Und die dann durch andere Interessen vielleicht beeinflusst sein könnten.
Die wichtigsten Aussagen zusammengefasst
Der gesamte Bericht umfasst 243 Seiten. Auch nur einen geringen Teil der Erkenntnisse darzustellen würde jeden Rahmen sprengen.
Im Folgenden werden die wichtigsten Aussagen und Empfehlungen nur kurz benannt.
- In Folge der Regulierungen (TPD) wurden 32.000 E-Zigaretten und nikotinhaltige Liquids angemeldet.
- Hersteller könnten eine MHRA (Lizenz als Medikament) beantragen. Kein Produkt wurde als solches angemeldet.
- Es wurden zwei HnB Produkte angemeldet.
- Regulierungen müssen die Risiken der E-Zigarette und ihren Nutzen ausbalancieren.
- Die Regulierungen, die Vorteile der E-Zigarette im Gegensatz zum Tabak zu kommunizieren (Werbeverbot), müssen überdacht werden.
- Das Suchtpotential von Nicotin ist abhängig davon, wie es konsumiert wird.
- Es ist möglich, dass das Abhängigkeitspotenzial von Zigaretten durch andere Stoffe als dem Nicotin verursacht wird.
- E-Zigaretten unterminieren nicht die Bestrebungen das Rauchen unter Heranwachsenden zu verringern.
- Abgesehen von Experimenten sind E-Zigaretten nicht besonders attraktiv für Jugendliche die zuvor nicht geraucht haben.
- Das Dampfen durch Nichtraucher ist sehr selten und beträgt unter 1%.
- Nichtraucher, die E-Zigaretten ausprobieren, bevorzugten nikotinfreie Liquids. Die enorme Mehrheit wird dadurch nicht zu regelmäßigen Dampfern.
- Die Tendenz zum Dual User (Rauchen und Dampfen) ist genauso hoch wie bei Nicotin Ersatz Therapien (Pflaster, Kaugummis, Sprays)
- Die meisten, die E-Zigaretten ausprobieren, werden keine dauerhaften Dampfer.
- Es gibt keine gesundheitlichen Risiken für Passivraucher.
- 6% der Dampfer nutzen eine Nikotinkonzentration über den zugelassenen 20mg.
- Die beliebtesten Aromen sind Früchte (29%), Tabak (27%) und Menthol oder Minze (25%).
- Gemessen an der Gesamtbevölkerung der EU nutzen durchschnittlich 2% E-Zigaretten. In den USA und Großbritannien sind es 4% bis 6%.
- Auch internationale Erhebungen haben ergeben, dass die Nutzung von E-Zigaretten bei den Nichtrauchern unter 1% liegt.
- Raucher und Dual User sollten dabei unterstützt werden, mit dem Rauchen aufzuhören und zu dampfen.
- Es gab Vergiftungen durch Liquids. Diese Vergiftungen betrafen vor allem Kinder unter dem fünften Lebensjahr. Die Vergiftungserscheinungen waren kurzfristig und nicht ernsthaft.
- Daten haben gezeigt, dass das Krebsrisiko des Dampfens unter 0,5% des Krebsrisikos des Rauchens liegt.
- E-Zigaretten können Aldehyd freisetzen, wenn sie überhitzt werden. Die Überhitzung verursacht einen aversiven Geschmack. [i.e. nicht inhalierbar; Anm. d. Red.]
- Es gibt derzeit keine Beweise, dass bestimmte Aromen eine Gesundheitsgefährdung darstellen.
- Die Anteile von Metallen im Dampf geben keinen Anlass zu Sicherheitsbedenken.
- Eine Studie zeigte keine Unterschiede der Biomarker von Dual Usern und Rauchern. Auch nicht bei Nikotinersatztherapien.
- Raucher sind schlecht über das geringere Risiko der E-Zigarette informiert.
- Die Mehrzahl der Raucher glaubt nicht, dass ein Umstieg auf die E-Zigarette entscheidende gesundheitliche Vorteile mit sich bringt.
- 40% der Raucher denken, dass Nicotin die Ursache für Krebserkrankungen ist.
- Falschinformationen sind häufiger in sozial benachteiligten Schichten.
- Die Fehlinformationen über Nicotin sind international.
- Die durch die TPD vorgeschriebenen Gesundheitswarnungen sollten bezüglich ihrer Warnung vor Nicotin überarbeitet werden.
- Es gibt keinen Grund, nikotinfreie Produkte in die Regulierungen der TPD aufzunehmen.
Das ist eine lange und sicher nicht so lesenswerte Liste. Doch wenn man jeden einzelnen Punkt überdenkt, stecken dort einige revolutionäre Gedanken dahinter.
Denn man muss sich immer vergegenwärtigen, dass diese Einschätzungen offiziell von der Gesundheitsfürsorge einer Regierung kommen.
Durch Harm Reduction niedrigsten Raucher Anteil
Viele dieser Punkte wiederlegen beispielsweise die Logik hinter Kokelstudien, die Gateway Theorie und sogar den größten Feind: Die moralische Ablehnung von nikotinhaltigen bzw. inhalierbaren Genussdrogen.
In Großbritannien ist davon auszugehen, dass diese Erkenntnisse und Forderungen von der Politik aufgegriffen werden. Und dann auch in anderen Ländern Türen öffnen können.
Eine Erkenntnis des Berichtes war auch, dass in Großbritannien in der ersten Hälfte 2017 so viele Menschen wie nie zuvor aufgehört haben zu rauchen. Seit dem diese Zahlen überhaupt erhoben werden.
Great Britain hat inzwischen den zweitniedrigsten Anteil an Rauchern in der Bevölkerung in der EU.
Er ist weiter gesunken als alle Verbote, Regulierungen, Nokotinpflaster und Aufklärungskampagnen jemals erwirkt haben.
Denken wir einen Augenblick darüber nach.
Our animation shows the difference between e-cigarettes and cigarettes. Read our blog on our latest evidence update here: https://t.co/cXLh82thcd #EcigEvidence pic.twitter.com/OpgCZ3aSbD
— PublicHealthEngland (@PHE_uk) 6. Februar 2018
Bericht in der Zusammenfassung: https://www.gov.uk/government/publications/e-cigarettes-and-heated-tobacco-products-evidence-review/evidence-review-of-e-cigarettes-and-heated-tobacco-products-2018-executive-summary
Studie im Original (Guru Server): https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2018/02/Evidence_review_of_e-cigarettes_and_heated_tobacco_products_2018.pdf
Bericht zur Widerlegung des Gateway: https://www.vapers.guru/2017/09/01/studie-widerlegt-gateway/
Bericht zum Report des Royal College of Physicians: https://www.vapers.guru/2016/05/01/sensationeller-report-aus-london/
Bericht zur ersten Studie: https://www.vapers.guru/die-studie/
Joey Hoffmann
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