- Schädlichkeit von Sucralose ungewiss, Verbände bleiben vorsichtig
- Klickgeiles YouTube Video entfacht Panikwelle
- Schuster bleib bei deinem Leisten
In der Erregungsbereitschaft der sozialen Medien geht seit Freitag ein Sturm durch das Netz.
Sucralose ist der neue alte Feind.
Für mich persönlich wäre das alles nicht einmal einen Artikel wert gewesen. Doch inzwischen laufen die Kanäle bei den Herstellern heiß, Prof. Dr. Bernd Mayer hat sich mehrfach geäußert und ich wurde gebeten, mich dazu auszulassen.
Tatsächlich sehe ich das Problem weniger bei der Sucralose. Sondern in der Kommunikation in Neuland.
Ausgehend von einem Video von jemanden, der augenscheinlich nicht die geringste Ahnung hat und durch Alarmismus Klicks von überwiegend Tiefbegabten einsammeln wollte, läuft gerade genau das, was wir großen Medien zumeist vorwerfen.
Und weil ich keinen Bock habe meinen Sonntag damit zu verbringen mich sachlich und neutral dazu zu äußern, mache ich das in einem Kommentar.
Während ich mich mit diesem Scheiß beschäftigen muss, hat draußen gerade ein Kind gelacht; ich empfinde das als respektlos.
Das Bundesinstitut für Irgendwas
Angefangen hat alles mit einer Stellungnahme des BfR, des Bundesinstitutes für Risikobewertung, vom 09. April 2019.
Darin kommt das BfR nach einer Studie zu dem Schluss, dass Sucralose (E 955) bei einer Erhitzung über 120°C zur Entstehung von „Verbindungen mit gesundheitsschädlichem und krebserzeugendem Potential“ beitragen könnte.
Dabei geht es primär um Lebensmittel „wie beispielsweise Gemüsekonserven oder Backwaren“.
Das BfR kommt weiter zu der Schlussfolgerung: „Für eine abschließende Risikobewertung fehlen derzeit jedoch Daten.“
Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA beschäftigt sich derzeit mit einer Neubewertung der zugelassenen Zusatzstoffe und auch mit Sucralose. Bis die Ergebnisse vorliegen, empfiehlt das BfR auf Sucralose zu verzichten.
Auf e-dampfen-forum.de lief bereits seit dem 31. Januar ein Thread unter dem Titel „Laufend Watte in Wicklung kaputt“.
In diesem Thread wurde auch über Süßstoffe philosophiert. Woraufhin Prof. Dr. Bernd Mayer, Pharmakologe und Toxikologe von der Uni Graz, nach einer Bitte dort ein kurzes Statement abgab. (Link unten)
Darin rät er von der Verwendung von Liquids mit Sucralose ab. Er unterstreicht jedoch deutlich, dass er das nicht endgültig beurteilen könne. Mit der gleichen Begründung wie das BfR. Es fehlen genaue Ergebnisse.
Immer wieder wird kritisiert, wenn irgendwelche Zellen oder Mäuse bedampft werden und aus den Ergebnissen geschlussfolgert wird, dass die E-Zigarette grundsätzlich schädlich sei. Der gleiche Zusammenhang existiert auch hier.
Man weiß nicht einmal, ob Sucralose in Backzutaten schädlich ist.
Ja, es entstehen toxische Verbindungen. Das passiert beim Grillen auch. Currywurst Pommes Rot Weiß ist ein toxisches Hiroshima. Der Supergau, die pharmakologische Endlösung.
Aber das lässt noch keinen Rückschluss zu. Denn niemand weiß, wie viele toxische Klamotten entstehen oder wie die sich auf den Menschen auswirken. Geschwiege denn dass jemand weiß, wieviel davon beim Dampfen entsteht. Und wieviel der Dampfer davon inhaliert.
Offenbar hat jedoch der Betreiber eines YouTube Kanals dieses Statement gesehen. Und händereibend beschlossen, daraus könnte man auf dem Niveau der Bildzeitung mal schön Klicks generieren.
Die Bild Leser von Neuland
Am vergangenen Freitag, dem 06.09.2019, wurde ein Video auf dem Kanal „Dampfer Girl“ veröffentlicht.
Ich hatte das vorher bereits wahrgenommen, aber mir bewusst nicht angeschaut.
Für mich sind diese Videos Ausdruck einer kastrierten, pseudo-hippen und unfassbar oberflächlichen Kommunikation. In meinen Augen bedienen solche Kanäle die Bild Leser von Neuland.
Dazu zähle ich nicht nur „Dampfer Girl“ sondern auch „Tony Vapes“ und einige andere.
Zu meiner Zeit gab es einen entsprechenden Spruch über Basketball: Scheiß egal wie wir gespielt haben, Hauptsache wir sahen gut dabei aus.
Ein wenig Clickbait muss immer sein. Aber eine Überschrift wie „Sucralose das GIFT in deinem LIQUID und Aroma? DAS musst du JETZT WISSEN“ lädt mich persönlich eher dazu ein nicht drauf zu klicken.
Eigentlich sogar meinen PC zu verbrennen, aber ich setze Eskalationen nur gezielt ein.
Ich möchte in Überschriften generell nicht geduzt werden.
WAT muss ich jetz unbedingt wissen? Dat SCHEIßE mit PUDERZUCKER kein DONUT ist?
Wenn man hinter einer YouTube Überschrift zu einem Jimi Hendrix Song noch „COOLE MUSIC“ schreiben muss, dann haben die Leute, die das deshalb gucken, Jimi Hendrix nicht verdient. Hört Capital Bra, Ihr Steißgeburten. Keine Verhandlungen. Zwinkersmiley Hashtag Witzig At-Zeichen Sarkasmus Lachsmiley.
Es ist mir auch vollkommen gleichgültig, wenn ich arrogant rüberkomme, Dampfer sich angegriffen fühlen oder ich dafür angefeindet werde. Die meisten der Zielgruppe werden lange Texte wie diesen eh nicht lesen.
Das ist nicht arrogant, sondern empirisch zu belegen. Ich bin nur der Arsch der es ausspricht.
Wenn ich dann unter einem solchen Video Kommentare lese, das sei „gut recherchiert“, bleibt mir das Lachen im Halse stecken. Derjenige, der so etwas schreibt, hat nicht einmal eine Ahnung, was „gut recherchiert“ überhaupt bedeutet. Er unterliegt dem Dunning-Kruger-Effekt.
Nur weil Rezo mal etwas Viertelgescheites raushaut und die CDU zu dämlich und zu unbeweglich ist darauf zu reagieren, war es deshalb noch nicht „gut recherchiert“.
Der Macher dieses Videos hat einen Kommentar und eine Stellungnahme gelesen. Zusammen nicht einmal zwei DinA4 Seiten. Mehr nicht. Keine Recherchearbeit.
Und dann hat er daraus etwas vor laufender Kamera zusammengefaselt, das bei einem großen Medium zu einem massiven Shitstorm und dem Ruf nach dem Presserat geführt hätte.
Die zwei größten Probleme: Im Informationszeitalter und der schönen, neuen, bunten Welt von Netz 2.0 haben die meisten jüngeren Menschen die Aufmerksamkeitsspanne einer Fahrstuhlbedienung. Und deshalb merken viele nicht mehr, was auf der Meta Ebene transportiert wird. Ob ein Fachmann dort etwas sagt, oder ein YouTuber, hat für sie die gleiche Wertigkeit.
Natürlich waren die Aussagen zu dem, was Prof. Dr. Bernd Mayer geschrieben hatte, alle richtig. Doch sie wurden wüst spekulierend und zum Teil falsch interpretiert.
Daher nehme ich mir die Zeit, die Aussagen aus dem Video mal Stück für Stück durchzugehen. Denn das ist leider nötig, um sich ein Urteil erlauben zu können.
Und betrinken muss ich mich eh, die Nummer ist längst durch. Die Alternative wäre erweiterter Suizid.
Sucralose das GIFT in deinem LIQUID und Aroma? DAS musst du JETZT WISSEN
„Sucralose ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in den meisten Chubby, Shake ’n Vape und Longfill Flaschen enthalten und vermutlich auch in ein paar 10ml Aromen vorhanden.“
Diese Aussage ist völliger Schwachsinn. Sucralose wurde bereits verwendet, als es Aromen nur in 10ml Flaschen gab. Zu Zeiten, in denen viele Dampfer noch die Wolle aus dem Teddy gezupft haben. Denn die Verwendung von Inhaltsstoffen ist nicht abhängig von der Abfüllung. Und viele Aromen gibt es in verschiedenen Abfüllungen.
Es ist vollkommener Unfug vor Chubby Gorilla Flaschen zu warnen. Das entspricht der Logik vor E-Zigaretten zu warnen, weil einige Raketenwissenschaftler in den USA sich mit gepanschten Drogen abschießen.
(„Kohlensäure ist in den meisten 1l Wasserflaschen vorhanden“ …ach Fresse, du Geschwisterkind. Deine Mutter riecht nach Wurst.)
Richtig ist, dass Sucralose gerne in den quietschsüßen Liquids verwendet wird, die dann auch billig über YouTube und Instagram Influencer vermarktet werden. Doch das ist weder umfassend noch allgemeingültig.
Mir sind weit mehr Hersteller bekannt, die auf Sucralose verzichten, als im Video gezeigt wurden. (Hashtag katsching Fragezeichen)
Ich möchte jetzt nicht so weit gehen von einer Influencer Aktion dieser Marken zu sprechen. Aber man kann ja mal Produkte in die Kamera halten und empfehlen. Was der Dampfer Girl ja tut.
Ich gehe auch davon aus, dass der Kanal für Reviews mehr bekommt als nur Samples.
Einmal nennt der Sprecher das Bundesinstitut für Risikobewertung „Bundesinstitut für Risikoforschung“, ein anderes mal kürzt er es „BVG“ ab. Was nun die Berliner Verkehrsbetriebe damit zu tun haben bleibt sein Geheimnis. Im Weiteren nannte er das BfTG, das Bündnis für Tabakfreien Genuss, auch einmal „BVG“.
Natürlich kann sich jeder mal versprechen. Aber sich zweimal bei einer Quelle bzw. dreimal bei Organisationen zu versprechen, zeigt doch beeindruckend, dass derjenige davon schlicht keine Ahnung hat. Und das dann noch zu veröffentlichen zeigt sehr deutlich, welche kognitive Kapazität er seinen Zuschauern zutraut.
Das BfR ist eine der wichtigsten Instanzen in Deutschland bezüglich der E-Zigarette. Und es ist inzwischen der E-Zigarette durchaus wohlgesonnen, weil es streng nach Faktenlage beurteilt. Zu nennen ist hier vor allem Frank Henkler-Stephani, der bereits mehrfach interviewt wurde, eine wichtige Studien geleitet und an Podiumsdiskussionen teilgenommen hat.
„Also ist Sucralose auch mitverantwortlich für Eure Schwarze Watte […] und wie nennt man diese Liquids, die das verursachen? Richtig: Coilkiller.“
Diese Aussage ist schlicht falsch.
Ich selber teste gerade Tabakextrakte. Das sind die Coilkiller vorm Herrn. Und mir sind spontan mindestens zwei Aromen bekannt, bei denen man nach zwei Tanks die Coil wechseln muss, die aber keine Sucralose enthalten. Sie sind nicht einmal süß und ich liebe sie.
Vor allem Vanille Aromen sind für das Schwärzen der Coils bekannt.
Zudem ist die Schlussfolgerung, dass schwarze Coil und Watte von Gesundheitsschädlichkeit zeugen, mindestens fragwürdig. Das mag gemäß laienhaften Menschenverstand so sein. Aber Menschenverstand spreche ich nach ein oder zwei Silvestern Psychologie eh jedem ab. Spätestens wenn ich meinen Wohnungsschlüssel im Kühlschrank wiederfinde. (Hab ich mir nur ausgedacht. Nie passiert.)
Wenn sich eine Verkrustung an den Coils bildet, wurde das doch offenbar nicht verdampft und inhaliert. Mit gleicher Berechtigung könnte ich also behaupten, wenn sich Matsche an der Coil bildet, ist der Dampf gesünder.
Prof. Dr. Bernd Mayer hat das auch entsprechend unter dem Video kommentiert. Die meisten Blitzgescheiten werden es aber nicht lesen und/oder verstehen.
„Nachdem die Produkte flüchtig sind (andernfalls würde man sie nicht inhalieren), bezweifle ich deren Rolle als Coilkiller und vermute eher, dass die Coils durch nicht-flüchtige Sucralose ruiniert werden (wie das auch herkömmliche Zucker tun).“
„Anmerkung: Mit der Aussage die Produkte seien „ekelhaft“ habe ich nicht deren Auswirkungen auf die Coils sondern auf die Gesundheit der Konsumenten gemeint (die mich mehr interessiert als das Wohlergehen von Drähten).“
Prof. Dr. Bernd Mayer
Weiter behauptet der Dampfer Girl „Bisher war man wohl der Ansicht, dass solche kritischen Sachen erst bei einer Temperatur von 300°C entstehen können.“
Welche kritischen Sachen? Wer hat das behauptet? Und vor allem, woher kommt eine solche Aussage?
Ich gehe davon aus, bei solchen Thesen hat ein rosa Elefant souffliert. (Oder Lysergsäurediethylamid. Viel Spaß beim googeln, eat my dust.)
Die Wucht der rhetorischen Leistung und der wissenschaftlichen Expertise kann man auch daran ablesen, dass der Sprecher von „Methylamatol“ spricht. Ich war in der Eile nun nicht in der Lage zu prüfen, ob es Methylamatol gibt. Derzeit nehme ich an, das ist der Stoff, der in Einhornkotze vorkommt und in den Mitteln ist, die Penisse vergrößern. Wir alle kennen die Mails.
„Der Bernd Mayer spricht sich hier ganz klar dafür aus, dass Sucralose mitverantwortlich ist, dass Eure Watte schwarz wird und sich zersetzt.“
Hier muss man es als klare Lüge bezeichnen. Prof. Dr. Bernd Mayer hat diese Aussage niemals getroffen. Das hat er auf seiner Facebook Seite auch heute noch einmal klar gestellt.
Nochmals in aller Deutlichkeit: Der Zusammenhang zwischen Sucralose und geschwärzter Watte und verkrusteten Coil ist weder eindeutig, noch ausschließlich, noch kann man daraus einen Rückschluss zur Schädlichkeit ziehen.
„Und es ist auch vollkommen egal, auf wieviel Watt Ihr Euren Coil befeuert.“
Diese Aussage offenbart erneut den geistigen Horizont. Oder wahlweise das Maß der Klick erheischenden Panikmache.
Denn wenn Sucralose zu Gesundheitsrisiken führen sollte, ist es selbstverständlich nicht egal, mit wieviel Watt man seinen Coil befeuert. Mit höherer Leistung würde auch mehr Liquid und mehr Sucralose bei höherer Temperatur verdampft und inhaliert.
Diese Logik besagt, dass es gleich gesundheitsschädlich ist, wenn mir ein Blatt oder ein Gullideckel auf den Kopf fällt.
Von weiteren Versprechern, wie aus „deklarieren“ mal „dekralieren“ zu machen, sehe ich einmal ab.
Das kann mir nach zwei Schlaganfällen und/oder zehn Bier auch passieren. Aber zumindest habe ich dann eine Ausrede. Und würde es niemals veröffentlichen.
Die Aussage „Letztendlich weiß niemand, was in diesen Chubby Flaschen drin ist.“ halte ich für die gleiche Stimmungsmache.
Letztendlich weiß niemand, was in Tütensuppen drin ist. Letztendlich weiß man nicht einmal genau, was in dem Wasser ist, das aus dem Hahn kommt.
Es erschafft ein falsches Bild. Das Bild der psychisch grenzwertigen Superschurken, die in geheimen Super-Labors lachend irgendetwas zusammenschütten. (Kenne zwei, die sind so. Der eine ist betrunken.)
Doch die Hersteller müssen Analysen durchführen, Inhaltsstoffe angeben und sogar Rücksteller für jede Charge vorhalten. Und wenn damit irgendetwas nicht stimmt, ist die Bude ganz schnell dicht.
Um es mal ganz deutlich zu sagen: Es geht die Leute nix an.
Es geht sie schlicht nichts an, was sie fressen und trinken (und dampfen). Das ist Vertrauenssache. Gegenüber dem Staat und dem Verbraucherschutz, der das kontrolliert. Und gegenüber dem Hersteller.
Das sagt man nicht laut auf Partys, aber das ist die Realität des Kapitalismus. Wer das anders will, muss beim Bauern kaufen. Und sein Glycerin auf dem Balkon anpflanzen. Er hat nur diese beiden Auswahlmöglichkeiten.
Eine dritte wäre, Chemiker zu werden und jeden Furz durch den Gaschromatographen zu jagen.
Wer sich damit begnügt lebt glücklicher.
Wenn ich im Discounter Tomaten mitnehme, muss ich mich darauf verlassen können. Ich muss mich darauf verlassen, dass die nicht von peruanischen Waisenkindern angebaut, mit Plutonium bestrahlt und mit LKW in den Supermarkt gefahren wurden, die mit Robbenbabys betrieben werden.
Das gibt mir aber noch nicht das Recht, alle Betriebsinterna des Herstellers zu erfahren. Ich verlange im Restaurant auch nicht die Küche sehen zu dürfen.
Die Verbände
Genauso bewerte ich den Aufruf, die Konsumenten hätten ein Recht es zu erfahren.
Was Prof. Dr. Bernd Mayer auch sicher mit seiner Aussage in Forum meinte „Als Konsument würde ich diesbezüglich die Händler unter Druck setzen.“
Selbstverständlich sollte man das tun. Aber es kann doch nicht die Lösung sein, wenn jeder Hinz und Kunz angestachelt von einem reißerischen YouTube Video nun irgendwelche Leute nervt.
Man hat das Recht auf das Produkt zu verzichten. Die Hersteller müssen also transparent sein. Ein Recht auf das Rezept gibt es noch lange nicht.
Als genauso reißerisch sehe ich die wörtliche Aussage von Dampfer Girl „Niemand von den Verbänden hat sich dazu geäußert. Worauf wir eigentlich einen Anspruch hätten.“
Nein, hättet Ihr nicht. Das mag man moralisch und egozentrisch so empfinden. Es ist aber der fehlgeleitete Griff nach dem Strohhalm. Denn die Händlerverbände sind primär dafür da, die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber der Politik zu vertreten. Es besteht nicht einmal ein Anspruch, dass die überhaupt etwas veröffentlichen.
Hier haben wir einmal ein sehr schönes Beispiel für die wenigen Ausnahmen, in denen die Interessen der Händler und Hersteller nicht identisch sind mit den Interessen der Konsumenten. Das liegt in der Natur der Sache und ist bei Autos, Erbsensuppe und Dachpfannen nicht anders.
Dafür zuständig wäre ein Konsumentenverband. Seine Aufgabe wäre es, die Interessen der Konsumenten gegenüber der Politik, aber auch gegenüber den Herstellern zu vertreten.
Wie ich die IG-ED einschätze bekommen die davon so langsam mal etwas mit, schreiben sich heute Nachrichten und der Vorstand berät darüber, wann man mal einen Stuhlkreis bilden sollte, um darüber zu diskutieren, wie man sich dazu äußern soll. Was man dann erst im Forum zur Abstimmung stellt. Ich rechne mit einer hektischen Reaktion so um die Weihnachtszeit.
Eigene Analysen sind eh nicht zu erwarten. Dafür haben die weder das Geld noch die Verbindungen, geschweige denn die internen Strukturen.
Dieser nachhaltige Mangel an Protagonisten ist auch der Tatsache geschuldet, dass die meisten der jüngeren Konsumenten sich lieber solche Videos reinziehen und sich dann für gut informiert halten, anstatt sich mal länger als eine Klositzung mit einem Thema zu beschäftigen.
Das BfTG ist längst an der Sache dran.
Mir liegt als Mitglied des Verbandes bereits seit dem 4. September ein offizielles Gutachten von Prof. Dr. Bernd Mayer zur Sucralose vor.
Der Verband schließt sich dem Gutachten an und empfiehlt seinen Mitglieder, bis zur Veröffentlichung einer fundierten toxikologischen Risikobewertung auf Sucralose zu verzichten. Und er bestätigt auch seine Einschätzung, dass der Gehalt von Sucralose gesetzlich verpflichtend ausgewiesen werden müsste.
Der VdeH hat am Samstag ein kurzes Facebook Posting veröffentlicht, in dem er behauptet, er hat „zunächst eine toxikologische Emissionsanalyse auf Basis von realen Bedingungen beauftrag“ und er würde „in Kürze“ mit den ersten Ergebnissen rechnen.
Samstags sind Labore geschlossen. Das halte ich für eine PR Nummer durch den Vorsitzenden Michal Dobrajc um schnell das Thema zu besetzen. Ich wage sehr stark zu bezweifeln, dass es in den nächsten Tagen schlüssige Ergebnisse geben wird. Maximal eine Emissionsanalyse, die aber auch nur sehr bedingt aussagekräftig ist.
Nochmals: Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA arbeitet bereits länger daran. Das bedeutet ein Milliardenberhörde arbeitet seit Wochen daran das für 512 Millionen Menschen zu untersuchen.
„Ich weiß es nicht“ sagen können
Das Video wurde Freitag veröffentlicht. Am Montag werden die Hersteller ins Büro kommen und einen Shitstorm im Mailfach vorfinden. Worauf sie gar nicht so schnell reagieren können.
Unter dem Video tauchten bereits Anfragen nach einzelnen Liquids auf. Das Netz 2.0 schlägt mit voller Wucht zu. Bilder eines mittelalterlichen Mobs, der mit Fackeln und Heugabeln durchs Dorf zieht und auf dem Markplatz erstmal diskutiert, in welcher Burg nun die Hexe lebt.
Es wird alles nichts bringen und die Erregungsbereitschaft der Dampferblase wird, wie schon so oft, im Sande verlaufen.
Doch viele Leser werden meinen Rant bis hierhin durchgehalten haben um zu erfahren, ob Sucralose nun wirklich so schädlich ist.
Meine sehr klare und eindeutige Antwort darauf: Vielleicht.
Weder das BfR noch Prof. Dr. Bernd Mayer treffen dazu eine eindeutige Aussage.
Und das bedeutet Wissenschaft. Auch mal sagen zu können „Ich weiß es nicht“.
Selbstverständlich prüft ein Pharmakologe ein Video inhaltlich, ob seine Aussagen korrekt wiedergegeben wurden. Das wurden sie in diesem Fall. Auch wenn Bernd Mayer das Video inzwischen als „etwas reisserisch“ bewertet hat.
Ich kann auf der Meta Ebene mit dem gleichen Informationsgehalt einmal beschwichtigen und einmal die Weltrevolution ausrufen. Das sollte halbwegs intelligenten Dampfern inzwischen klar sein, spätestens nach „fünf Toten durch die E-Zigarette“.
Das widerspricht nicht meiner Kritik. Denn als Kommunikationsfrettchen und Medienmachender beurteile ich das aus einer anderen Perspektive als ein Toxikologe und Professor.
Es gibt den Hinweis, dass Sucralose toxische Stoffe bei Erhitzung „produziert“. In wie weit das überhaupt Auswirkungen auf den Menschen hat, ist derzeit unklar. In wie weit das Auswirkungen auf Dampfer hat, ist noch unklarer.
Gäbe es dazu so ernsthafte Befürchtungen, wären die Produkte längst vom Markt. Sind sie aber nicht.
Diese ganze Aufregung ist das Ergebnis von Meinungsbildnern, die keinerlei Ahnung haben, Zusammenhänge nicht verstehen und absichtlich eine Panik inszenieren, um Klicks zu generieren.
Was bringt es denn bitte sofort auf Sucralose in Liquids zu verzichten, wenn wir uns Samstag mit Wodka Red Bull bis zur Erfindung einer neuen Sprache volllaufen lassen und sonntags unter Androhung der Enterbung bei der Omma die Fertigtorte essen?
Wer heute beim Dampfen so reagiert muss auch morgen so reaktionsbereit durch den Supermarkt laufen. Und da Aromastoffe nicht alle aufgeführt werden müssen: Good Bye Kapselkaffe, Erdbeerjoghurt und Dosenpfirsich.
Warnung vor Sucralose
In der Folge hatte Simon Bauer ein Video auf seinem Kanal Vape Scene Investigation veröffentlicht, in dem er ähnlich kommentiert. (Link unten) Das ist eine Frage des Verantwortungsbewusstsein.
Wenn er als Konsument, der zu anderen Konsumenten spricht, das alles für halb so wild hält, dann ist das seine unstrittige Meinung. Niemand kann ihn dafür haftbar machen, er ist seinem Gewissen verpflichtet.
Wenn ein Pharmakologe dazu befragt wird, der dazu zuvor bereits ein Gutachten abgegeben hat, muss er zwangsläufig davor warnen. Und ein Verband muss das aus den gleichen Gründen bei seinen Mitgliedern ebenso tun.
Noch vor zwei Jahren hätte ich so reagiert wie Simon.
Doch inzwischen muss ich mich genauso vorsichtig äußern. Ganz einfach weil ich nichts damit zu tun haben will, wenn morgen ein Dampfer aufwacht und Sucralose Kristalle im Auge hat und sexuell junge Schafe präferiert. Oder ihm eine gotische Kathedrale aus dem Kopf wächst.
Was ich privat mache, werde ich nicht äußern.
(Die gotische Kathedrale halte ich für tendentiell unwahrscheinlich. Aber da möchte ich mich nicht festlegen.)
Was mir daran viel eher den Sonntag versaut ist, dass die Menschheit sich abschafft. Das ist für mich nach einigen Jahren Auseinandersetzung mit Kommunikationspsychologie längst abgemacht.
In einer Welt, in der ein amerikanischer Präsident nachts um zwei Cofeve twittert, kann es nicht mehr lange gut gehen.
Jeder Hodenkobold kann sich vor eine Kamera setzen und seine Meinung in die Welt posaunen. Andy Warhol hätte einen Dauerorgasmus.
Das eigentliche Problem dabei ist, dass irgendwelche Evolutionsbremsen das dann für den Stand des endgültigen Wissens halten und verfälscht weitertratschen.
YouTube ist das Bällebad der Informationsgesellschaft.
In der Anfangszeit dachen alle noch so: Geilomat, Internetz zum Verteilen von Ideen, Kunst und Wissenschaft. Aber wenn der Mensch so schlau wäre, würde er Schulbücher teilen und nicht Kätzchen Content und Sucralose Videos. Und vor allem würden andere dann nicht hingehen und das für den letztgültigen Stand der Menschheit halten.
Niemandem ist ein Vorwurf daraus zu machen, wenn er sich mit etwas nicht auskennt. Auch Prof. Dr. Mayer verweist häufig darauf, dass er sich mit 99,9% der Sachen nicht auskennt. (Ich persönlich kenne mich nur mit 99,783% des Universums nicht aus, weshalb ich eindeutig viel schlauer bin.)
Aber warum muss man sich damit öffentlich machen? Und dann womöglich noch wundern, wenn man Gegenwind bekommt?
Ich kenne die psychologische Antwort, die tut aber weh.
Ich komme tatsächlich noch aus einer inzwischen völlig underben Welt, in der man sich echt mit etwas auskennen musste, wenn man sich öffentlich äußert. Damals war alles viel früher.
Man musste irgendwie sowas studiert haben oder sich jahrelang mit einem Thema befassen. Inzwischen reicht es, eine Aufmerksamkeit heischende Überschrift mit Kapitalen drüber zu knallen und seine Meinung über die Äußerungen eines anderen, viel viel Gescheiteren, zu verbreiten. Die man vielleicht gar nicht verstanden hat.
Manchmal benutze ich auch Fremdworte wenn ich sie nicht verstehe, dann wirkt man direkt so photosynthese.
Hashtag Ziegenpisse Zwinkersmiley
Video von VSI Simon Bauer: https://youtu.be/sC8_vYr9ZPE
Stellungnahme des BfR: https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2019/09/suessstoff-sucralose-beim-erhitzen-von-lebensmitteln-koennen-gesundheitsschaedliche-verbindungen-entstehen.pdf
Kommentar von Prof. Dr. Bernd Mayer im Forum: https://bit.ly/2lIqZEI
Dunning-Kruger-Effect: https://de.wikipedia.org/wiki/Dunning-Kruger-Effekt
Studien sagen nicht das, was Dampfgegner gerne daraus machen
Joey Hoffmann
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