Ein Facebook Posting führt zu heftigen Reaktionen. Thema mal wieder: Influencer und Instagram.
Leider wurde der eigentliche Kern von einigen gar nicht verstanden.
Eine Nachbesprechung.
Ich habe am vergangenen Sonntag auf Facebook mal wieder einen so genannten Rant rausgehauen. Derbe, provozierend, herablassend. Eigentlich Satire, im Grunde genommen.
Es ging um die Instagram Influencer und vor allem Instagram Konsumenten.
Die Reaktionen waren heftiger als erwartet.
Die Interaktion konnte sich durchaus mit einem Beitrag der Tagesschau messen lassen.
Darüber hinaus erhielt ich Zuschriften von mehreren Instagrammern. Unter anderem, weil sie meinten, ich würde ihre Bildrechte verletzen. Mit der Aufforderung, Ihr jeweiliges Bild zu entfernen.
Doch viele Reaktionen haben mir gezeigt, dass viele gar nicht verstanden haben, worum es mir überhaupt geht.
Offenbar muss man es einigen Leuten tatsächlich erklären. Damit sie verstehen, was sie da überhaupt tun und was ihr eigenes Handeln bewirken kann.
Dazu ist es aber leider zwingend notwendig, den Text hier nochmals zu kopieren.
Was soll diese Instagram-Influenca-Scheiße?
Aus! Schluß! Das war’s!
Ich sehe es ein, ich komme auf die Jugend von heute nicht mehr klar.Ich war nie der midlifecrisis-geschüttelte alte Sack (also alles über 32), der in moonwashed Jeansjacke durch die Discos gezogen ist, mal eine Flasche Bacardi hat springen lassen um sich Entourage zu kaufen und meinte hip zu sein. Oder irgendwelche kichernden 23 jährigen Discopalmen abschleppen zu können. Oder glaubte dass irgendjemand auf diesem Planeten tatsächlich „hip“ sagt, wenn er „fett“ meint.
Zu meiner Zeit habe ich genug Männer im „besten Alter“ gesehen, die sich selber auf der Suche nach Jugend erniedrigt haben.Aber ich habe eingesehen: Ich bin raus. Die Nummer is durch. Komm nich mehr mit. Keinen Zugang zu.
Was bitte soll diese Instagram-Influenca-Scheiße?
Es ist rein psychologisch nicht schwer sich zu erklären, warum diese Leute ihre Bildchen posten. Und ich meine nicht die Top-Notch-Influencer, die für ein scheiß Bild fünfstellige Kohle absahnen. Die haben einen guten, fünfstelligen Grund. Und mussten dafür einen Fußballer heiraten oder jeden Tag drei Stunden trainieren.
Oder diejenigen, die einen Kanal betreiben und Instagram mal mitnehmen. Mache ich auch.
Sondern die kleinen Schwimmbuchsen, die ein neues Produkt für zwanzig Flocken in die Kamera halten und sich vorkommen wie Heidi Bündchen.Ich finde es immer wieder erheiternd, wenn Großhändler oder Hersteller mir erzählen, was sie an Schnorrermails bekommen.
„Ich hab über 1000 Follower, schick mal was zu, ich mach Fame.“
(Life Hack: Wenn Ihr unter Klarnamen schreibt, schreibt den Namen Eures Accounts dazu. Schreibt Ihr unter Eurem „Nick“, schreibt den Klarnamen dazu. Ihr Gehirnchirurgen und Kronen der Schöpfung. Und Scheiße noch eins: Geht Arbeiten. Ich will mal Rente, ich hab langsam echt Sorgen.)Ich sage das auch nicht, weil ich irgendwie gefrustet oder neidisch bin. Ich komme klar damit grau und fett zu sein. Wo Ihr hinwollt, da war ich schon. War lame. Sonst wäre ich nicht grau und fett.
Und ich akzeptiere auch, dass inzwischen jeder mit einer Handy-Kamera und Filter halbwegs professionell aussehen kann. Aber eben nur halbwegs. (Ich erkenne den Unterschied. Und eigentlich jeder, der schon alleine Groß kann.)Was ich so völlig nicht nachvollziehen kann ist: Wieso guckt das einer?
So ganz abgesehen von dem Netzeffekt, dass sich alle untereinander immer liken um dann groß auszusehen. Wer guckt sich den Scheiß überhaupt an?
Irgendwelche Alpha-Leons oder Street-Credibility-Maximilians, die bei einer Woche Malotze Halbpension mal eben dreißig Produkte durchknipsen? Oder irgendwelche tätowierte Mädels, die Posieren wie in einem Heirats-Versand-Katalog, aber versuchen nicht käuflich auszusehen? (Ey, Ihr wurdet gekauft. Mit einem Aroma oder einem Verdampfer, der im Einkauf weniger kostet als eine Handmassage auf dem Straßenstrich.)
Mensch, mir ist doch scheiß egal, ob Ihr gerade einen neuen chinesischen Akkuträger im Schnee in den Voralpen oder ein neues Liquid auf Menorca habt! Macht mal Fotos mit Geräten aus Manufakturen über 300 Flocken, das wär interessant. Aber die bekommt Ihr ja nicht rektal zugesendet.Wieso zieht man sich sowas rein?
Prinzipiell ist ja ganz Instagram darauf ausgelegt, dass alle auf dicke Hose machen. Aber warum soll ich mir angucken, wie scheiße mein eigenes Leben im Vergleich zu das von Anderen ist?
Ist das so ein masochistisches Ding? Wenn man nach dem Anschiss auf der Maloche vorm Fernseher die Fusseln aus dem Bauchnabel puhlt, guckt man nochmal auf Instagram wie geil die anderen aussehen?
Oder ist das sowas mit Zielsetzung? „So geil will ich auch mal werden.“ Eine Dampfe in die Kamera halten, sinnfrei auf den Horizont starren, tiefsinnig und sexy aussehen und dafür 400 Klicks bekommen. Mit Piercings und unbedeutenden Schmucktattoos.Nach wenigen Minuten Instagram habe ich das Gefühl, für die Jugend von heute ist Rock’n Roll sonntags Altglas in den Container zu werfen. Zwischen 13:00 Uhr und 15:00 Uhr. Scheiß Rocker.
(Ironie ist eine Sechzehnjährige mit zwei Kindern und Schutzhülle überm Handy.)Sollten E-Zigaretten jemals aus Jugendschutzgründen verboten werden und Ihr fragt Euch warum, ist die Antwort sehr einfach. Wegen Euch.
Ihr billig bezahlten, käuflichen, fame-geilen, Aufmerksamkeit heischenden Handsprechpuppen.
Und wegen jedem Hersteller und Händler, der aus kurzfristiger Profitgeilheit euren infantilen Scheiß unterstützt.
Dank Euch ist Dampfen nicht das Substitut, um nicht frühzeitig an Krebs zu verrecken. Es ist auch nicht das Bastelhobby, um das letzte aus dem Akku zu holen. Oder viel Geschmack aus einer Wicklung.
Es ist ein Lifestyle-Scheiß. E-Shisha. Made in China. Mit Hip-Hop Soundtrack. Proudly presented by Instagram.Und Ihr Handsprechpuppen seid die Erfüllungsgehilfen.
Die Sache mit den Bildrechten
Vorweg einmal an dieser Stelle der Hinweis zu den Bildrechten. Bevor noch jemand unnötig Geld für einen Anwalt ausgibt.
Diese Bilder wurden von den Darstellern selber öffentlich gemacht. Dabei ist es unerheblich, ob es sich dabei um eine Privatperson oder eine Firma handelt.
Daher dürfen sie „zitiert“ werden. (§ 51 Urheberrecht)
Wenn der Kontext entsprechend ist. Dieser Kontext ist in diesem Fall dadurch gegeben, dass es zu dem Bild einen langen, eigenständigen Text gibt. Sie dienen lediglich als Beispiel.
Dafür ist es auch egal, ob jeder Einzelne in diesem Beispiel nun Produkte erhalten hat. Oder sich selber als Influencer sieht.
Die Beschwerden zeigen sehr deutlich, dass den Protagonisten überhaupt nicht klar ist, was „öffentlich“ bedeutet.
Ähnlich wie Shop Betreiber oder Angestellte, die ein Interview geben. Und sich nicht darüber bewusst sind, dass sie damit sehr viele Recht abtreten. Und die Aufnahmen von den Sendern in völlig anderen Kontext gesetzt, geschnitten und sogar verkauft werden dürfen.
Jeder redaktionell Tätige kann die Bilder kopieren und weiterverwenden, wenn sie als Zitat dienen.
Die Instagrammer dürfen sich also nicht wundern, wenn sie auch mal in anderen Medien als nur auf ihrem Kanal auftauchen.
Von einzelnen, zum Teil sehr kindischen Zuschriften sehe ich einmal ab.
Ich bin nicht „neidisch“, denn ich will weder berühmt werden noch für Klicks geil aussehen.
Das Ruft bei mir höchstens den Wunsch hervor, versöhnlich den Kopf zu tätscheln.
Der Text enthält auch keine Beleidigung. Weil niemand direkt und persönlich angesprochen wurde. Es wurde auch keine Personengruppe so genau definiert, dass es für einen Tatbestand einer Beleidigung reicht.
Frei nach dem Motto: Wer sich den Schuh anzieht, dem passt er wohl.
Influencer Paradoxon: Weniger ist mehr
Ich habe grundsätzlich zwei Probleme mit Influencern.
Zum ersten ist das Marketing über Social Media auch darauf ausgelegt, ein Bedürfnis überhaupt zu wecken.
Denn wir sind alle satt. Wir haben alles, was wir brauchen. Die Werbung kommt mit ihren Argumenten an die Grenzen. Kein Waschmittel kann noch weißer waschen, kein Auto noch schneller fahren, kein Lutscher noch süßer schmecken.
Also versucht man es über das Image. Aber auch das ist ja begrenzt. Um ein Produkt zu verkaufen tut man also so, als ob es etwas für das Image des Konsumenten machen würde. Mit der Faltencreme wirst du noch hübscher, mit der Handtasche noch schicker, mit den Sneakers noch cooler.
Selbst das finde ich noch erträglich. Beispielsweise im Modebereich ist es nie anders gelaufen und wird auch immer so laufen.
Social Media macht es nun aber möglich, dass Hersteller und Händler sehr leicht und billig andere für ihre Produkte Werbung machen lassen. Nicht mehr nur irgendwelche Sternchen, die ihr Gesicht mal für einen Möbelmarkt oder eine Lotterie in die Kamera halten. Sondern Konsumenten.
Vor allem Heranwachsende sind für eine solche Werbung sehr empfänglich. Denn jeder Heranwachsende probiert sich aus und versucht sich zu definieren. Jeder tut das, es gehört zum normalen Prozess des Erwachsenwerdens.
Inzwischen ist es so, dass die heutigen Jugendlichen ihre Vorbilder nicht mehr in Filmstars oder Sportlern sehen. Sondern in Instagrammern und YouTubern, die Produkte bewerben.
Am extremsten dürfte das im Mode/Kosmetik und Gaming Bereich sein.
Diese Vorbilder gelten als erstrebenswert. Und sie tun selber alles dafür, um als erstrebenswert angesehen zu werden.
Billiger kann man nicht werben
Das greift auch im Dampferbereich um sich. Und das ist der zweite Punkt, der mich an Influencern stört.
Auch wenn jeder Hersteller nicht zu Unrecht behaupten kann, er wolle damit ja nur Dampfer erreichen.
Die Wahrheit ist aber, dass er darüber gar keine Kontrolle hat.
Für ihn ist es ein leichtes, irgendwelchen Instagrammern ein paar Produkte zu geben. Für die zahlt er höchstens die Selbstkosten. Und wahrscheinlich nicht einmal die. Er kann es noch als Werbekosten oder Produktionsverlust von der Steuer absetzen.
Er hat aber keinen Einfluss darauf, ob seine Produkte an Jugendliche adressieren.
Denn es gibt ganze Kanäle, die das immer gleiche Model mit Produkten zeigen. Ob die jetzt von 17 Jährigen als nachahmenswert empfunden werden, ist von unkontrollierbar vielen Faktoren abhängig.
Gerade eine Plattform wie Instagram ist dafür prädestiniert junge Menschen zu erreichen. Es gibt nicht viel Text, es gibt nur oberflächliche Informationen, es geht vor allem um sehen und gesehen werden. Der Konsum lebt, die Information als Wegwerfprodukt für zwischendurch.
Deshalb ist Instagram bei der Zielgruppe ja so erfolgreich.
Setzt man sich nun aber mal ein wenig mit der Politik auseinander, wird einem sehr schnell klar, wie gefährlich das ist.
Die Juul wurde zum Start in der ersten Kampagne als Life Style Produkt vor allem an jüngere Menschen beworben. Das war die Initialzündung. Die Hersteller haben damit den Gegnern ein gutes, weil emotionales, Argument in die Hände gelegt.
Davor ging es in der Auseinandersetzung noch um Schädlichkeit, fehlende Langzeitstudien und ähnliches. Doch die Gesundheitslobby ist komplett umgeschwenkt. Nun ist der Jugendschutz ganz oben auf der Agenda.
Dass es keinen Nachweis für die Schädlichkeit gibt, ein Gateway Effekt widerlegt und die Suchtwirkung sehr fraglich ist, spielt dafür keine Rolle.
Inzwischen sind in einigen Regierungsbezirken in den USA Geschmäcker verboten. Auch der bundesweite Handel mit E-Zigaretten in Supermärkten. Der vor allem dafür wichtig war, Raucher zu erreichen und einen Umstieg auf eine deutlich weniger riskante Alternative zu unterstützen.
Tabakkonzerne sind umgeschwenkt. Altria, die sich gerade erst bei Juul eingekauft hat, ist inzwischen für ein umfassendes Verbot von Frucht- und anderen Geschmäckern.
Und auch hierzulande wird inzwischen mit Jugendschutz argumentiert.
Auf den Druck der Gesundheitslobby wurde das Jugendschutzgesetz geändert und E-Zigaretten wurden aufgenommen. Obwohl es keinen wissenschaftlichen Nachweis irgendeiner Gefahr gibt.
Instagram ist wie Monopoly
Eine wahre Geschichte, die ich immer wieder gerne erzähle.
Ein Verantwortlicher des Vorstandes eines Händlerverbandes hatte ein Gesprächstermin mit einer Bundestagsabgeordneten.
Es sollte um die Regulierung des Nikotingehalts und ähnliches gehen.
Währen des Meetings zückt die Politikerin ihren Laptop und ruft ein YouTube Video auf.
Darin zu sehen waren zwei Dampfer, die sich aus China mehrere Liter Base mit 300mg/ml Nikotin organisiert haben. Und nicht nur erklärt haben, wie unglaublich pfiffig das ist. Sondern zur Nachahmung aufgerufen haben. Inklusive Nennung des Herstellers und wie man da ran kommt.
Der Vertreter des Verbandes klatschte darauf in die Hände und sagte „Tja, dann brauche ich ja nicht mehr weiter reden. Können wir wohl Feierabend machen.“
Ich bin sicher, den meisten dieser Dampfer ist überhaupt nicht bewusst, was sie da tun.
Die Motivation einiger dürfte sicher auch sein, „das Dampfen“ gegen „die da oben“ zu verteidigen.
Doch dass genau das immer zu einer Gegenreaktion führt, verstehen sie nicht. Wahrscheinlich denken sie nicht darüber nach, dass so etwas sehr wohl in der Politik wahrgenommen wird.
Noch schlimmer sind allerdings „Hobby-Influencer“, die für ein geschenktes Liquid Werbung machen. Auf einer Plattform, die vor allem auf Jugendliche abzielt.
Die interessieren sich nicht für Politik. Die sind auch mit so langen Texte wie diesem nicht erreichbar. Und selbst wenn sie es verstehen, verstehen sie nicht, dass ihr eigenes Handeln genau dazu beiträgt.
Und genau das war der eigentliche Kern meines Rants am Sonntag.
Nicht nur, dass es für eine gefestigte Persönlichkeit völliger Quatsch ist, sich hübsche Bildchen von Dampfern am Strand anzugucken. Nicht nur, dass ich es persönlich völlig albern und moralisch fragwürdig finde, sich selber für ein paar Liquids und Klicks zum Werbepüppchen zu machen.
Sondern dass diese Entwicklung in der Kommunikation des Dampfens dazu geeignet ist, sich negativ auf die E-Zigarette auszuwirken. Es wird zum Life Style Produkt gemacht.
Davon weiche ich auch nicht ab. Und das sage ich auch jedem Hersteller und Händler. Dass sie sich in der Breite damit langfristig wohlmöglich selber das eigene Geschäft zerschießen, wenn sie so etwas unterstützen.
Mal ganz davon abgesehen muss mir auch erst einmal jemand mit Zahlen aus dem Dampfer Business belegen, was die Konversionsrate ist. Ob es sich überhaupt lohnt.
Ich glaube nämlich nicht, dass ein paar Bildchen auf Instagram überhaupt dazu geeignet sind, um den Verkauf eines Produktes signifikant zu steigern.
Mal abwarten, was die Urheberrechtsreform mit Instagram machen wird. Aber das ist ein anderes Thema. Könnte für viele eine Überraschung werden.
Für mich ganz persönlich, und auch das sage ich laut, sind solche Leute einfach Schnorrer und Nassauer. Die sich selber verkaufen. Auf der Jagd nach Anerkennung. Für ein paar Klicks.
Und das unterscheide ich sehr deutlich von YouTubern und Bloggern, die Produkte redaktionell besprechen und den Dampfern dadurch einen Mehrwert bieten. Nicht nur ich, sondern auch die Gesetze und die Politik.
Ein Kommentator auf Facebook verglich den Erfolg auf Instagram mit Monopoly Geld. Packt man das Spiel weg, ist der scheinbare Erfolg nichts mehr wert.
Wer sich den Schuh anzieht, dem passt er wohl.
Jugendschutz in Deutschland: https://www.vapers.guru/2019/01/21/drogenbeauftragte-will-obergrenze-fuer-nikotin-pruefen/
Jugendkanal wirbt für E-Zigarette: https://www.vapers.guru/2019/01/06/kanal-fuer-jugendliche-wirbt-fuer-e-zigarette/
Joey Hoffmann
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