Wenn man auf einem reinen Portal für Harm Reduction und E-Zigaretten nicht einmal mehr eine berechtigte Kritik am Design eines Dampfers äußern kann ohne persönlich als Spinner bezeichnet zu werden, sollten wir uns einmal überlegen, wo wir gelandet sind.
Gestern wurde das Review zum Verdampfer Brunhilde von Sebastian Henke auf vapers.guru veröffentlicht. (Link unten)
Der Verdampfer wurde von einer Gruppe von 103 deutschen Dampfern entworfen.
In diesem Review merkt er an, dass das Design des Verdampfers zumindest kontrovers ist und zu Diskussionen führen kann.
Er wollte noch etwas mehr über den Hintergrund erzählen und Bezug zum Nibelungenlied anbringen.
Es ist Zufall, dass ich mich schon seit Jahrzehnten für die deutsche Geschichte und insbesondere das Nibelungenlied interessiere. Deshalb habe ich vorgeschlagen, dass ich dazu eine kurze Information verfasse und die in einer Textbox im Artikel veröffentlicht wird.
Aber die bloße Kritik hat schon ausgereicht, um ein kleines Shitstörmchen zu produzieren.
Nicht nur, dass User auf Facebook anfingen sich gegenseitig mit Argumentum ad homini anzugehen, also gegen die jeweils andere Person zu pöbeln anstatt bei der Sache zu bleiben. Sondern als Höhepunkt wurden wir dann auch noch pauschal als Spinner bezeichnet.
Selbstverständlich wurden die Leute sofort kommentarlos gesperrt.
Dass der Verdampfer hervorragend bewertet und sogar empfohlen wurde, spielte gar keine Rolle mehr.
Vielleicht ist es angebracht, ein paar Grundsätzlichkeiten einmal zu erklären. Damit dieses alberne Thema endlich durch ist.
Die Nibelungen
Der Verdampfer heißt Brunhilde. Damit nimmt er klaren Bezug auf alte, germanische Sagen und Handschriften.
Dass es den Namen Brunhilde eigentlich so gar nicht gibt, ist nur eine kleine Humoreske am Rande.
Die gute Frau heißt nämlich Brünnhild.
Brunhilde (kurz Hilde) findet sich vor allem im rheinischen Dialekt. Wir sagen nämlich auch zu Elisabeth Lissbet und zu Anton Tünn. Der Vater von Jesus war dä Zimmermanns Jupp.
Das Nibelungenlied entstand in der Völkerwanderungszeit. Also in einer Zeit, als es noch kein Deutschland gab. Es war also nie als angebliches Nationalepos gedacht.
Es spielt ausschließlich an Orten, die im Bereich des Fränkischen, also der Westgermanen angesiedelt sind. Mit Ausnahme des Ausflugs zu Brautwerbung Brünnhilds (sic!) und am Hofe Etzels, der heute als Umformung des hunnischen Anführers Attila angesehen wird.
Streng genommen war Brünnhild also auch nie Deutsche.
Das heute erhaltene Lied ist ein wildes Kauderwelsch aus verschiedenen Erzählungen, die im Hochmittelalter niedergeschrieben wurde. Der Autor hat es sich also auch nicht einfach ausgedacht, sondern aus viel älteren Legenden und Sagen etwas Neues zusammengebaut. Und wohl auch nicht als erster.
Das Nibelungenlied wurde Ende des 18. Jahrhunderts erst wiederentdeckt. Also zu einer Zeit, in der die Deutschen überhaupt erst so langsam auf die Idee kamen sich zu einer Nation zusammenzuschließen.
Und weil eine Nation ein Volk braucht und ein Volk eine gemeinsame Identität, versuchte man den Deutschen eine gemeinsame Geschichte anzudichten. (Aus dem Grund wurden wohl auch weite Teile des alten Testamentes geschrieben.) Sturm & Drang, Studentenbewegung, Goethe, Heinrich Heine und so weiter.
Richard Wagner hat das dann ausgepackt und zu seinem Opernzyklus Ring der Nibelungen umgedichtet. Und der ist bis heute sehr umstritten.
Zwar war Wagner ein musikalisches Genie. Er war aber auch überheblich, eingebildet und ein überzeugter Antisemit.
Die gleiche Situation ergab sich nach dem ersten Weltkrieg.
Die Deutschen, die zuvor jubelnd in den Krieg gezogen sind, kamen mit eingezogenem Schwanz nach Hause. Hungersnöte, Inflation, Reparaturzahlungen, Straßenschlachten und keine Ahnung wie es weitergehen sollte.
Genau in diese Kerbe schlugen dann Hitler und die NSDAP.
Sie boten den Deutschen eine Identität an. Sie zeigten ihnen, wie sie wieder stolz auf sich selbst sein konnten.
Dazu benutzten sie viele propagandistische Mittel. Unter anderem erfanden sie die Legende des tausendjährigen Reiches. Das es nie gegeben hat. Keine andere Nation des heutigen Europas hat sich so lange so nachhaltig gegenseitig bekämpft wie das deutsche. Und deshalb sind wir bis heute auch eine föderale Republik geblieben.
Als Rheinländer habe ich historisch, kulturell und sicher auch genetisch weniger mit einem Brandenburger gemein als mit einem Belgier. Und ein Friese hat mehr mit einem Engländer gemein als mit einem Bayern. Wenn die Akzent sprechen verstehen sie sich noch nicht einmal.
Ein Sachse hat so viel mit Germanen und den Nibelungen zu tun wie mit Flönz un Himmel un Ääd.
Das war aber keine Erfindung der Nazis. Damit hatte man schon angefangen, als Deutschland ein Kaiserreich wurde. Plötzlich waren alle Deutschen Germanen und der angebliche Erzfeind Frankreich war das Land der Gallier.
Und genau dafür eignete sich das Nibelungenlied dann ganz hervorragend.
Das Design
Das erste was ich gehört habe war, dass die Schrift „Nazi mäßig“ sei.
Um das ganz klar zu sagen: Das ist Bullshit.
So etwas wie eine altdeutsche Schrift gibt es eigentlich gar nicht. Und schon gar keine, die von den Nazis verwendet wurde.
Die letzte genormte Schrift in Deutschland war die karolingische Minuskel, die bummelig 1000 Jahre alt ist. Auch die Sütterlin Schrift, die meine Oma noch geschrieben hat, ist tatsächlich älter. Die wurde unter den Nazis sogar wieder abgeschafft.
Natürlich haben die Nationalsozialisten sich aus oben genannten Gründen gerne bei Schriften bedient, die alt aussehen. Aber das haben die Kommunisten eben auch.
Nach dem ersten Weltkrieg entwickelte sich ein anderes Design. Geprägt unter anderem vom Bauhaus. Das wird auch gerne mal unter der Bezeichnung eines damaligen Kunststils zusammengefasst, der neuen Sachlichkeit.
Weil das aber international war, ist auch das kein alleiniges Stilmittel der Nazis. Die gleiche Ästhetik findet man auch in der Sowjetunion und in Frankreich.
Ein Potpourri aus Stilblüten
Das Zusammenspiel macht die Musik.
In meinen Augen ist die Brunhilde ein Potpourri aus Stilblüten.
Angefangen bei einem Namen, den es so nicht wirklich gibt, über Fräsungen, die eher an 20.000 Meilen unter dem Meer erinnern, bis zu einer nachgeahmten spätmittelalterlichen Fraktur Schrift.
Und eben dieses Zusammenspiel ist es, was sie dann doch in die Nähe der Nationalsozialisten rückt. Das muss man ganz einfach deutlich so sagen.
Aber nicht in die Nähe der Nazis nach 1933, sondern davor. Ganz einfach weil die sich nämlich auch schon überall stilistisch bedient haben. Genauso bei ihrem Religionsersatz der germanischen Deutschtümelei, bei der elitären Gesellschaftsstruktur der Rechten und Nationalisten und bei der Arbeiterbewegung der Linken.
Allerdings, und auch das muss man so klar sagen, könnte die Brunhilde auch in einem Film von Fritz Lang auftauchen. Oder auf einem Kunstplakat der 1920er. Es würde vom Design her nicht auffallen.
Dabei sind aber weniger die Schrift oder der Name so entscheidend. Sondern tatsächlich die Gravur des Helms mit den Flügeln. (Historisch hat es nie Helme mit Flügeln gegeben, tut mir leid Asterix.)
Und deshalb ist die Kritik von Sebastian Henke auch vollkommen angebracht.
Das Design ist dazu geeignet, Diskussionen hervorzurufen.
Und wie in einer selbsterfüllenden Prophezeiung ist ja auch genau das eingetreten.
Er hat Nazi gesagt!
Die bloße Erwähnung reicht schon, dass einige Leute eskalieren.
Das liegt meines Erachtens an zwei Faktoren.
Zum einen lädt Social Media dazu ein, dass man mal eben seine Meinung ins Handy haut.
Dass dieser Kommentar dann unter Umständen von tausenden Leuten gelesen wird, wird ausgeblendet. Würde man diese Leute aber vor 300 Menschen auf einem Marktplatz stellen, würden sie sehr viel genauer überlegen, was sie sagen. Falls sie überhaupt einen Ton rausbringen.
Ich bin sehr sicher, der junge Mann hätte uns nicht als Spinner bezeichnet, wenn ich vor ihm gestanden hätte.
Und zum zweiten ist die Erregungsbereitschaft so hoch wie noch nie.
Alles ist ganz nah, alles ist schnell, alles kommt an einen ran. Das ist ein psychologischer Effekt. Da passiert es schnell, dass man etwas sieht oder liest, und dann sofort reagiert. Die wenigsten legen das Handy nochmal beiseite und überlegen, was sie tatsächlich sagen wollen. Geschweige denn, ob das überhaupt jemanden interessiert.
In dieser Kommunikationskultur wird dann auch schnell jemand persönlich angegriffen, anstatt in der Sache zu diskutieren.
Wer allerdings aufgrund einer solchen nüchternen und sachlichen Kritik meint, er würde ja ständig mit „diesem Nazi Zeug“ belästigt, der hat wahrscheinlich eher ein Problem mit seinem eigenen Selbstbewusstsein.
Es gibt inzwischen einige Studien und psychologische Erklärungsversuche dazu, warum das so ist und warum das vor allem in Ostdeutschland so ist. Aber die Ausführungen erspare ich mir, sonst gibt es direkt den nächsten Aufreger auf der Facebook Seite.
Daran, dass jemand glaube die Gruppe der Dampfer beschützen zu müssen, welche Brunhilde eigentlich entworfen haben, kann es ja nicht liegen. Denn von der Seite kam bisher nur positive Resonanz zu dem Review.
Niemand hat auch nur ansatzweise angedeutet, das wären alles Nazis und die hätten Brunhilde absichtlich so entworfen.
Was tatsächlich passiert ist
Da der Verdampfer ja eine Zusammenarbeit von deutschen Dampfern ist, sollte er auch etwas typisch Deutsches bekommen. Nachvollziehbar.
Als ich gestern Abend kurz mit Martin Hartkopf, dem Initiator des Ganzen, gesprochen habe, habe ich einfach mal so eine Mutmaßung abgegeben. Mal so in die Tüte gesprochen.
Ich habe getippt dass Martin, mit seinem beschissenen Humor, bei der Suche nach einem typisch deutschen Namen aus Gag einfach mal zur Abstimmung „Brunhilde“ reingeworfen hat.
Denn ich kenne seinen Humor, ich habe fast den gleichen. Außerdem kommt Matin nämlich aus meiner Ecke. (Wir diskutieren noch ob das Bergische nun zum Rheinland gehört oder nicht.) Deshalb auch et „Brunhilde“ und nicht die „Brünnhild“.
Und sein Vorschlag wurde dann auch noch angenommen.
Ein Helm lag deshalb nahe. Bei der Gestaltung des Tank Shield lagen dann die Flügel auch nahe.
Weiterhin habe ich gemutmaßt, dass die Chinesen, die Brunhilde natürlich produzieren, keine Ahnung von den Feinheiten des deutschem Designs und des Nationalsozialismus haben. Was naheliegend ist, denn ich habe auch wenig Ahnung von den Feinheiten des chinesischen Designs. (Und angelsächsischer Töpferware.)
Und die German 103 waren dann – bei aller Liebe – so dusselig, den Design Entwurf anzunehmen. Ohne sich Gedanken zu machen oder jemanden zu fragen. Falls sie überhaupt einen Entwurf zur Abstimmung hatten und das ganze Ding nicht komplett auf chinesischem Mist gewachsen ist.
Dabei herausgekommen ist dann Brunhilde. Die mich persönlich an die Weimarer Republik erinnert, Nazis und Spartakus Bund, Charlie Chaplins Moderne Zeiten und an Kirk Douglas mit dauerhaft eingezogenem Bauch.
Martin bestätigte lachend, dass es genauso gelaufen ist.
Wenn jetzt einer meint, Brunhilde sei ein „Nazi Verdampfer“, dann hat derjenige für mich eine Delle am Helm. Und wenn jemand meint, alle würden überall nur noch „Nazi Scheiß“ sehen, dann würde ich ihm eine Psychotherapie betreffend seiner Selbstwirksamkeitserwartung und seiner Überempfindlichkeit empfehlen.
Für mich ist Brunhilde nix.
Nicht weil ich das Design kacke finde. Sondern weil sie nicht meine Art bevorzugter Verdampfer ist.
Mehrere Leute haben mir inzwischen bestätigt, dass Brunhilde super geworden ist. Und vor allem ein Dampferlebnis bietet, welches sonst das Zwei- bis Dreifache kostet.
Deshalb muss man den German 103 einfach neidlos sagen: Ihr habt abgeliefert. So muss das. Erst sehen was sich machen lässt, dann machen was sich sehen lässt. Von Dampfern, für Dampfer.
Sowas kann man sich ja auch ins Regal stellen und später mal den Enkeln erzählen.
Ich wünsche allen viel Spaß damit und der wilden Hilde viel Erfolg.
Allerdings würde ich Händlern empfehlen auf die Abkürzung für Stainless Steel zu verzichten.
Der Extreme von Vapor Giant: https://www.vapers.guru/2018/08/30/extreme-von-vapor-giant/
Der Revvo von Aspire: https://www.vapers.guru/2018/08/24/revvo-von-aspire/
Joey Hoffmann
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