Der Rechtsausschuss der EU hat gestern die Reform des Urheberrechts beschlossen. Mit enthalten sind die so genannten Uploadfilter und Linksteuern. Und das würde ohne jede Übertreibung das Ende des Internet bedeuten, so wie wir es kennen.
Die allermeisten kennen so genannte Social Media Plattformen. Die mit Abstand größte ist sicherlich Facebook.
Über 50% der Menschen in Europa nutzen Facebook. Eine Datenerhebung hat vor zwei Jahren ergeben, dass über 90% der Deutschen unter 35 Jahren Facebook nutzen. Unter 25 Jährige sogar täglich.
Plattformen wie YouTube, Twitter, Instagram, Vimeo und Twitch zeichnen sich dadurch aus, dass ständig Daten von den Nutzern hochgeladen werden. Bilder, Videos und so genannte Memes, Bilder mit kleinen Sprüchen darauf oder sehr kurze Videos.
Doch damit könnte nun in Europa Schluss sein.
Dagegen haben nämlich vor allem kreativ Schaffende etwas. Dabei sollte man jedoch nicht an den Maler um die Ecke denken, oder den Video Künstler. Sondern beispielsweise Musiker oder Fotografen, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen.
Denn die massenhafte und unkontrollierbare Verbreitung von solchen Daten, im Netzjargon auch Content (Inhalt) genannt, läuft ihrem Versuch natürlich entgegen, mit der Exklusivität ihrer Inhalte Geld verdienen zu können.
Konservative Interessen gegen freies Internet
Nun möchten vereinzelte politische Ausrichtungen etwas dagegen tun. Ihre Lösung ist die Durchsetzung des Kopierschutzes, so wie er noch in Zeiten von VHS und Audiokassetten naheliegend erschien.
Ebenso naheliegend erscheint ihnen, diese großen Plattformen dazu zu zwingen, die bei ihnen hochgeladenen Inhalte zu überprüfen. Ob der jeweils hochladende Nutzer überhaupt die Rechte an dem Content hält.
Die meisten Parlamente verfügen über ihre Fachausschüsse. So auch das Parlament der Europäischen Union.
Und der Rechtsausschuss der EU hat gestern einen Vorschlag einer Richtlinie beschlossen, der genau dieses Problem angehen soll. Er soll die massenweise Verletzung des Copyrights ausschließen. Und dazu die großen Plattformen in die Pflicht nehmen.
Für Sprengstoff sorgen dabei vor allem zwei Artikel, die es tatsächlich in sich haben.
Artikel 13: Upload Filter
Zum ersten ist der Artikel 13 zu nennen. Dieser soll die Plattformen dazu zwingen, jeden hoch geladenen Content zu überprüfen.
Die Formulierungen sind dabei jedoch so schwammig, die Definitionen so weit gefasst, dass es annähernd unmöglich ist zu beurteilen, wie das nun in der Praxis aussehen soll.
Nach der neuen Richtlinie soll jede Plattform mit den jeweiligen Rechteinhabern „verhandeln“. Was das allerdings bedeutet, und ob diese Verhandlungen überhaupt zu einem Ergebnis kommen, das steht in den Sternen. Aber nicht in der Richtlinie.
Ebenso, wie eine Plattform mit Milliarden Anwendern überhaupt „verhandeln“ soll. Denn über entsprechende Generatoren und einfache, kostenlose Bild-, Video- und Musikprogramme kann jeder heutzutage mit geringen Aufwand kreativ werden und Content erschaffen.
Es ist annähernd unmöglich nachzuweisen, dass man für jeden Handy Snapshot und jedes Meme tatsächlich selber die Rechte hat.
Auch die Größen werden in der Richtlinie überhaupt nicht definiert. Nicht nur die der Rechteinhaber, auch die der Plattformen. Es kann also durchaus sein, dass dies auch kleine Foren oder beispielsweise Foto Communitys betrifft.
Folgen bisher kaum absehbar oder zu unterschätzen
Selbst dem Laien fällt hier bereits eine deutliche Diskrepanz zur gelebten Netz Realität auf. Doch es geht ja noch viel weiter.
Würde diese Richtlinie verabschiedet, würde sie an die Mitgliedsstaaten gesendet werden. Diese müssten dann, ähnlich wie bei der TPD, ein nationales Gesetz daraus machen.
Im letzten Akt des Trauerspiels könnte das bedeuten, dass jedes Mitglied das anders reguliert. Und die Plattformen somit für jedes Land andere Richtlinien und Filter umsetzen müssten.
Dadurch könnte es dann passieren, dass Inhalte aus den USA für jemanden in Deutschland auf einer Plattform gar nicht mehr angezeigt werden. In Österreich aber schon.
Nationale Gesetze für internationale Probleme.
Die Plattformen müssten also so genannte Upload Filter einrichten, die die Inhalte überprüfen.
Diese gibt es bereits. Beispielsweise unterhält Google einen solchen Filter. Aber auch Facebook filtert den Upload von Videos, vor allem wenn im Hintergrund geschützte Musik von großen Unternehmen wie Sony oder Warner zu hören ist.
Doch diese Praxis würde zwangsläufig weit ausufern.
Denn logischerweise würden die Social Media Plattformen diese Filter hart anziehen. Um auf Nummer Sicher zu gehen. Die Blockierung von Screenshots aus Filmen, Memes, Produktfotos und vieles mehr wäre die Folge.
Artikel 11: Linksteuer
Der zweite Punkt, der für Sprengstoff sorgt, ist der Artikel 11 der Richtlinie.
Dieser soll Verlage schützen. Also beispielsweise Nachrichtenplattformen oder Online Zeitungen. Denn diese möchten in aller Regel Geld für ihre Inhalte haben. Üblicherweise über Abonnements, so genannte Pay Walls.
Verlinkt man einen solchen Artikel aber, so erscheinen zumindest die Überschrift und häufig die ersten wenigen Worte des Artikels in den so genannten Snippets. Oder ein Bild aus dem Artikel als Thumbnail.
Nun meint der Rechtsausschuss aber, auch dafür müssten diese Verlage bereits entlohnt werden. Denn es sei ja schließlich auch erstellter Content, auf den die Betreiber ein Urheberrecht hätten.
Dies wurde in Deutschland bereits versucht. Durch das so genannte Leistungsschutzrecht.
Die großen Plattformen wie Google und Facebook haben den Verlagen aber einfach ihr Monopol auf die Brust Gesetzt. Man bietet standardmäßig an nur, wie gesetzlich erzwungen, die reinen Links zu teilen. Dann würden aber weniger Leute auf eben diese Links klicken, die entsprechenden Rechteinhaber hätten weniger Leser. Oder die Verlage verzichten darauf und erlauben den Plattformen nach wie vor die so genannten Snippet.
Dadurch ist das Leistungsschutzrecht sicherlich eines der sinnlosesten Gesetze, das an den tatsächlichen Realitäten vorbei entschlossen wurde.
Harte Auswirkungen für das Dampfen
Gerade eine Grassroot Bewegung wie das Dampfen könnte von einer solchen Regelung stark getroffen und eingeschränkt werden.
Denn nicht nur Informationen über die neusten Produkte, Wickelanleitungen oder Tipps zum Umstieg wurden und werden über das Netz geteilt. Viele der umgesetzten Technologien sind überhaupt erst durch den Austausch im Netz entstanden.
Diese so wichtige peer-to-peer Kommunikation einer über 95% risikoärmeren Möglichkeit (Public Health England) die Tabaksucht zu überwinden würde enorm eingeschränkt.
Um ein Bewusstsein zu schaffen, einige Stichpunkte, was im Bereich der E-Zigarette passieren könnte:
- Fotos von Produkten werden blockiert, da nicht klar ist, ob die Rechte daran dem jeweiligen Uploader oder einer Handels- oder Produktionsfirma gehören.
- Live Streams werden unterbunden, da die Plattformen wie YouTube und Twitch nicht ausschließen können, dass in der Live Sendung Verletzungen des Urheberrechts begangen werden.
- Videos mit Hintergrundmusik werden blockiert, bis der Uploader nachweisen konnte, dass die Musik frei zur Verwendung ist.
- Dampfer Foren müssten mit Abmahnungen rechnen, wenn sie nicht mit den Uploader in „Verhandlungen“ treten und sicherstellen, dass nur Daten hochgeladen werden, deren Rechte der jeweiligen Uploader hält. Und ebenfalls solche Upload Filter einsetzen.
- Verlinkungen von Artikeln wie vapers.guru, eGarage oder Dampfermagazin könnten unterbunden werden oder nur noch als reine Internetadresse (URL) erscheinen.
- Instagram wäre de facto tot.
- Vape News aus Großbritannien oder USA wären auf Social Media Plattformen in EU Mitgliedsstaaten nicht mehr aufrufbar.
Es ist also sicher keine Übertreibung zu sagen, es geht um nichts weniger als das Internet wie wir es heute kennen.
Drei bemerkenswerte Umstände
Drei Umstände machen diese Vorgänge sehr makaber.
Zum ersten wurde der Entwurf eingereicht von dem EU Abgeordneten der CDU Axel Voss. Das alleine ist bereits bemerkenswert. Denn der Koalitionsvertrag der CDU mit der SPD lehnt so genannte Upload Filter als „unverhältnismäßig“ ab. Auch Grüne und FDP haben sich dagegen ausgesprochen.
Es scheint also so, dass hier über die EU Ebene nun etwas durchgedrückt werden soll, was auf Bundesebene keine Mehrheit gefunden hat.
Das zweit ist, dass der einbringende Axel Voss eigentlich gar nichts mit dem Internet zu tun hat. Er sitzt zwar im Rechtsausschuss der EU, die für solche Fragen eigentlich einen extra geschaffenen Kommissar für Digitalisierung unterhält. Voss selber ist aber Jurist, vor allem für Europa- und Völkerrecht.
Man muss also davon ausgehen, dass hier ausschließlich die Rechteinhaber großer Unternehmen geschützt werden sollen. Wie die oben erwähnten Verlage, aber auch große Musik- und Filmunternehmen. Und dafür an den Machbarkeiten und den Realitäten des Internets vorbei etwas durchgedrückt werden soll.
Überflüssig zu erwähnen, dass offenbar überhaupt nicht über den Sinn und Zweck des Urheberrechts nachgedacht wurde.
Denn wie bereits erläutert sind es nicht mehr nur große Firmen oder professionelle Kreative, die Content schaffen. Sondern Millionen von Nutzern produzieren täglich Neues. Diese eigentliche Umwälzung des digitalen Zeitalters hat offenbar im konservativen Weltbild keinen Platz.
Verantwortung wird abgewälzt
Das eigentlich Erschreckende ist jedoch, dass die Regierung mit diesem Gesetz einen gefährlichen Weg weiter geht.
Denn eigentlich obliegt es dem Staat, das Recht jedes einzelnen Bürgers zu schützen. Und somit auch dafür zu sorgen, dass dieser sein Recht schnell, problemlos und ohne Kostenaufwand einfordern kann.
Das würde also bedeuten, dass auch jeder kleine Fotograf eine Urheberrechtsverletzung sehr schnell unterbinden könnte.
Dies findet so aber nicht statt. Denn die juristische Vorstellung ist im alten Weltbild stehen geblieben.
Der kleine Fotograf müsste dazu Klage erheben, was ohne Anwalt kaum zu bewerkstelligen ist. Er müsste sich in Deutschland einige Jahre Zeit nehmen, einige tausend Euro investieren und könnte nicht einmal sicher sein, dass er am Ende zwar Recht bekommt, dafür aber dann nicht dennoch draufzahlt.
Statt das aber neu zu überdenken und in das digitale Zeitalter zu übersetzen, sind die Regierungen bemüht, diese Verantwortung einfach auf private Unternehmen abzuwälzen.
Dass damit dem deutschen Abmahnwahnsinn Tür und Tor geöffnet wird schein weniger zu interessieren. Und das damit eine Technologiebremse eingelegt wird, scheint bei den Konservativen kaum jemand zu verstehen.
Solange der Ball rollt
Bemerkenswert ist auch, dass zwar schon mindestens seit zwei Jahren an dieser Richtlinie gearbeitet wird. Sie aber nun in Windeseile durchgedrückt werden soll.
Dass dies während der Fußball Weltmeisterschaft geschieht legt die Vermutung nahe, dass die geringere öffentliche und mediale Aufmerksamkeit durch anderes gebunden ist.
Es hat ein G’schmäckle.
Der Entwurf wurde erst am 12 Juni, also am vergangenen Dienstag, vorgelegt. Gestern ging er durch den so wichtigen Rechtsausschuss. Das war so ungewöhnlich schnell, das bis heute nicht einmal die üblichen Übersetzungen des Textes der Richtlinie vorliegen.
Dem Parlament soll die Richtlinie bereits zum Beginn des kommenden Monats, voraussichtlich am 3. oder 4. Juli, zum Entscheid vorgelegt werden.
Nach der Verabschiedung durch das EU Parlament müsste diese Richtlinie offiziell an die Mitgliedsstaaten gehen. Die hätten dann bis zu einer gewissen Frist Zeit, diese in einem nationalen Gesetz umzusetzen. Auch für eine solche Frist war im Entwurf offenbar keine Zeit mehr.
Es ist zwei Minuten vor zwölf
In der Bundesrepublik müsste dann ein Gesetzesentwurf ausgearbeitet und dem Parlament vorgelegt werden. Nach einer so genannten ersten Lesung würde das dann an die zuständigen Ausschüsse überwiesen werden. Also mindestens dem deutschen Rechtsausschuss, eventuell auch dem Wirtschaftsausschuss.
Anschließend käme es erneut vor das Parlament und könnte dort in einer zweiten Lesung bereits beschlossen werden.
Danach müsste es dem Bundesrat, der so genannten Länderkammer, vorgelegt werden.
Doch selbst wenn in Deutschland dann viele dagegen sein sollten, wäre eine Ablehnung an diesem Punkt eher unwahrscheinlich. Denn die Abwägung wäre dann nicht mehr nur, ob das Gesetz so Sinn macht. Sondern ob man sich wegen dem Gesetz gegen die Europapolitik stellen möchte.
Der beste Zeitpunkt, dieses hanebüchene Possenspiel noch abwenden zu können, ist also jetzt. Vor der Umsetzung im EU Parlament. Noch dazu, wo demnächst wieder Wahlen sein werden.
Deshalb unterstützt vapers.guru, bei aller sonstigen Skepsis gegen Petitionen, die Petition die von savetheinternet.info auf change.org gestartet wurde.
Das ist sicherlich nicht optimal, denn man hätte eine solche Petition auch auf dem entsprechenden Portal der EU direkt starten können.
Aber seit gestern haben auf change.org bereits über 300.000 Menschen unterzeichnet.
Die Petition findet Ihr unter
Stoppt die Zensurmaschine – Rettet das Internet!
Weitere wichtige Links und Informationen findet Ihr unter diesem Artikel.
Jeder wird betroffen sein
Auch wenn sicherlich einige nicht verstehen, was dort genau geschieht und was das für Auswirkungen haben könnte. Die allermeisten nutzen das Internet täglich. Und nutzen die Social Media Plattformen. Auch sie wären dadurch betroffen. Denn es betrifft jeden Nutzer.
Welche Folgen das für das Dampfen haben könnte, ist noch gar nicht absehbar.
Deshalb auch an dieser Stelle der dringende Aufruf:
Informiert Euch. Macht mit. Sprecht mit Eurem EU Abgeordneten. Unterzeichnet die Petition.
Teilt diesen Artikel.
So lange es noch geht.
Petition auf change.org: https://www.change.org/p/stoppt-die-zensurmaschine-rettet-das-internet-uploadfilter
savetheinternet.org (mit Video): https://savetheinternet.info/de_DE
Bericht der Tagesschau (mit RA Solmeke im Video): http://www.tagesschau.de/inland/faq-urheberrechtsreform-101.html
Artikel auf heise.de: https://www.heise.de/newsticker/meldung/EU-Copyright-Reform-Abgeordnete-stimmen-fuer-Upload-Filter-und-Leistungsschutzrecht-4087028.html
Joey Hoffmann
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