Alle Tabakkonzerne haben inzwischen die E-Zigarette auf dem Radar. Am weitesten in seinen Ankündigungen geht dabei der Macher der Marlboro. Er will die konventionelle Zigarette aufgeben.
Es ist Zeit, sich das einmal genauer anzuschauen.
Der Weltmarkt der Zigaretten ist unter fünf großen Konzernen aufgeteilt.
An der Spitze und gleichzeitig Abseits steht China National Tobacco, der staatliche Konzern der Volksrepublik. Nach vorsichtigen Schätzungen generiert er etwa das Dreifache dessen, was der nächste in der Rangfolge an Umsätzen beziffern kann.
Japan Tobacco ist auch im Bereich der Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie aktiv. Die Produzenten von u.a. Camel und Winston setzen bei der Harm Reduction vor allem auf ihre Produkte der Marke Ploom, die in Europa derzeit keine relevante Rolle spielt.
Recht bekannt ist hingegen British American Tobacco. Die Macher von Lucky Strike und Pall Mall sind auch im Dampf unterwegs. Sie stehen u.a. hinter den Produkten der Marke Vype, die in Europa vor allem in Großbritannien erfolgreich ist.
Anfang Oktober wurde bekannt, dass BAT die größte deutsche Ladenkette für E-Zigaretten Highendsmoke übernommen hat.
Im Dampferbereich bekannt geworden ist auch Imperial Tobacco, ein Unternehmen des Konzerns Imperial Brands. Zu dem gehört auch der deutsche Hersteller Reemtsma. (Gauloises, West, Stuyvesant)
Bekannt geworden ist der Konzern deshalb, weil die Tochter Fontem Ventures im Juli 2017 den österreichischen Hersteller Von Erl übernommen hat.
Das erfolgreiche Produkt My wurde inzwischen dem bestehenden aber zuvor eher erfolglosen Branding blu einverleibt.
Steht man vor dem Zigarettenregal eines Kiosk, kommen wahrscheinlich knapp 100% der dort aufgereihten Produkte von diesen Konzernen.
Philip Morris International
Der Spitzenreiter unter den privatwirtschaftlichen Konzernen ist Philip Morris International, der Hersteller von Marlboro.
Doch da wird es wieder etwas komplizierter. Wie bei den meisten Verflechtungen von Konzernen in dieser Größenordnung.
PMI hat sich im März 2008 aus dem Mutterkonzern Altria gelöst. Zu dem gehört auch Philip Morris USA, die weiterhin die Marke Marlboro in den USA vertreiben.
Rechtlich sind das also verschiedene Firmen. Doch man darf davon ausgehen, dass diese ihr Vorgehen natürlich aufeinander abstimmen.
Philip Morris International wird mit mehr als 82.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von etwa 80 Milliarden Dollar (2014) bewertet.
Das entspricht etwa so viel wie der derzeitige Bundehaushalt für die Bereiche Verteidigung, Verkehr und Gesundheit zusammen vorsieht.
IQOS von PMI
Der Chef von PMI, Andre Calantzopoulos, sorgte im November 2016 für einen Paukenschlag.
In einem Radio Interview mit der BBC räumte er ein, dass Philip Morris International sich aus dem Geschäft mit verbrennbaren Tabak langsam zurückziehen wolle. („phase out“)
Er halte die E-Zigarette für den besten Weg, den verbrennbaren Tabak für ein Geschäft ohne langfristige Aussichten.
Seit mindestens 2008 forscht der Konzern in dieser Richtung.
Herausgekommen ist dabei die Marke IQOS.
Entgegen vieler Missverständnisse ist IQOS kein Produkt, sondern eine Marke.
Wie man an der folgenden Entwicklung sehen kann, wurde dies wohl recht absichtlich nicht deutlich von dem Tabakmulti kommuniziert.
Denn die Konzerne kämpfen weniger gegen die anderen Hersteller von E-Zigaretten. Sondern um Marktanteile untereinander.
IQOS steht für „I Quit Ordinary Smoking“. („Ich habe das normale Rauchen aufgegeben“)
Am bekanntesten ist sicher der Tabakerhitzer, der inzwischen großflächig beworben wurde.
In deutschen Großstädten wurden IQOS Stores eröffnet, die im Ambiente von steril-hippen Apple Stores in bester Lage das Produkt an den Raucher bringen sollen.
Zu erwähnen wären hier vielleicht der Standort München, genau gegenüber des Rathauses, oder die Kölner Schildergasse.
Dieses Vorgehen sorgte vor allem in den Medien zu Spekulationen. Der Sinn dahinter wird nun erst langsam deutlich.
Inzwischen ist auch eine E-Zigarette unter dem Branding IQOS in Großbritannien auf dem Testmarkt.
Forschung und Entwicklung
Zum Marktstart des IQOS Tabakerhitzers 2014 gab PMI an, drei Milliarden in die Entwicklung gesteckt zu haben. Inzwischen ist die Investition auf 4,5 Milliarden angewachsen.
Diese Angaben sind nachvollziehbarer, wenn man sich veranschaulicht, was dahinter steht. Denn es geht dabei um weit mehr als nur die Entwicklung dieses einen Produktes.
Es kann nur spekuliert werden, ob die Trennung vom Mutterkonzern Altria genau aus diesem Grund erfolgte.
Doch bereits im Jahr 2009 wurde unter dem Dach von Philip Morris Science ein Forschungszentrum für rauchfreie Produkte geschaffen, für 120 Millionen Dollar. Dieses residiert im so genannten Cube im malerisch gelegenen Neuchâtel in der Schweiz.
Im Jahr darauf kam ein weiteres Forschungslabor in Singapur hinzu.
Weitere 500 Millionen wurden 2014 in ein Werk zur Herstellung im italienischen Bologna gesteckt. Dort werden die meisten Heets hergestellt.
Die Forschung, die geleistet wird, ist mit Maßstäben der E-Zigarette Branche ganz einfach nicht vorstellbar.
So wurde jede einzelne Entwicklung und Zwischenentwicklung durch genaue Analysen gejagt. Sogar durch klinische Studien.
Bei der inzwischen erschienenen E-Zigarette IQOS Mesh wurde untersucht, wie lange bei welcher Temperatur der Geschmack anhält und ab welchem Füllstand er abfällt. Bei dem IQOS Tabakerhitzer die genaue Schadstoffbelastung und sogar das Krebsrisiko.
Die Produkte zeigen auch sehr deutlich, wie sehr darauf geachtet wurde, Raucher abholen zu können. Nicht nur durch die Anpassung der sensorischen Wahrnehmung. Sondern auch durch das Handling.
Mit einem Produkt gegen die Zigarette
Durch die Kommunikation von Philip Morris International ist in der Öffentlichkeit höchstens der Eindruck entstanden, hier würde ein singuläres Produkt auf den Markt geworfen. Um das wachsende Bewusstsein, die Umsatzrückgänge und den stärker werdenden Gegenwind der Politik abzufangen.
Doch bei aller gebotenen und berechtigten Skepsis ist dieser Eindruck falsch.
Er ist sicher auch darin zu suchen, dass Medienveröffentlichungen sich eher mit eventuellen Risiken beschäftigt haben. Oder die Verfasser der entsprechenden Beiträge – wie auch bei der herkömmlichen E-Zigarette – voreingenommen waren und einen moralischen Abstinenzgedanken vertreten haben.
Erhält man tiefere Einblicke, so stützen diese doch eher das Bild der Aussagen des CEO Calantzopoulos 2016.
Anlässlich eines Gesprächs in Neuchâtel beschrieb der Head of Regional Scientific Engagement Rui Minhos das Vorgehen lapidar mit „Wir kannibalisieren unsere eigenen Produkte“.
Beispielsweise verzichtet PMI seit 2017 komplett auf Werbung für Marlboro.
Sowohl Außenwerbung wie auch Kinowerbung, die auch weiterhin in Deutschland erlaubt sind.
Alleine in der Schweiz beschäftigt PMI inzwischen 300 Wissenschaftler und 130 Ingenieure, die an weiteren Produkten arbeiten.
In diesem Monat sollen zwei Nachfolgeprodukte des Tabakerhitzers IQOS in Deutschland vorgestellt werden.
Zusätzlich arbeitet PMI derzeit an einem Hybriden: Eine E-Zigarette, welche die Hitze durch einen Karbon Aufsatz entwickelt, der tatsächlich wie eine Tabak Zigarette angezündet werden muss.
Ob und wann dieser jedoch das Licht der Öffentlichkeit sehen wird steht noch in den Sternen.
Erfolg schwer zu beurteilen
Im vergangenen Jahr verkündete die Deutschland-Chefin von PMI Stacey Kennedy ein neues Werk in Dresden bauen zu wollen. In der Nähe des Flughafens sollten 500 Arbeitsplätze entstehen.
Ende Juli dieses Jahres wurde dann zurückgerudert, das Werk würde „erst einmal“ nicht gebaut.
Das nahmen dann andere Stakeholder zum Anlass, die ganze Strategie von Philip Morris für gescheitert zu erklären. Einige „Dampfer-Medien“ ließen sich dazu hinreißen, sich dem anzuschließen.
Woher der Wind weht lässt sich am ehesten bemessen, wenn man auf der Seite von BAT liest, man befinde sich in der „dynamischsten Phase des Wandels, die es jemals in der Tabak- und Nikotinindustrie gegeben hat“. BAT habe den Anspruch, den Wandel anzuführen.
Der Konkurrent Reemtsma ließ verlauten, die „markige PR-Botschaft des Marktführers“ sei wohl nicht richtig. Und der Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbandes Jan Mücke sieht nur einen „recht überschaubaren Erfolg“ der IQOS. PMI ist kein Mitglied des Deutschen Zigarettenverbandes.
Es ist schwer die Unternehmensstruktur hinter Philip Morris überschauen zu können. Exponentiell schwieriger ist es, eine solche Entscheidung von außen beurteilen zu können.
Es geht nicht nur darum, ob das Unternehmen einen weiteren Erfolg für möglich hält. Es geht um Steuern, Logistik, Investitionen und Planungen. Es geht um Strategie.
Das Werk in Dresden sollte eine Kapazität von 30 Milliarden pro Jahr haben. Das derzeit größte Werk in Bologna hat eine Kapazität von ca. 100 Milliarden.
Auch in einem kleinen Werk in Neuchâtel werden Heets produziert. Das Werk liegt gleich neben dem Forschungszentrum, dem Würfel. Direkt am Neuenburger See, mit einem kleinen, für die Öffentlichkeit zugänglichen von PMI gestifteten Freibad.
Dort wird jedoch vornehmlich für den japanischen Markt produziert. Denn da hat die IQOS bereits 15,5% des Rauchermarktes übernommen. Was etwa dem weltweiten Marktanteil der Marke Marlboro entspricht.
Das Argument in Japan seien nikotinhaltige E-Zigaretten verboten verfängt hier demnach nicht.
Denn es geht um die prozentualen Anteile am Rauchermarkt.
Gegen die E-Zigarette oder gegen die anderen?
Die fünf Konzerne des Big T streiten weniger gegen die E-Zigarette. Sie streiten untereinander um Marktanteile.
Und das war sicherlich der Hauptgrund, so radikal auf neue Technologien und Harm Reduction zu setzen. Bevor andere entsprechend reagieren konnten.
Raucher haben je nach Umfrage zu etwa 90% eine lebenslange Markentreue.
Philip Morris hat diese „dynamischsten Phase des Wandels“ erkannt, um Raucher beim Umstieg auf den Dampf abzuholen und an seine Produkte zu binden. Und damit anderen wegzunehmen.
Mit dem Wechsel auf andere Formen der Nikotin Inhalation wird diese Markentreue aufgelöst. Es findet ein neuer Verteilungskampf statt.
Und mit diesem Gedanken wird die angekündigte Abwendung vom verbrennbaren Tabak ein gutes Stück glaubwürdiger.
Dass dies auch eine Harm Reduction zur Folge hat, ist eher einer Marktentwicklung geschuldet.
Nur wer naiv ist, würde dem Konzern unterstellen Gesundheitspolitik zu betreiben. Oder gar die Menschheit retten zu wollen. PMI hat sich selber nie derart geäußert.
Diese „dynamische Phase“ wird uns noch einige Jahre beschäftigen.
Denn das Rennen wurde gerade erst gestartet.
Dieser Artikel ist Teil eines Themenschwerpunktes zur IQOS.
Mit Erscheinen weiterer Artikel wird dieser editiert und die Artikel werden hier verlinkt.
Teil 1: Philip Morris, der Dampf und die Harm Reduction
Teil 2: Der IQOS Tabakerhitzer (Review)
Teil 3: Die IQOS Mesh (Review)
Zoff um das Werk in Dresden: https://www.sz-online.de/sachsen/zoff-unter-zigarettenfabrikanten-3982528.html
Joey Hoffmann
Neueste Artikel von Joey Hoffmann (alle ansehen)
- Razzia: 11 von 15 Verkaufsstellen mit illegaler Ware - 23. Februar 2023
- Aromenverbot: Politiker schmeißen alles durcheinander - 16. Februar 2023
- VAPERS.GURU vor dem Aus? - 8. Februar 2023