Seit Sonntag geistert wieder eine Meldung durch die Medien: Eine Studie hat Exkremente und Pestizide in Liquids nachgewiesen.
Ein wundervolles Beispiel für die Funktionsweise der Presse.
Großbritannien gilt als Vorreiter in Sachen Harm Reduction und E-Zigaretten.
Im Commonwealth Mitglied Australien ticken die Uhren hingegen genau anders herum. Dort gibt es einen großen Streit, Hardliner in der Regierung und der Verkauf von nikotinhaltigen Liquids ist verboten.
Am Sonntag wurde nun im Fachmagazin The Medical Journal of Australia ein Research Letter, also ein Forschungs Papier, veröffentlicht. Und damit geht es bereits los.
Das Paper ist hinter einer Paywall verborgen. Die meisten Journalisten werden es also gar nicht selber lesen, sondern untereinander abschreiben.
So wird dieses Paper auch direkt als Studie bezeichnet. Womit impliziert wird, hier wäre große Forschungsarbeit geleistet worden. Obwohl es lediglich eine Analyse in einem Gaschromatographen ist, die mit eineinhalb Seiten auskommt. Tagesgeschäft bei großen Herstellern.
Der politische Zusammenhang ist auch deshalb erwähnenswert, weil diese Analyse durch das Gesundheitsministerium von West Australien und vom staatlichen National Health and Medical Research Council bezahlt wurde.
Für diese Analyse wurden genau zehn nikotinfreie Liquids getestet. Aus den USA, China und aus Australien selber. Hinzu kamen zwei, deren Herkunft die Forscher nicht benennen konnten.
Die Hersteller wurden nicht angegeben.
Da Hersteller in Europa jedoch angegeben werden müssen, sind augenscheinlich keine europäischen Produkte dabei.
„In Australien sind „Vaping“-Geräte und nikotinhaltige „Vaping“-Liquids generell verboten. Das Gesetz ist umstritten, besonders die Tabakindustrie versucht, das Verbot von elektronischen Zigaretten zu kippen.“
rtl.de, 14. Januar 2018
Nikotin in nikotinfreien Liquids
Vor allem bemängeln die Medien nun, dass in den Proben trotz der Angabe Nikotin gefunden wurde.
Das ist leider etwas ungenau. Nur in sechs der zehn Proben wurde Nikotin nachgewiesen.
Die höchste Konzentration belief sich dabei auf 0,29%. Was nach der in Deutschland üblichen Angabe einem Liquid unter 4 mg entsprechen würde.
EDIT: Die zweithöchste Konzentration (0,14%) fand sich in einem Liquid aus Australien, wo nikotinhaltige Liquids verboten sind.
Drei weitere lagen unter einer Konzentration von 0,09%, also unter 1mg.
Im Vergleich liegt die geringste handelsübliche Konzentration in Deutschland bei 3 mg.
Zur Sicherheit schlossen die Forscher einen Hinweis direkt in die Auswertung ein. „Die Tatsache dass Nikotin enthalten war hat entscheidende Auswirkungen auf Abhängigkeit und Gesundheit […]“ („The fact that nicotine was present has important implications for addiction and health […]“)
In Deutschland sind Nikotinpflaster mit über 50mg frei verkäuflich. Es ist weltweit kein Fall einer Nikotinpflasterabhängigkeit dokumentiert.
Pestizide im Liquid
Der eigentliche Aufmacher dieser so genannten Studie ist aber der angebliche Fund von Fäkalien und Pestiziden in den Liquids. Damit titeln die Medienbeiträge natürlich gerne.
Und da wird es tatsächlich spannend, denn die Laboranten geben dankenswerterweise direkt Erklärungen zu den gefundenen Stoffen.
Dabei werden eigentlich nur zwei Stoffe herausgestellt.
2-Chlorphenol wird gemäß Forscher in Insektiziden, Unkrautvernichtern und Desinfektionsmitteln verwendet.
Dass es auch zur Herstellung von Arzneimitteln und bei der Herstellung von Farbstoffen verwendet wird erwähnen sie nicht.
Es ist zwar giftig, aber immerhin weisen sie darauf hin, dass es dafür in Australien gar keine Sicherheitsstandards gibt. Also keine Höchstmengen am Arbeitsplatz oder ähnliches. Es könne für die Atemwege irritierend wirken und zu Hautreizungen führen.
Bei einer Ratte ist die tödliche Dosis mit 40mg angegeben. Die höchste gemessene Konzentration waren 0,47%.
Da ausnahmslos alle Proben diesen Stoff enthielten, liegen andere Erklärungen eindeutig näher. Beispielsweise dass irgendwelche Geräte mit dem Mittel desinfiziert wurden oder ähnliches. Denn das bis zu einem halben Prozent der gleichen Chemikalie aus den USA, Australien und China vorkommt, erscheint zumindest fragwürdig.
Allerdings liefern die Autoren eine mögliche Erklärung gleich mit.
Das in Liquids enthaltene Glycerin ist ein Nebenprodukt der Gewinnung von Bio-Diesel. Dieser wird häufig aus Rapsöl gewonnen. Und darin wurden schon Spuren des Insektizids gefunden.
Was dann aber der Alarmstimmung etwas widerspricht. Denn dann wäre dieses Chlorphenol auch in Rapsöl enthalten, dass tausende Menschen täglich verzehren.
Kot und Urin im Dampf
Der schockierendste Aufmacher ist natürlich der Fund von Fäkalien.
Gefunden wurde 2-amino-octanoic, von dem die Autoren angeben, dass es „gelegentlich“ in Urin und Kot, aber auch im Blut von Säugetieren gefunden wird. Es „könnte“ eine Verunreinigung bei der Produktion hinweisen.
Schockierend sind in diesem Zusammenhang die Mengen.
In einer der Proben unbekannter Herkunft fanden sich über 8% dieser angeblichen Urinreste. Das bedeutet fast ein Zehntel des Liquids soll daraus bestanden haben.
Die zweithöchste Dosierung von knapp 4,44% fand sich in einem Liquid aus Australien selber.
Bei einer Produktion von merheren Litern Liquid pro Mage wirft das zumindest Fragen auf.
Der Begriff 2-amino-octanoic ist im deutschsprachigen Netz schwer zu finden. Die Formel C8H17NO2 hilft da weiter.
Googelt man danach erfährt man, dass der Stoff unter dem Namen Pregabilin als Medikament gegen Angststörungen und Epilepsie verkauft wird. Er ist in Kapseln zu jeweils 75mg erhältlich.
Das zeigt, dass der Stoff keineswegs ausschließlich in Kot und Urin vorkommt.
Die Analyse wurde von einem kommerziellen Labor in Perth durchgeführt.
Namensgebend für die angebliche Studie ist das Telethon Kids Institute der Universität von West Australien, das sich eigentlich mit der Prävention von Kinderkrankheiten beschäftigt.
Unterm Strich
Fasst man also die Meldung der Studie des Nikotin-, Kot- und Pestizid-Fundes in Liquids zusammen, ergibt sich ein überraschendes Bild.
- Ein kommerzielles Labor unter der Federführung eines Instituts für Kinderheilkunde, bezahlt von der E-Zigaretten ablehnenden Regierung.
- Keine Studie, sondern eine Analyse in einem Gaschromatographen.
- Proben von nur zehn Liquids, kein europäisches Produkt dabei. Nicht in allen wurde alles gefunden. Die Herkunft von zwei Liquids ist unbekannt.
- Die höchste Dosierung von Nikotin entspricht der geringsten handelsüblichen Konzentration in Deutschland. In vier Proben wurde nichts gefunden, in weiteren drei unter 0,1 Prozent.
- Die angeblichen Pestizid Rückstände können auch von Desinfektionsmitteln stammen, es gibt dazu keine Sicherheitsstandards. Stammen sie tatsächlich von Pestiziden im Pflanzenöl, nehmen es viele Menschen mit der Nahrung auf.
- Die angeblichen Kot oder Urin Rückstände durch Verunreinigung können auch von Arzneimitteln oder anderen Quellen stammen. Die höchsten Konzentrationen von 8% und 4,44% sind mindestens fragwürdig.
Unnötig zu erwähnen, dass Hersteller in Deutschland Analysen durchführen und so genannte Rücksteller für jede Mage aufheben müssen.
Beitrag auf rtl.de: https://www.rtl.de/cms/e-zigaretten-studie-forscher-finden-in-nikotinfreien-liquids-spuren-von-nikotin-kot-und-pestiziden-4278065.html
Desinformationskampagne aufgerollt: https://www.vapers.guru/2017/09/25/kampagne-desinfomation-blei-im-urin/
Joey Hoffmann
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