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Lungenentzündung durch E-Zigarette

Nach nur drei Wochen dampfen

Bereits letzte Woche wurde von einer jungen Frau berichtet, die durch ihre E-Zigarette in kürzester Zeit an einer Lungenentzündung erkrankt ist. Diese Meldung wird aber nicht nur ungewöhnlich lange durch die Medien getrieben. Sondern auch ungewöhnlich sachlich und genau.
Weshalb es sich vielleicht doch lohnt, den Fall einmal näher zu betrachten.
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Am 17. Mai wurde ein Artikel durch die American Academy of Pediatrics in der Fachzeitschrift Pediatrics online veröffentlicht.
Verfasst wurde der Artikel von einem Casey G. Sommerfeld, Arzt am „Children’s Hospital of Pittsburgh of University of Pittsburgh Medical Center“. Das sind zwar etwas viele „of“, aber es handelt sich dabei offensichtlich um die Kinderklinik der Uniklinik der Universität von Pittsburgh in Pennsylvania.

Bei dem Artikel handelt es sich nicht um eine Studie oder Datenerhebung, sondern um eine Fallbeschreibung, wie sie im medizinischen Bereich üblich ist.
Trotzdem wurde sie nicht nur in den englischsprachigen Medien weit geteilt. Sondern inzwischen auch auf den Internetplattformen von Spiegel und der Welt.

Befund Lungenentzündung

Typische Lungenentzündung (Pneumonie)
Typische Lungenentzündung (Pneumonie): Zu erkennen ist der Schatten durch die angesammelte Flüssigkeit. Die Pfeile rechts zeigen die Grenze zum Unterlappen, die ohne Flüssigkeit nicht so sichtbar wäre.

Eine 18 jährige Kellnerin war in der Klinik vorstellig geworden und klagte über zunehmende Atemnot, Husten und Brustschmerz.
Untersuchungen ergaben einen Befund in den Lungen, es hatte sich Flüssigkeit in den Bronchien angesammelt.

Die Analyse der Flüssigkeit und weitere Untersuchungen ergaben, dass die junge Frau an einer Hypersensitivitätspneumonie litt. Oder, wie es in den deutschsprachigen Medien ein wenig schlecht übersetzt genannt wird, an einer hypersensitiven Pneumonitis. (i.e. engl.: hypersensitive pneumonitis)

Das ist tatsächlich eine Art von Lungenentzündung. Die dadurch entsteht, dass so genannte Antigene in die Lunge gelangt sind. Vereinfacht gesagt ist es eine allergische Reaktion.

Ursache schnell gefunden

Die Fallbeschreibung von Dr. Sommerfeld beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Beschreibung der Symptome und deren Behandlung. (Die Frau konnte nach fünf Tagen aus der Klinik entlassen werden.)
Sommerfeld macht auch sogleich die Ursache für die allergische Reaktion aus: Die E-Zigarette.

Denn die junge Frau hatte nach eigenen Angaben etwa zwei bis drei Wochen zuvor angefangen zu dampfen.

„With this case, we highlight hypersensitivity pneumonitis as a life-threatening health risk of e-cigarette use in an adolescent patient.“

„Mit diesem Fall zeigen wir auf, dass die Hypersensitivitätspneumonie ein lebensgefährliches Gesundheitsrisiko bei der Nutzung einer E-Zigarette bei heranwachsenden Patienten sein kann.“

Hypersensitivity Pneumonitis and Acute Respiratory Distress Syndrome From E-Cigarette Use, Sommerfeld et. al., Pediatrics, 17.05.2018

Dabei tauchen jedoch zumindest einige logische Fragen auf, die Dr. Sommerfeld nicht beantwortet. Ja noch nicht einmal versucht zu beantworten.

Unerklärbare Schlussfolgerungen

Zunächst wird mit keinem Wort erwähnt, ob die junge Frau zuvor geraucht hat. Denn die Grundstoffe aus denen Liquids für E-Zigaretten bestehen sind auch in Zigaretten enthalten. Das hätte zu einer Differentialdiagnostik beitragen können. (Warum erkrankt sie am Dampfen, aber nicht am Rauchen?)

Interessant wäre auch gewesen, welche Liquids die junge Frau gedampft hat. Auch die Aromen wären vielleicht eine Ursache für die allergische Reaktion gewesen.
Denn in der Fallstudie wird erwähnt, dass die Frau nicht nur an Asthma leidet. Sondern zuvor bereits einmal eine allergische Reaktion auf Paranüsse gezeigt hatte.




Dazu muss man sich vielleicht verdeutlichen, dass die Hypersensitivitätspneumonie durchaus nichts neues ist. Sie wird vor allem verursacht durch das Einatmen von „organischem Partikeln“. Hauptsächlich von Partikeln von Getreide, aber auch von Schimmelpilzen oder Sporen.
Sie wird daher auch häufig mit Bauern assoziiert (farmers lung) oder wird durch Exkremente von Vögeln ausgelöst (birds fancier lung).
Wenn jemand bereits eine allergische Reaktion auf Nüsse gezeigt hat, wäre es sicherlich nicht unbedingt ratsam, natürliche Aromen aus Nüssen zu inhalieren.

Nach „Popcorn Lung“ nun „Wet Lung“

Die englischsprachigen Medien fanden sehr schnell einen passenderen Neologismus, die „wet lung“. Also die feuchte Lunge.
Das macht in Überschriften sicher mehr her als „Hypersensitivitätspneumonie“. Aus der Fallstudie stammt dieser Begriff jedenfalls nicht, das muss man fairerweise anmerken.

Der bekannte griechische Forscher, Kardiologe und Verfechter des Dampfens und der Harm Reduction Dr. Konstantinos Farsalinos wurde zu diesem Fall durch das englischsprachige Magazin Vape News befragt. Er sagte dazu:

“This is the first time that I see a case report being featured in the media. This is a new low for e-cigarette opponents. The “wet lung is“… total nonsense. The case was about an allergic reaction causing pneumonia.”

„Das ist das erste Mal, dass ich eine Fallstudie in den Medien sehe. Das ist ein neues Tief für E-Zigaretten Gegner. Die „wet lung“ ist… völliger Unsinn. In diesem Fall ging es um eine allergische Reaktion, die eine Pneumonie ausgelöst hat.“

Dr. Konstantinos Farsalinos, Vape News, 18.05.2018

Ein weiteres Problem, das Dr. Sommerfeld nicht aufgeklärt hat, ist die Inkubationszeit. Also die Zeit, die zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch der Symptome liegt.
Die wird bei einer Hypersensitivitätspneumonie zwischen Minuten bis zu 48 Stunden angegeben.
Warum eine ansonsten offenbar gesunde 18 Jährige also ausgerechnet nach zwei bis drei Wochen dampfen daran erkranken sollte, bleibt wohl ein Geheimnis des Arztes.

Zusammenhang durch „es ist so“

Insgesamt bleibt Casey G. Sommerfeld jegliche Erklärung schuldig, wie er überhaupt den Zusammenhang zum Dampfen begründet. Er macht nicht einmal den Versuch dazu. Und das ist doch schon sehr auffällig.

Der Fall wird ausführlich und recht akkurat geschrieben. Umrahmt von einer Einleitenden Erklärung zur E-Zigarette und einer abschließenden Schlussfolgerung. (Siehe Zitat oben.)
Doch wie der Zusammenhang zwischen dem Dampfen und der allergischen Reaktion überhaupt hergestellt wird, weiß offenbar nur Sommerfeld.

Was einigermaßen gefährlich für die junge Frau sein könnte. Denn wenn sie sich nun dampfabstinent in Sicherheit wiegt, könnte sie eventuell böse Überraschungen erleben. Wenn es doch an etwas anderem gelegen hat.
Was doch sehr stark anzunehmen ist.

Subtile Angstmacherei

Schaut man sich jedoch andere Äußerungen von Sommerfeld an, kommen die Argumente überraschend vertraut vor.

“It is difficult to speculate on how frequently this could happen; however, there are a few case reports involving adults that developed respiratory distress following electronic cigarette use.“

„Es ist schwierig darüber zu spekulieren, wie häufig so etwas passieren könnte; allerdings gibt es einige Fallbeschreibungen, bei denen Erwachsene Atemnot nach dem Gebrauch von E-Zigaretten entwickelten.“

Dr. Casey G. Sommerfeld, „Teen develops ‚wet lung‘ after vaping for just 3 weeks“, CNN, 17.05.2018

Richtig, nach einem einzelnen Fall ist es schwer über die Häufigkeit zu spekulieren.
Da es die E-Zigarette aber seit etwa 2006 gibt, und dies der erste Fall bei Millionen von Dampfern ist, müsste man also folgerichtig sagen, die Frequenz dürfte ungefähr bei einem Fall auf Millionen Dampfer in ca. 12 Jahren liegen. Höchstens.
Dafür müsste man aber erst einmal eindeutig nachweisen, dass es tatsächlich an der E-Zigarette gelegen hat.

Immerhin ist die Angstmacherei subtiler als sonst üblich.


Fallbeschreibung auf Pediatrics: http://pediatrics.aappublications.org/content/early/2018/05/15/peds.2016-3927
Artikel auf Vape News: https://vapenews.com/vape-news/dr-farsalinos-responds-to-the-wet-lung-imbroglio/
Artikel auf Spiegel Online: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/gefaehrlicher-dampf-ein-raetselhafter-patient-a-1208477.html
Artikel auf Welt: https://www.welt.de/kmpkt/article176485774/E-Zigarette-Teenager-bekommt-akute-Atemnot-vom-Dampfen.html

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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