Facebook ändert die Regeln und Panik macht sich breit. Offenbar vor allem bei denen, die nicht zu verstehen scheinen, dass sie selber der Mitauslöser für diese Regulierungen sind.
Vorgestern hat Facebook seine so genannten Gemeinschaftsstandards geändert.
Mit sofortiger Wirkung ist der private Handel mit E-Zigaretten (Tabak und Alkohol) auf Facebook untersagt.
Das war seit langem zu erwarten.
Trotzdem führte es zu heller Aufregung.
Diese Reaktionen sind es, die ein erschreckendes Sittengemälde der Online-Dampfer-Community abgeben. Offenbar verstehen viele nicht, dass sie dazu beitragen.
Bevor wir also vorschnell die Revolution ausrufen, sollten wir einen Moment inne halten. Und nicht nur betrachten, was da gerade passiert. Sondern auch darüber klar werden, was tatsächlich ist und was dazu geführt hat.
Es gibt nun einmal Regeln
Es gibt Regeln für den Handel mit E-Zigaretten.
Im Jahr 2014, also vor inzwischen fünf Jahren, wurde die Tabakproduktrichtlinie TPD2 der EU auf den Weg gebracht. Ende 2015 kam sie in den Mitgliedsstaaten an, die daraus ein nationales Gesetz zu machen hatten.
Am 25. Februar 2016 wurde das Tabakerzeugnisgesetz in Deutschland beschlossen. Daran haben sich alle zu halten, die mit E-Zigaretten handeln.
Doch darüber hinaus gibt es noch weitere Regeln und Gesetze. Die nur mittelbar oder gar nichts mit der E-Zigarette zu tun haben.
Beispielsweise gibt es Einfuhrbestimmungen, es gibt Bestimmungen für die Werbung und es gibt Bestimmungen für den Verbraucherschutz. Das Jugendschutzgesetz wurde reformiert und die Abgabe von E-Zigaretten untersagt.
Jeder Markt wird entsprechend reguliert. Von Cocktailschirmchen bis zu Gartenmöbeln.
Das hat auch nichts mit „die da oben und wir hier unten“ zu tun. Und erstmal auch gar nichts mit Steuern.
Vor allem hat das erst einmal etwas mit Gerechtigkeit zu tun.
Denn die Grundidee ist, dass jeder Händler die gleichen Chancen hat, sein Gewerbe zu betreiben. Jeder hat die gleichen Startbedingungen und sein Erfolg hängt von seinem kaufmännischen Geschick ab.
Und die Bestimmungen zu Jugendschutz und Verbraucherschutz haben den gleichen Effekt. Ein Hersteller, der Pferdefleisch in seine Lasagne panscht, Frostschutzmittel in seinen Wein oder krebserregende Stoffe in sein Spielzeug, begeht bereits ein Verbrechen noch bevor ein Konsument seinen Scheißdreck konsumiert. Er verschafft sich gegenüber anderen Händlern einen illegalen Vorteil.
Dieser Grundgedanke und diese Regulierungen sind in jedem Staat ähnlich. Vom korrupten und turbokapitalistischen Kommunismus in China bis zum streng reglementierten Europa.
Es blüht ein Schwarzmarkt
Die E-Zigarette ist ein ganz neues Produkt. Eine völlig neue Technik. Und es ist ein Konsumprodukt. Deshalb dauert es vergleichsweise lange, bis der Markt reguliert ist.
Doch man sollte sich vor Augen führen, dass wir bisher in einer Vape Anarchie gelebt haben. Und diese Regulierungen nun nach und nach greifen.
Dadurch hat sich in dieser Phase der Regulierung ein Schwarzmarkt etabliert.
Das bedeutet nicht, dass E-Zigaretten nachts im Park von Randexistenzen gegen Bargeld vertickert werden. Sondern das bestehende Regulierungen unterlaufen werden.
Und mein Eindruck ist, dass viele Konsumenten das entweder gar nicht verstanden haben, oder sich nicht darüber bewusst sind.
Vier Beispiele.
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Sammelbestellungen
Vor allem in Foren und Gruppen auf Facebook waren so genannte Sammelbestellungen üblich.
Dabei bestellten mehrere Nutzer ein Produkt (oder mehrere Produkte), der Organisator sammelte das Geld ein und bestellte dann in China beim Hersteller oder Großhändler.
Das ist aber bereits gewerbliches Handeln. Dafür ist es unerheblich, ob der Organisator dadurch selber einen Obolus einstreicht. Denn er schließt den Vertrag mit dem Hersteller und gibt die Geräte anschließend ab.
Das kann sogar soweit gehen, dass er dafür ein Gewerbe anmelden und entsprechende Steuern abgeben müsste. Er umgeht damit Einfuhrbestimmungen, Werbevorschriften und vor allem den Verbraucherschutz. Denn er ist an keine Gewährleistung gebunden. Keiner kann ein defektes Gerät mal eben bei einer solchen Sammelbestellung zurückgeben. Keiner steht dafür gerade. -
Halbgewerbliche Gruppen
Einige Händler oder Privatpersonen haben vor allem Facebook Gruppen für sich als Marktplatz erkannt. Sowohl Fachhändler aus der Branche wie auch andere Händler, die eine Goldgrube wittern.
Sie gründen Gruppen, in denen Sie auch die Kommunikation der Dampfer untereinander zulassen und fördern.
Diese Gruppen nutzen sie dann dazu, Produkte anzubieten. Meist zu erstaunlich günstigeren Bedingungen als marktüblich. Diese Preise können nur dadurch zustande kommen, weil diese Händler ja andere Regeln umgehen. Das geht von Steuerhinterziehung über Zollbetrug bis zu fehlender Gewährleistung.
Befeuert wurde das dann häufig mit Giveaways und Gewinnspielen. Die für E-Zigaretten und nikotinhaltige Flüssigkeiten eh verboten sind. Und so kamen diese Gruppen schnell auf bis zu 50k Mitglieder. Was natürlich zumeist Karteileichen sind. Aber sie erscheinen neuen Mitgliedern dadurch groß und der Handel vertrauenswürdig.
Mir sind derzeit nur zwei offizielle Gruppen von seriösen Händlern/Herstellern bekannt. Eine hat es offenbar leider schon mit erwischt. -
Privatverkäufe
Verkauft jemand privat eine E-Zigarette, ist er annähernd an nichts gebunden. Er muss auch den Jugendschutz nicht beachten.
Aber eben das führt dazu, dass Jugendliche damit natürlich den Jugendschutz umgehen. Sie können an alles kommen, wenn sie nur jemanden finden, von dem sie es privat kaufen können. -
Marketplaces
Im Dezember des vergangenen Jahres ist der Händlerverband VdeH gegen Ebay vorgegangen.
Der Vorsitzende Michal Dobrajc sagte dazu „Es ist nicht nur ärgerlich, dass sich einige Händler eigenmächtig über Vorschriften hinwegsetzen, es ist schlicht und ergreifend geschäftsschädigend für diejenigen, die sich an die geltenden Gesetze halten. Der gesetzestreue Händler ist der Dumme.“
Denn auf Plattformen wie Ebay und Amazon bieten viele gewerbliche Händler Produkte an, die in Deutschland nicht verkehrsfähig wären. Beispielsweise weil auch hier Einfuhrbestimmungen nicht beachtet werden. Oder weil Steuerhinterziehung betrieben wird. Denn viele der Händler waren in Deutschland nicht gemeldet und zahlten keine Steuern.
Ebay hat inzwischen eingelenkt und versprach demnächst die Zulassung solcher Händler zu kontrollieren.
Es war zu erwarten
Vor allem in den USA rollt derzeit eine Panikwelle. Befeuert von Gesundheitsorganisationen und selbsternannten Gesundheitsschützern. Gesponsert mit Milliarden aus der Pharmaindustrie.
Es war zu erwarten, dass Facebook, Instagram und YouTube sich als amerikanische Unternehmen an diesem Markt orientieren. Und an der Politik.
Wer nun also (wie einige Kommentatoren) meint, Facebook wäre von der Tabakindustrie bestochen worden oder da seien Gelder geflossen, der hat die Zusammenhänge schlicht nicht verstanden. Oder sich nicht informiert. Denn leider interessiert es die meisten erst, wenn sie selber betroffen sind. Viele werden auch erst über den Klimawandel nachdenken, wenn sie ihren Nordseeurlaub in Duisburg buchen.
Nur so ist zu erklären, dass manche Kommentatoren in den vergangenen zwei Tagen vorschlugen, alle Dampfer sollten sich bei Facebook abmelden.
Ich habe es einmal in Spielmannslaune vorgerechnet. Um nur ein Prozent der täglichen (!) Facebook Nutzer auszumachen, müssten sich 15.000.000 Menschen spontan abmelden. Mehr als es Dampfer in ganz Europa gibt. Und die Wenigsten werden es tun, weil nur die Wenigsten ausschließlich für den Handel mit E-Zigaretten einen Facebook Account unterhalten.
Das ist die Hybris der Online-Community. Die sich in ihrer Informationsblase für wichtiger hält als sie ist.
Plattformen wie Facebook oder YouTube interessiert es einen feuchten Kehricht, selbst wenn alle Dampfer weltweit sich abmelden würden.
Ich empfinde auch keine Schadenfreude, wenn ich in den Atlantik pinkel und in hundert Metern schwimmt einer vorbei. Nur weil ich das im Kinderbecken im örtlichen Freibad so mache, bevor ich gehe.
So etwas nennt man eine gesunde Selbstwirksamkeitserwartung.
Leider werden diejenigen, die in solchen Gedankenkonstrukten durch die Welt hüpfen, solche langen Texten wie diesen nicht lesen.
Das wirklich traurige daran ist aber, dass eben diese Leute auch die Bürgerinitiative nicht unterschreiben.
Einige sollten sich immer mal wieder klarmachen, dass Social Media nicht „das“ Internet ist. Sondern dass es Seiten von privatwirtschaftlichen, umsatzorientierten Unternehmen sind.
Man hat dort keine „Rechte“. Und es gibt dort auch keine Meinungsfreiheit. Man kann einen Vertrag mit denen eingehen und darf sie dann so nutzen, wie sie es bestimmen. Oder man lässt es.
Zu denen, die das nicht verstehen, gehören auch alle, die Widersprüche gegen die AGB posten.
Oder ihre Dampfergruppe umbenennen und auf „geheim“ stellen, in der Überzeugung, Facebook würde sie nicht finden. (Als Gruppenmitglied sollte man spätestens an der Stelle mal die Kompetenz des Administrators hinterfragen.)
Es bleibt wie es ist. Eine Revolution wird nichts bringen. Engagierte Dampfer sind die Minderheit einer Minderheit einer Minderheit.
Man muss nicht die Bundesregierung überzeugen, nicht Facebook und nicht die Gesundheitsexperten. Sondern die Wahrnehmung von Milliarden Menschen verändern. Nichts weniger.
Da wird noch einiges kommen
Diese Regulierungen werden noch weiter gehen.
Gerade erst hat YouTube die Monetisierung für Videos mit Inhalten zu E-Zigaretten abgeschaltet. Die neuen Facebook Regeln gelten auch für Instagram, denn das gehört zum Konzern. Und der Konzern hat bereits durchscheinen lassen, dass er weiter über das Thema nachdenkt.
Derzeit findet im Kongress in den USA auch eine Anhörung zum Thema E-Zigaretten statt.
In Deutschland denkt das Innenministerium über eine gesetzliche Regulierung der Influencer nach. Denn es war in den vergangenen zwei Jahren zu gerichtlichen Auseinandersetzungen gekommen.
Das könnte bedeuten, dass jeder, der ein Produkt für ein Review gestellt bekommt, dieses als Werbung zu kennzeichnen hätte. Und für die E-Zigarette würde das wiederum bedeuten, dass es damit verboten ist. Auch für Influenza Fotos auf Instagram.
Die EU hat unterdessen die Änderung einer Richtlinie beschlossen. Diese Änderung der 2010/13/EU (2018/1808) soll bis zum 19. September 2020 von den Mitgliedsstaaten als nationales Gesetz umgesetzt worden sein.
Diese untersagt nicht nur das Sponsoring von Beiträgen genauer als das Tabakerzeugnisgesetz. Sie könnte sogar dazu führen, dass Informationsvideos zur E-Zigarette untersagt werden, sobald ein Gerät bereitgestellt wurde.
Wie YouTube und Facebook darauf reagieren würden, darüber gibt das kurzfristige Verbot des Privathandels einen ungefähren Eindruck.
Die Dampfer sind selber Schuld
Wir Dampfer sind ein gutes Stück weit selber schuld.
Auch wenn der Markt eh weiter reguliert und professionalisiert werden wird.
Nicht weil nach wie vor Liquids vermarktet werden wie Süßigkeiten. Nicht weil Influenza die E-Zigarette als Lifestyle Produkte einem überwiegend jungen Publikum schmackhaft machen. Nicht weil einige Tiefbegabte immer noch aus Famegeilheit in Videos Stahlwolle und Japanisches Minzöl dampfen. Und ebenso tiefbegabte Zuschauer das dann cool finden und nachmachen.
Wenn man auf der Fachmesse Intertabak von den Tabakhallen in die Dampferhallen kommt und meint, man sei in Disneyland gelandet und den Autoscooter sucht, während Messeschneckchen sich oben ohne mit Bodypainting dem Blitzlichtgewitter stellen, dann ist auch das nicht die Schuld der Dampfer. Sondern der Händler und Hersteller.
Die Dampfer sind aber selbst schuld, weil sie ständig versuchen, die Regulierungen zu umgehen. Und dabei womöglich Glücksrittern hinterherlaufen, die sich in der Mentalität von Goldschürfern mit dem Eurozeichen in den Augen sabbernd auf die E-Zigarette stürzen.
Diese Dampfer müssen sich schon die Frage gefallen lassen, warum sie glauben, dass die E-Zigarette mehr Rechte hat als Zigaretten, Tabak, Alkohol, Cocktailschirmchen und Gartenmöbel.
Psychologisch ist diese Jagd nach Schnäppchen völlig nachvollziehbar.
Häufig geht es dabei gar nicht darum ein paar Euro zu sparen. Denn die meisten dieser Dampfer haben bereits zwanzig Geräte in der Vitrine. Und ein Umsteiger, also ein Raucher, wird keine Sammelbestellung über Facebook aufgeben.
Es ist die Befriedigung des modernen Jäger und Sammlers, etwas erjagt zu haben. Wer schon keine Mammuts erschlagen kann, der begnügt sich damit ein Sonderangebot durch Steuerhinterziehung in China abzugreifen. Und stolz auf dem Fußballplatz zu verkünden, wie billig man das Teil ergattert hat. Geiz ist geil.
Außerdem bleibt ihm die Genugtuung, es denen da oben mal so richtig gezeigt zu haben. Er hat in seinen Augen ja etwas moralisch Richtiges getan. Indem er beispielsweise die Sechs-Monats-Frist umgangen hat. Dass er damit den örtlichen Dampfer mit kleinem Shop schädigt, blendet er aus.
Und letztendlich sind wir alle völlig getrieben von Netz 2.0. Alle Informationen sind so nah, so direkt. Wir sind getrieben von dem immer drängenderen Gefühl fremdbestimmt zu sein. Ob ein im Mittelmeer geretteter Flüchtling einem tatsächlich persönlich etwas wegnimmt wird dann genauso wenig hinterfragt, wie die Nachteile einige Wochen auf eine neue E-Zigarette zu warten.
Protest um des Protestes willen.
Diese Dampfer müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie ihren eigenen, kleinen Benefit über das Wohl aller stellen.
Wenn sie nicht verstanden haben, dass genau dieses Verhalten der E-Zigarette nicht nützt sondern sogar schadet, hilft auch keine weitere Diskussion.
Wer meint, das sei Ziegenpisse, sollte sich mal Fragen, was die tatsächliche Ziegenpisse daran ist. (Dieser Satz war für die langjährigen Leser.)
Ps.: Dankeschön!
Persönlich amüsiert haben mich einige Kommentare, die meine Meldung über das Verbot für Fake News hielten.
Am Donnerstag hatte ich eine Grafik auf Facebook veröffentlicht und im Text dazu die Änderungen kurz und grob erläutert.
Ein Nutzer hätte also nur zwei Klicks weiter auf diese Seite kommen können und sich ein Bild von der Seriosität machen können.
Es war sogar die Änderung der Gemeinschaftsstandards im Text verlinkt.
Das sagt sehr viel über die Medienkompetenz dieser Menschen aus. Zumal zum Zeitpunkt der Kommentare einige Gruppen bereits geschlossen wurden.
Eigentlich muss ich mich dafür sogar bedanken. So hat es VAPERS.GURU sogar auf die Seite von Mimikama geschafft. Deren Fan ich seit vielen Jahren bin. Und die meinen Beitrag bestätigt haben.
Guru Check bei Mimikama: https://www.mimikama.at/allgemein/fb-inhalte-alkohol-tabak-e-zigaretten/
Die neuen Regeln kurz erklärt: https://www.vapers.guru/2019/07/26/kurz-erklaert-neue-facebook-und-instagram-regeln/
Die kommende Richtlinie: https://www.vapers.guru/2019/07/10/neue-eu-richtlinie-das-ende-fuer-reviews/
Joey Hoffmann
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