Seit längerem brodeln die Gerüchte in der Branche: Ein Dachverband der Zigarettenindustrie will auch die Lobby der E-Zigarette vereinnahmen.
Der Gründer, ehemalige Vorstand und jüngst zurückgetretene Geschäftsführer des VdeH war zu einem Gespräch bereit.
In Deutschland gibt es zwei große Händlerverbände in der Branche der E-Zigarette.
Sie bestimmen die Lobby Arbeit und die Kommunikation mit der Politik. Eine Konsumentenvertretung mit entsprechenden Kontakten und Mitteln gibt es in Deutschland derzeit nicht.
Mit großer Skepsis wurde in der Szene wahrgenommen, dass der Verband des eZigarettenhandels (VdeH) den Tabakmulti British American Tobacco als Mitglied aufgenommen hat.
Der zweitgrößte privatwirtschaftliche Tabakkonzern der Welt ist nicht nur für Lucky Strike, Pall Mall und HB zuständig. Sondern auch für die E-Zigaretten der Vype Serie.
Im vergangenen Oktober hat BAT die größte deutsche Ladenkette Highendsmoke übernommen.
Der Gründer, ehemalige Vorsitzende und jüngst ausgeschiedene Geschäftsführer des VdeH sieht die Entwicklung der Einflussnahme der Tabakriesen inzwischen sehr skeptisch.
Dac Sprengel nahm sich Zeit für ein Gespräch.
VAPERS.GURU: Du bist kein YouTuber und kein Blogger, deshalb musst Du Dich für viele Leser sicher erstmal ein wenig vorstellen.
Dac Sprengel: Ich dampfe seit 2008 und war von 2009 bis 2011 Moderator im e-rauchen Forum.
2011 fing ich bei Red Kiwi an, einem der ersten in der deutschen Branche. Im gleichen Jahr gründete ich den VdeH, da die Verbotsgefahr in Deutschland und Europa stark zunahm.
Dort wurde ich zum Vorsitzenden gewählt und behielt diese Position bis 2017.
Während dieser Zeit kümmerte ich mich ehrenamtlich um das drohende Handelsverbot und die nachfolgende Regulierung in Deutschland und Europa.
Ende 2016 verließ ich Red Kiwi, um mich ausschließlich auf diese Arbeit zu konzentrieren.
VAPERS.GURU: Du warst auch derjenige, der maßgeblich British American Tobacco in den VdeH geholt hat. Wie ist das abgelaufen und was war der Hintergedanke?
Dac Sprengel: BAT stieg in das E-Zigaretten-Geschäft ein und war an einer Mitgliedschaft interessiert. Die Gespräche dazu liefen über einen längeren Zeitraum. Und entgegen der üblichen Vorgehensweise wurde BAT erst nach persönlicher Vorstellung und Abstimmung auf einer Mitgliederversammlung aufgenommen.
Für uns war ein so großes Mitglied interessant, es versprach Mitgliedsbeiträge und Ressourcen.
VAPERS.GURU: Du wurdest dann 2018 vom Vorsitzenden zum Geschäftsführer. Wie kam es dazu und welche Auswirkungen hatte das auf Deine Arbeit?
Dac Sprengel: Auf lange Sicht konnte ich eine ehrenamtliche Tätigkeit nicht mehr leisten. Also trat ich als Vorstand zurück und wurde als hauptamtlicher Geschäftsführer angestellt.
Natürlich änderte sich die Art der Arbeit dadurch. Denn ich wurde damit vom Anführer zum Befehlsempfänger. Das hatte zur Folge, dass ich die Geschicke des Verbandes nicht mehr steuern konnte, da diese mehr und mehr durch den neuen Vorstand bestimmt wurden.
Eigentlich hatte ich mit dieser Konstellation auch überhaupt kein Problem, immerhin ziehen wir ja alle gemeinsam am gleichen Strang und kämpfen für die E-Zigarette.
Leider drifteten die Interessen jedoch mit dem Vorstand zunehmend auseinander.
Der Grund dafür war insbesondere die immer größere werdende Einflussnahme der Tabakindustrie. So konnte ich auf keinen Fall weiter machen und bin als Geschäftsführer zurückgetreten.
VAPERS.GURU: Bereust Du diese Entscheidung?
Dac Sprengel: Nein, ich habe immer gesagt, dass ich für meine Überzeugungen eintrete. Als das nicht mehr möglich war, habe ich das nicht einfach geschluckt. Sondern bin eben vom Platz gegangen – ungeschlagen und unverbogen.
VAPERS.GURU: Ich habe selber bereits Erfahrungen gemacht, dass die Rolle von British American Tobacco nicht gerne ausführlich besprochen wird. Wie stellt sich die Situation inzwischen innerhalb des Verbandes in Deinen Augen dar? Wie muss man sich diese Einflussnahme vorstellen?
Dac Sprengel: Zu meiner Zeit als Vorsitzender war die Zusammenarbeit mit BAT kontrollierbar und gleichberechtigt. Allerdings wechselten kurz nach meiner eigenen Umstellung auch die Ansprechpartner auf Seiten von BAT. Da ich jahrelange Erfahrung mit Konzernen und einen eigenen Kopf habe, war das für mich kein Problem.
Die Einflussnahme eines solchen Riesen ist natürlich nicht zu unterschätzen, daher kommt die Sorge nicht von ungefähr. BAT hat neben dem direkten Kontakt zum Vorsitzenden auch einen Sitz im erweiterten Vorstand. Außerdem helfen sie mit Kontakten und organisieren Gesprächsvorbereitungen.
„Besonders einfach in der Handhabung sind dabei vorgefüllte Systeme, deren Benutzung nicht komplizierter ist, als eine neue Schachtel Zigaretten zu öffnen. […]
Wer daneben eine gute Zigarre, eine gemütliche Pfeife oder sogar gelegentlich eine Zigarette genießen will, soll es tun und tun dürfen. Wir möchten analog zu „Drink responsibly“ ein „Smoke responsibly“ postulieren.“
Michael Dobrajc, Vorsitzender VdeH, Deutsche Tabakzeitung, 13.02.2019
VAPERS.GURU: Inzwischen gibt es ja Bestrebungen einen Dachverband zu gründen, der ein Derivat des derzeitigen Deutschen Zigarettenverbandes sein soll. Und den VdeH dort aufzunehmen. Was kannst Du uns darüber sagen?
Dac Sprengel: Die Großen der Tabakindustrie haben beschlossen, die deutsche Verbändelandschaft zu konsolidieren und bei dieser Gelegenheit das neue Geschäftsfeld E-Zigarette mit einzuverleiben. Dies verspricht bessere Kontrolle und geringere Kosten – aus Sicht der Tabakindustrie also vorteilhaft.
VAPERS.GURU: Wie schätzt Du das ein? Wo würde die Reise mit einem solchen Dachverband oder im DZV hingehen?
Dac Sprengel: In erster Linie würde die über Jahre hart erarbeitete Glaubwürdigkeit der E-Zigarette mit einem Schlag auf das Niveau der Tabakindustrie sinken. Und auch eine Gleichstellung von E-Zigaretten und Tabak im politischen Diskurs stattfinden. Was fatal wäre.
Doch nicht nur die Glaubwürdigkeit wäre in Gefahr. Die Konzerne würden die künftige Regulierung der E-Zigarette möglicherweise im eigenen Sinne steuern, so dass es den kleinen und mittelständischen Unternehmen der Branche schwer gemacht würde dort mitzuhalten.
Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Interessenlagen.
Die Tabakindustrie setzt verstärkt auf geschlossene Cap-Systeme. Die E-Zigaretten Branche mehr auf offene Tanksysteme.
Die 6-Monatsfrist ist für die E-Zigaretten-Branche eines der größten Probleme. Die Tabakindustrie wird dadurch gar nicht tangiert, denn sie entwickeln ihre eigenen Produkte und benötigen ohnehin sehr viel Vorlaufzeit. Sie hat nicht das Problem identischer Produkte, die in anderen Ländern bereits verkauft werden.
Zwar würden ebenso deutlich mehr Mittel zur Verfügung stehen. Aber in der Vergangenheit haben der Tabakindustrie weder Geld noch Scharen von Lobbyisten geholfen Siege einzufahren. Während wir für die E-Zigarette praktisch ohne Mittel oder Personal immens viel erreicht haben.
Letzteres wäre dann wohl Geschichte.
Ich kann nur dringend davon abraten, eine solche Verbindung einzugehen.
VAPERS.GURU: Wie soll die Stimmverteilung im Dachverband geregelt sein?
Dac Sprengel: Nach dem mir vorliegendem Satzungsentwurf ist die Stimmverteilung nach Umsätzen bzw. nach Abgabenhöhe der Tabaksteuer geregelt. Damit ist die Möglichkeit der Einflussnahme durch den VdeH klar. Im Gegensatz zu den Umsätzen von Big-Tobacco sind die Umsätze der E-Zigaretten Branche verschwindend gering.
VAPERS.GURU: Der VdeH würde aber trotz Mitgliedschaft im Dachverband selbständig bleiben. Die Mitglieder und der Vorstand könnten selbst über ihre Positionen bestimmen.
Dac Sprengel: Nun, möglicherweise ist das ein Argumentationsweg der Befürworter. Aber machen wir uns nichts vor. Ein Dachverband wird mit seinen Unterverbänden immer eine gemeinsame Position finden wollen. Unterschiedliche Positionen oder gar gegenläufige Interessen werden in dieser Konstellation nicht möglich sein.
Gerade dann nicht, wenn man auf deren Ressourcen angewiesen ist.
VAPERS.GURU: In unserem Vorgespräch erwähntest Du noch ein Thema, dass derzeit immer wieder hochkocht: Nikotinsalze. Bitte erklär uns, warum sie Dir Sorgen bereiten. Wo siehst Du die Gefahren?
Dac Sprengel: Die E-Zigarette ist eigentlich ein gutes, sauberes Produkt für ehemalige Raucher. Der Tabakindustrie dagegen wird seit Jahrzehnten vorgeworfen, durch Produktmodifikationen die Abhängigkeit der Raucher zu verstärken. Dementsprechend schlecht ist ihr Image.
Mit Nikotinsalzen begeben wir uns in dieselbe Situation, denn schnellere Wirkung erhöht die Suchtgefahr und weniger Kratzen die Akzeptanz höherer Nikotindosen.
Damit verspielen wir ohne Not Glaubwürdigkeit und Ansehen – zum Schaden aller.
VAPERS.GURU: Vielen Dank für das Gespräch.
Schweizer Gesundheitsexperten fordern höhere Nikotinmenge: https://www.vapers.guru/2019/02/20/gesundheitsexperten-fordern-fuenffache-nikotinmenge/
Regierung hat keine Ahnung von der eigenen Regulierung: https://www.vapers.guru/2019/01/22/kleine-anfrage-regierung-hat-keine-ahnung-von-der-umsetzung-der-tpd/
Joey Hoffmann
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