Im November haben die Hersteller von E-Zigaretten im Streit um die Aromen in den USA eingelenkt. Das wurde und wird in weiten Teilen als Angriff von Big Tobacco umgedeutet.
Diese Umdeutung ist für mich nicht nur unverständlich. Sie hat mich zu Teilen auch enttäuscht.
In den USA gibt es einen Shit-Storm gegen die E-Zigarette. Das ist nicht erst seit gestern so.
Zunächst begann es mit der so genannten Deeming Rule zur Mitte 2016.
Im Kern sollten alle Hersteller von E-Zigaretten und Liquids Zulassungsverfahren der Food an Drug Administration (FDA), die für die Zulassung aller Tabakprodukte, Lebensmittel und Medikamente zuständig ist, durchlaufen.
Allerdings gab es gar keine festgelegten Qualitäten, nach denen ein Produkt hätte zugelassen oder abgelehnt werden können. Zudem wären diese Zulassungen bzw. die nötigen Tests so kostenaufwändig gewesen, dass nach Schätzungen von Wirtschaftsfachleuten 99% der Firmen vom Markt gefegt worden wären.
Die Ära Gottlieb
Unter dem neuen Präsidenten Trump wurde dann der neue Leiter der FDA bestimmt, so wie das turnusmäßig üblich ist.
Der neue Chef wurde Dr. Scott Gottlieb, selber Arzt und Krebsüberlebender.
Und der sorgte in seiner Antrittsrede für eine kleine Sensation.
Er stellte unmissverständlich klar, dass nicht das Nikotin Menschen tötet. Sondern der Rauch. Also die Verbrennung von Tabak.
Darüber hinaus sagte er, dass die E-Zigarette eine wirkungsvolle Alternative für erwachsene Raucher wäre.
Die Deeming Rule setzte er mit sofortiger Wirkung aus.
Inzwischen wurde Gottlieb offenbar von der Realpolitik eingeholt.
Da den starken und organisierten Gesundheits- und Moralaposteln in den USA wenig Argumentationsfläche blieb, wurde inzwischen auf die Aromen umgeschwenkt.
Die Aromen seien schuld, dass Kinder zur E-Zigarette greifen. Und anschließend Tabak rauchen würden.
Umkehr der Beweislast
Am 12. September sorgte Gottlieb dann für eine weitere Sensation.
In einem Interview zur besten Sendezeit gab er bekannt, dass der FDA inzwischen neue Zahlen zum Konsum von E-Zigaretten vorliegen.
Es gäbe eine „Epidemie“ unter Jugendlichen. Es gab sogar die inzwischen oft wiederholte Floskel von einer Generation von Nikotinsüchtigen.
Maßgeblich dafür verantwortlich seien die Pod Systeme. Also kleine, preiswerte Systeme, die in den USA in jedem Supermarkt zu kaufen seien.
Allen vorweg der Marktführer Juul, der es in der Gemeinsprache bereits zum Verb „juuling“ geschafft hatte.
Deshalb arbeite die FDA an einem Maßnahmenkatalog, so Gottlieb.
Unter anderem seien die fünf größten Hersteller von E-Zigaretten dazu aufgefordert worden darzulegen, wie sie den Verkauf an Minderjährige zu unterbinden gedenken.
Das ist eine Umkehr der Beweislast.
Nicht nur, dass es in den USA bereits ein bundesweites Verbot für die Abgabe an Jugendliche gibt.
Man stelle sich das einmal für andere Produkte vor. Beispielsweise dass die Brauerei Anheuser Busch aufgefordert würde darzulegen, wie sie gedenke den Verkauf ihrer Produkte an Jugendliche zu unterbinden.
Angefangen von der inzwischen widerlegten Epidemie über völligen Verdrehung der Gefahren bis zur Umkehr der Beweislast dürfte jedem halbwegs rational denkenden Menschen klar sein, dass da ganz große Ziegenpisse abläuft.
Angriff auf die E-Zigarette
Am 25. Oktober lenkte dann als erstes der Konzern Altria ein.
Er gab öffentlich bekannt, dass er Produkte der Marke MarkTen vom Markt nehmen würde.
In einem Gedankengang, der sich mir bis heute verschließt, haben einige Leute das dann umgedeutet zu einem Angriff von Big Tobacco auf die E-Zigarette.
Diese Argumentation wurde mir inzwischen von verschiedenen Seiten vorgetragen.
Maßgeblich dazu beigetragen haben dürfte aber der bekannte und von mir geschätzte Prof. Dr. Bernd Mayer, der dazu am darauffolgenden Tag ein Video auf YouTube online stellte.
In diesem Video argumentiert er, Altria würde damit den Verkauf der IQOS ankurbeln und die E-Zigarette – so wörtlich – „attackieren“. Es sei sogar eine „offensichtliche und inakzeptable Attacke“.
Fehler in der Kausalkette
So sehr wie ich Bernd Mayer zu schätzen weiß, so muss ich doch die gleiche Faktentreue und emotionale Neutralität von ihm erwarten, wie von jedem anderen auch.
Noch dazu, wo ihm bewusst ist, dass seine Aussagen bei Konsumenten weit rezipiert und häufig wenig hinterfragt werden.
Ich habe ihm dies auch zuvor bereits in einer persönlichen Nachricht mittgeteilt.
Da dies privat war, werde ich mich dazu auch nicht weiter äußern
Zunächst reduziert er den stattfindenden Konflikt auf „Juul vs Philip Morris (iQOS)“. So der Titel des Videos.
Dass jedoch auch die anderen Hersteller aufgefordert wurden, ignoriert er in seiner Argumentation völlig.
Als nächstes argumentiert er, alle Aromastoffe sollen verboten werden. Das ist schlicht falsch.
Zwar sprechen die amerikanischen Medien und die Behörden immer verkürzt von „flavoured“, also aromatisiert. Gemeint sind jedoch lediglich Frucht und Candy Aromen.
Tabak, Minze und Mint Aromen standen nie zur Debatte.
Altria ist nicht Philip Morris
Als nächstes legt Prof. Dr. Mayer dar, dass der Altria Konzern Philip Morris sei.
Auch das ist, so Leid es mir tut, falsch.
Altria ist ein Mutterkonzern, dem u.a. auch Teile der InBev Brauerei gehört haben.
Dazu gehörte auch Philip Morris.
Inzwischen hat sich Philip Morris jedoch aus dem Konzern gelöst. Deshalb gibt es inzwischen Philip Morris International.
Im Konzern Altria verblieben ist lediglich das Unternehmen Philip Morris USA, dass in den USA auch weiterhin u.a. die Marlboro Produkte vertreibt.
Bernd Mayer vermutet daraufhin „naheliegend“, dass dies eine „scheinheilige Aktion von Philip Morris war“. Damit würde Altria andere Unternehmen zwingen, ihre Produkte vom Markt zu nehmen. Übrig bliebe dann nur der Tabakerhitzer IQOS.
Zugunsten von IQOS
Diese Schlussfolgerung entzieht sich mir dann völlig.
Natürlich ist das ein strategisches Vorgehen von Altria.
Wie eine Ratte in der Falle nagt sich Altria ein kleines, krankes, drittes Bein ab um den Rest am Leben zu erhalten. Und setzt damit andere unter Druck, bei denen das Bein größer ist. Oder wie bei Juul das einzige Bein. Ich hätte es als Manager nicht besser machen können.
Aber ist das dann gleichzeitig gegen „die E-Zigarette“?
Zunächst ist Philip Morris International Hersteller des IQOS. Weder Altria noch Philip Morris USA.
Zwar gibt es Bestrebungen, dass Philip Morris USA auch die IQOS in den USA vertreiben soll. Aber diese ist noch nicht einmal dort zugelassen, geschweige denn auf dem Markt.
Hinzu kommt, dass Philip Morris auch an anderen Geräten zur Harm Reduction arbeitet. IQOS ist also nicht nur der Tabakerhitzer, von dem inzwischen die dritte Version in Deutschland erscheint und ein neues Gerät im Zulauf ist. Sondern auch eine klassische E-Zigarette, die mit sehr vielen Frucht Aromen in Großbritannien bereits auf dem Testmarkt ist.
Deshalb habe ich Philip Morris dazu um eine offizielle Stellungnahme gebeten. (PMG ist die vertretende Philip Morris GmbH in Deutschland.)
„Die Entscheidung zur Marktrücknahme ist eine alleinige Entscheidung des Unternehmens Altria.
Die Philip Morris GmbH (PMG) als Teil von Philip Morris International (PMI) ist seit dem Spin-Off von Altria im Jahr 2008 in keiner Weise mit Altria verbunden, sondern agiert vollkommen unabhängig.
Die Entscheidungen Altrias zur Marktrücknahme bestimmter E-Zigaretten in den USA wurden zu keinem Zeitpunkt mit PMG abgestimmt. Ferner hatte PMG vorab keinerlei Kenntnis von diesem geplanten Schritt und hat davon aus Medienberichten erfahren.
Die Entscheidung Altrias steht damit nicht in Zusammenhang mit den Vermarktungsaktivitäten von risikoreduzierten Produkten wie IQOS von PMG.“
Gegen die E-Zigarette
Im Weiteren präsentiert Mayer noch einige Positionen von Altria. Beispielsweise das Frucht und Candy Aromen verboten werden sollten.
Dabei ist jedoch nicht wirklich klar, von wem diese Positionen stammen. Denn kommentieren tut er sie mit den Positionen der FDA.
Eine Recherche im Netz hat auch keine derartigen Aussagen ergeben.
Solche Aussagen gibt es, jedoch nicht von Altria. Geschweige denn vom IQOS Produzenten Philip Morris International.
Im Gegenteil, bis heute bestätigt Altria auf seiner Homepage, dass der Konzern Aromen für den Umstieg wichtig findet.
Im letzten Teil des Videos revidiert („adaptiert“) Mayer seine Einschätzung zur IQOS.
Was ich mindestens aus dem Grunde als theatralisch empfinde, als dass seine adaptierte Einschätzung sich sehr genau mit meiner positiven Einschätzung deckt.
Die für mich negativen Eigenschaften des IQOS Tabakerhitzers habe ich klar benannt und war dabei sogar kritischer.
Nachspiel
Seit den ersten Reaktionen und dem Video von Prof. Dr. Mayer hat sich nun einiges getan.
Unter anderem haben inzwischen alle angeschriebenen großen fünf Hersteller von E-Zigaretten eingelenkt.
Am weitesten ging der Hersteller und Marktführer Juul Labs, der durch seinen CEO Kevin Burns verkünden ließ, dass sie Gottlieb für die Führung danken und Cany Flavours gezielt an Jugendliche adressieren.
Wirtschaft ist Krieg. Und im Krieg ist alles erlaubt, auch Arschkriecherei.
Inzwischen hat die FDA auch verkündet, den Verkauf von aromatisierten Pod Systemen in Supermärkten in den USA verbieten zu wollen.
Im Übrigen sollen im gleichen Zug auch die in den USA sehr beliebten Menthol Zigaretten verboten werden.
Und als Sahnehäubchen obendrauf hat das Wall Street Journal inzwischen verkündet, dass Juul in Gesprächen mit Altria wegen einer Beteiligung ist.
Nichts wird so heiß gegessen…
Es geht nicht um einen Angriff auf „die E-Zigarette“.
Es geht um einen Staat, der versucht mit einem realen oder eingebildeten Problem umzugehen.
Und das läuft unbestreitbar vorbildlich scheiße.
Aber in der Argumentation wird da etwas offenbar von einigen Leuten umgeleitet. Psychologisch spricht man von einer Projektion.
Der Begriff des Wutdampfers liegt mir auf der Tastatur, ich mag ihn aus Respekt vor Bernd Mayer nicht verwenden.
Denn es wird völlig ignoriert, dass die FDA von heute auf morgen jeden Vape Shop dicht machen kann. Und plötzlich sind die Konzerne Schuld, nur weil sie einlenken.
Da muss die Frage erlaubt sein, was die denn sonst hätten machen sollen. Oder was einige sonst für Reaktionen erwartet haben.
Es geht eben nur um diesen Staat. Noch dazu geht es nur um geschlossene Systeme. Die offenen Systeme standen nie zur Debatte. Das hat Gottlieb jüngst in einem Gespräch mit der Washington Post bekräftigt.
Hinzu kommt, dass es um den offenen Verkauf in „convenience stores“ geht. Also um Supermärkte und Tankstellen. Und es geht nur um bestimmte Aromen.
Es ist natürlich scheiße für die Umsteiger und die Zuwachsraten, aber Dampfer bekommen nach wie vor alles was sie haben wollen.
(Was das an Marktanteilen ausmacht, kann man an der Grafik oben ermessen.)
Auch die Gefahr, dass dies auf Europa überschwappen kann, vermag ich nicht zu sehen.
Nicht in dieser Form. Nicht so direkt.
Wir haben Regulierungen. Wir haben keine Institution, die mal eben so alles verbieten kann wie die FDA. Und letztendlich haben wir keine starke und moralinsaure Abstinenzbewegung wie in den USA.
Eigentlich sind die Regulierungen hier bereits weit strenger als in den USA. Selbst mit dieser Regulation durch die FDA.
Ich bin auch nicht naiv. Wie ich mehrfach gesagt habe halte ich es für möglich, dass die großen Konzerne auf Pod Systeme setzen und deshalb irgendwann die offenen Systeme angreifen.
Aber an diesem Punkt der Marktentwicklung sind wir noch lange nicht.
Vielleicht ist Egozentrik und Emotionalität in der Erregungsbereitschaft der Informationsgesellschaft nicht immer das Beste.
Es geht mir nicht darum, irgendjemanden anzugreifen. Genauso wenig wie es mir darum geht, jemanden in Schutz zu nehmen.
Aber was Recht ist muss auch Recht bleiben. Hat Omma immer gesagt.
Das Video von Prof. Dr. Bernd Mayer: https://youtu.be/h_OPrG8034Y
WHO will E-Zigarette verbieten lassen: https://www.vapers.guru/2018/10/05/who-fordert-verbot-von-e-zigaretten/
Joey Hoffmann
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