- Unklare rechtliche Lage ermöglicht einen riesigen, illegalen Handel mit THC Liquids
- Eine der illegalen Marken konnte inzwischen identifiziert werden
- Skandalöse Ignoranz und Sprachlosigkeit bei Gesundheitsbehörden und Verbänden
Seit etwa zwei Wochen wird in den Medien und durch Sprecher der Gesundheitsindustrie vor E-Zigaretten gewarnt. Angefangen hatte alles in den USA, doch die Panikwelle ist längst auch in den deutschsprachigen Raum geschwappt.
Es begann mit wenigen Fällen von jungen Menschen, die nach dem Konsum von E-Zigaretten behandelt werden mussten. Alle wiesen ähnliche Symptome auf. Vor allem Atemprobleme machten den Ärzten Sorgen.
Ein Patient, der 26 jährige Dylan Nelson (Titelbild), musste in ein künstliches Koma gelegt werden. Seine Lunge drohte zu versagen.
Seit Freitag ist der erste Tote zu beklagen.
Das Bemerkenswerte daran ist, dass die ersten und bis heute meisten Fälle in einem sehr kleinen Radius auftraten und -treten. An der Seenplatte, rund um die Bundesstaaten Wisconsin, Illinois und Minnesota.
Weltweit gibt es etwa 50 Millionen Konsumenten von E-Zigaretten, etwa neun Millionen alleine in den USA. Doch erst jetzt, zehn Jahre später, kommt es zu massiven Vorfällen in einem lokal begrenzten Gebiet.
Eine Schädigung durch die E-Zigarette an sich ist nicht plausibel. Weder statistisch noch medizinisch. Es muss also an dem liegen, was mit der E-Zigarette konsumiert wurde.
Nachdem inzwischen etwa 200 Fälle auch aus anderen Teilen der USA gemeldet wurden, gibt es nun endlich erste Erklärungsansätze.
Doch die kommen tatsächlich nicht durch die Behörden wie der CDC, die Ermittlungen angekündigt hat. Sondern durch die Szene. Durch Konsumenten und einige kleine Medien, die durch Recherche das Puzzle Stück für Stück zusammensetzen.
Der Schwarzmarkt geht dahin, wo der legale nicht hinkommt
Inzwischen hat ungefähr die Hälfte der Patienten eingeräumt, THC mit der E-Zigarette konsumiert zu haben. Tetrahydrocannabinol ist der psychoaktive Wirkstoff in Haschisch und Marihuana.
Doch selbst das wäre kein ausreichender Erklärungsansatz. Denn natürliches THC führt nicht zu den beschriebenen Symptomen.
Ein Erklärungsansatz wäre das so genannte synthetische Cannabis. Das wird im Labor hergestellt und als Flüssigkeit auf Kräuter aufgebracht, um natürliches Marihuana zu imitieren.
In Illinois mussten bereits im vergangenen Jahr 56 Menschen behandelt werden. Die überwiegend jungen Leute bluteten aus Mund, Nase, Ohren und Augen. Zwei verstarben.
In den genommenen Proben fand sich Brodifacoum. Es führt dazu, dass Vitamin K blockiert wird und man innerlich verblutet. Es wird gegen Nagetiere eingesetzt.
Auf gut Deutsch gesagt hatten die Leute Rattengift inhaliert.
Selbst die Berliner Polizei warnte bereits 2017 vor synthetischem Cannabis. Der Handel läuft auch hierzulande bereits auf Social Media Plattformen wie Facebook.
Inzwischen verdichten sich jedoch die Hinweise, dass ein anderes Problem zugrunde liegt. Der Schwarzmarkt in den USA.
Betrachtet man sich die Karte der 50 Bundesstaaten der USA bezüglich der juristischen Stellung von THC, blickt man auf einen Flickenteppich.
Vor allem in Staaten an der Westküste, wie Kalifornien und Washington, ist der Gebrauch von THC legal. In anderen Staaten ist der Gebrauch für medizinische Zwecke bis zu einer bestimmten Konzentration zugelassen. Wieder in anderen Staaten ist der Gebrauch für medizinische Zwecke ohne Einschränkung zugelassen. In anderen Staaten, zu denen auch Illinois gehört, ist der Gebrauch zwar eingeschränkt, wird aber nicht verfolgt. Und in einigen wenigen Staaten im so genannten Bible Belt, der konservativen Nord-Süd-Achse im mittleren Westen, ist der Gebrauch strikt untersagt.
Das macht die Situation für die Behörden schwierig bis unüberschaubar.
Beispielsweise kann jemand in Massachusetts ein Unternehmen gründen und legal THC Produkte herstellen. Er kann sie nur nicht nach Nebraska verschicken.
Doch für jemanden mit ausreichend krimineller Energie ist es sehr leicht möglich, THC haltige Produkte in Massachusetts legal zu kaufen und sie mit einem entsprechenden Aufpreis über Facebook anzubieten.
Das ist die neue Form dessen, was kleine Straßendealer tun. Die neuen Medien machen es möglich, das auch in großem und lohnenswertem Maßstab zu tun.
Der Konsument hat dadurch den Eindruck, er erhalte ein legales und sicheres Produkt.
Dank Vapes
Eine Marke, die dieses Chaos nun ausnutzt, ist Dank Vapes.
Die amerikanische Szene wurde auf die Marke aufmerksam durch Patrick DeGrave.
Patrick DeGrave ist der Bruder des bereits erwähnten Dylan Nelson, der ins künstliche Koma versetzt werden musste. Er wurde von verschiedenen Medien interviewt und räumte dabei freimütig ein, dass sein Bruder die THC haltigen Vape Pods auf der Straße gekauft hatte.
Das tun viele, selbst in den Staaten, in denen es legal ist. Denn die legalen Produkte sind natürlich teurer, sie sind unternehmerisch kalkuliert und besteuert.
In einem Video Bericht, der unter anderem von den Sendern CNN und Fox6 ausgestrahlt wurde, hält er das Produkt in die Kamera. (Foto)
„Leute kaufen sie in Staaten, in denen sie legal sind, und bringen sie in Staaten, in denen sie illegal sind, wie Wisconsin“ so DeGrave. „Du weißt nie, ob Du etwas von einem Durchschnittstypen kaufst, der es aus einer Apotheke hat. Oder von jemandem, der sich daran zu schaffen gemacht hat und eine eigene Mischung rein gemacht hat.“
Bereits ab dem 19. August, also weit bevor die panikheischenden Meldungen Europa erreichten, gingen verschiedene kleine Magazine diesem Hinweis nach. Und stießen dabei auf ein Paralleluniversum.
Dank Vapes ist kein Unternehmen. Zumindest nicht so, wie man sich das in Europa vorstellen würde. Dank Vapes hat keine Niederlassung und keine Unternehmensadresse.
Mark Hoashi, Gründer der Cannabis App Doja, sagte „Sie tun so, als seien sie ein Cannabis Unternehmen, aber sie existieren eigentlich gar nicht. Sie sind in der Verpackungsindustrie.“
Es gibt zwar einen Eintrag der Marke bei der zuständigen Behörde, um das Dank Vapes Logo auf Shirts und ähnlichem vertreiben zu können. Doch der dort eingetragene Jake Lindsey aus Los Angeles ist unauffindbar.
Es gibt auch einen Online Shop, doch der weist keine Angaben zum Unternehmen aus. Er ist sehr einfach gestaltet und die Produktfotos sind amateurhaft.
Das Unternehmen ist weder beim zuständigen Büro für Cannabis Lizenzen in Kalifornien eingetragen. Noch ist es dem Händlerverband California Cannabis Industry Association überhaupt bekannt.
Dafür gibt es jedoch über 50 Instagram Accounts, die alle unter dem Namen Dank Vapes Handel betreiben. Und alle behaupten von sich, das „echte“ Dank Vapes zu sein. Einige wurden inzwischen gelöscht.
Angeboten werden vorbefüllte Kartuschen mit THC haltigem Liquid in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Diese kleinen Kartuschen werden mit durchschnittlich 13 Dollar gehandelt.
Die Verpackungen sind im typisch poppig bunten Stil gehalten, mit Hologrammen und Comic Figuren auf der Vorderseite. Sie weisen weder Inhaltsstoffe noch Firmenadresse auf.
Ab da wird es jedoch noch kurioser und für europäische Verhältnisse geradezu unverständlich.
Man kann bei Amazon ganz legal Dank Vapes Verpackungen kaufen. Ein Angebot weist für 500 Kartons in 45 verschiedenen Ausführungen 179,90 Dollar aus. Also etwa 32 Euro Cent pro Stück.
Tatsächlich scheint es eher so zu sein, dass Dank Vapes einfach eine Marke, ein Branding ist, das sich auf dem Schwarzmarkt etabliert hat. Ähnlich wie hierzulande „Roter Libanese“ und „Schwarzer Afghane“ für bestimmte Haschisch Sorten, „Badesalz“ für synthetisches LSD und „Spice“ oder „K2“ für synthetisches Cannabis.
Jeder kann sich die befüllbaren Pods zulegen, jeder kann sich die Kartons besorgen und jeder kann aus THC Öl oder durch Eigenanbau in seiner Garage solche THC Pods herstellen.
Problem Schimmelbefall
Arcview ist ein Unternehmen, das sich mit der wirtschaftlichen Seite des Cannabis Marktes auseinandersetzt. In einem in diesem Jahr veröffentlichten Bericht legt das Unternehmen dar, dass Dampf Produkte am Cannabis Markt von 10 Prozent im Jahr 2014, als die Legalisierung stattfand, auf 27 Prozent gestiegen sind.
Das bedeutet fast ein Drittel des legalen Cannabis wird inzwischen durch E-Zigaretten konsumiert.
In einem wirtschaftlich so wenig regulierten Land wie den USA öffnet das dem Schwarzmarkt Tür und Tor.
Im Grunde bekommen die USA derzeit die gleichen Auswirkungen zu spüren, wie bereits in der Zeit der Prohibition vor knapp 100 Jahren. Wenn die Nachfrage da ist, der Markt jedoch nicht reguliert und das Produkt verboten, übernehmen andere das Geschäft.
So ist die Mafia groß geworden und jeder zweite hat selber Bier und Schnaps hergestellt. Zur Not zu Hause in der Badewanne. Auch damals wurde gepanscht und gestreckt. Der so genannte Bathtub-Gin hatte häufig bereits nach einem Glas gesundheitliche Schäden zur Folge.
Was diese jungen Menschen nun aktuell am eigenen Leib zu spüren bekommen haben ist diese Deregulierung durch Regulierung.
Das Problem bei jedem Cannabis Anbau und der Verarbeitung ist Aspergillus. Das ist eine Schimmelpilz Gattung mit 350 Unterarten, die im Deutschen als Gießkannenschimmel bezeichnet wird.
Fast alle Arten produzieren Allergene und einige können zu Infektionen führen. Die invasive Aspergillose ist zwischen 50 und 95 Prozent tödlich.
Auf YouTube beschrieb ein Verkäufer aus den USA, wie eine Kundin mit einer auslaufenden Kartusche um Hilfe bat. Dabei bemerkte er einen starken, schimmeligen Geruch des Liquids.
Eine Aspergillose führt zu Symptomen wie der Entzündung der Bronchien, Atemnot, schmerzhaftem Husten und bräunlich eitrigem Auswurf. Durchfälle und Bauchschmerz sind üblich, es kann auch zur Verminderung der Herzleistung kommen.
Alles Symptome, die auch bei den aktuellen Fällen beschrieben wurden.
Labor findet Pflanzenschutzmittel
Doch es kommt noch schlimmer.
BelCosta Labs in Long Beach in Kalifornien hat sich auf das Testen von Cannabis Produkten spezialisiert. Der Geschäftsführer Myron Ronay bestätigte, dass sie in Proben solcher Schwarzmarkt Produkte sehr häufig Myclobutanil nachweisen können. Und häufig in gesundheitsgefährdenden Dosierungen.
Myclobutanil ist ein Fungizit, ein Pflanzenschutzmittel gegen Schimmel. Offenbar wird das den illegalen THC Liquids gerne als Zusatzstoff zugegeben, um den Befall durch Aspergillus – also das Schimmeln – zu verhindern.
Grundsätzlich ist Myclobutanil für den Menschen nur schwach giftig. Doch wenn es erhitzt wird, setzt es unter anderem Cyanwasserstoff frei. Besser bekannt als Blausäure.
Blausäure wurde bis 1999 in den USA zur Hinrichtung in Gaskammern eingesetzt. Bereits 1916 setzte die französische Armee es als Kampfstoff im ersten Weltkrieg ein. Und es war Hauptbestandteil von Zyklon B, mit dem die Nazis Millionen Menschen in Gaskammern industriell ermordeten.
Anhand der Konzentrationen des gefundenen Myclobutanil muss man davon ausgehen, dass es nicht als Pflanzenschutzmittel bei der Aufzucht des Cannabis eingesetzt wurde. Sondern den Liquids nachträglich zugesetzt wurde, um den Schimmelbefall zu verhindern.
Ein Dealer muss nicht mehr selber züchten. Er benötigt keine Gewächshäuser.
Die THC haltigen Öle sind in den Bundesstaaten, in denen es legal ist, leicht zu bekommen. Selbst Myclobutanil ist über Amazon zu beziehen. Eine Gallone (knapp 4l) für umgerechnet 35 Euro.
Alles was er tun muss ist, es mit Aroma und Glycerin zusammenschütten, in Pods füllen, in die Kartons verpacken und illegal über Facebook und Instagram als „original“ anbieten.
Ein Skandal des Schweigens
Es geht nicht um E-Zigaretten.
Angesichts dieser Situation geht es um illegale Drogen. Eine wirre und vage Drogenpolitik. Es geht um Aufklärung und Aufklärungsarbeit.
Den Medien ist dabei kaum ein Vorwurf zu machen. Es sind mehr oder weniger seelenlose Maschinen, die Nachrichten aus dem produzieren, was sie an Informationen erhalten. Ihr einziges Interesse sind der Umsatz, die Klicks und damit das Geld.
Erschreckend ist, dass die ermittelnden Behörden sich nicht weiter zu den Vorgängen äußern. Oder wenigstens nebulös bleiben. Selbst USA Today fragte gestern bereits in einem großen Aufmacher, warum die CDC so still bleibt.
Anstatt die Situation in den USA zu erklären und auf den Schwarzmarkt einzugehen, der vor allem auch im Bereich des Heroins große und massive Probleme mit sich bringt, wird die E-Zigarette verantwortlich gemacht.
Ärzte, Lokalpolitiker und selbsternannte Gesundheitsexperten geben sich das Mikrofon in die Hand um in Kameras zu sprechen und vor der E-Zigarette zu warnen.
Damit bereiten sie den Lobbyisten das Feld, die das natürlich ausnutzen um die Stimmung gegen die E-Zigarette und gegen die Harm Reduction weiter anzuheizen. Motiviert durch Profit oder moralische Vorstellungen. Moralinsaure Helikoptereltern, Pharmalobbyisten und sogar Ärzteverbände.
Erst am vergangenen Sonntag warnte hierzulande die Vize-Präsidentin der Bundesärztekammer Dr. Martina Wenker vor der Nutzung der E-Zigaretten. Und zeigte in der Pressemitteilung ein bewundernswertes Maß an Unkenntnis der tatsächlichen Sachlage in Deutschland.
Doch die E-Zigarette ist nur das Vehikel. Eine Möglichkeit, eine Droge zu konsumieren. Wie der Geldschein für Kokain und die Wasserpfeife für Haschisch.
Vor der E-Zigarette zu warnen ist, als würde man wegen der Heroinwelle in den USA vor Spritzen warnen.
Gestern nannte die oberste Forscherin von Myriad Pharmaceuticals aus Neuseeland Eliana Golberstein Rubashkyn diesen Umgang auf Twitter offen „religiösen Fundamentalismus“.
Dem kann man sich nur anschließen.
Der eigentliche Skandal dabei wird erst auf den zweiten Blick deutlich.
Nicht nur, dass durch die instrumentalisierte und geldgetriebene Kommunikation Raucher verunsichert und wohlmöglich vom Umstieg auf ein um Längen weniger schädliches Produkt abgehalten werden. Was dazu führt, dass weiterhin Millionen Menschen an den Folgen des Tabaks sterben.
Nun wird auch noch falsch über den illegalen Drogenhandel aufgeklärt, was dazu führt, dass Konsumenten an vermeintlich harmlosen und andernorts legalen Substanzen sterben.
Es ist schwer, diese Doppelmoral noch in Worte zu fassen.
Themenschwerpunkt – Profiteure der Angst: https://www.vapers.guru/2019/05/07/profiteure-der-angst-1/
Bericht nach den ersten Meldungen: https://www.vapers.guru/2019/08/19/epidemie-geheimnisvolle-lungenerkrankung-durch-e-zigarette/
Joey Hoffmann
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