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Auch in Deutschland: Warnung vor gepanschten Liquids

Die Abgründe eines übersehenen Marktes

  • 13 Jugendliche nach dem Konsum von Drogen aus einer E-Zigarette behandelt, Gesundheitsamt und Polizei warnen vor der E-Zigarette
  • Über 30 Tote in den USA durch gepanschte und illegale Liquids
  • Unwissenheit und Versagen bei Verantwortlichen und Medien
  • CBD Liquids nutzen unkontrollierte Grauzone

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Zugegeben, die E-Zigarette ist ein sehr neues Produkt.
Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist verzerrt, die Medien tun das Übrige. Doch manches mal ist erschreckend, wie unwissend viele tatsächlich sind.

Deutlich wurde das in der vergangenen Woche.
Einige Jugendliche aus Bremerhaven – inzwischen steht die Zahl bei 13 – haben irgendetwas aus irgendwelchen Geräten konsumiert. Anschließend klagten sie über Symptome wie Herzrasen, Krämpfe, Übelkeit, Bewusstseinsstörungen und „psychischen Problemen“.
Aufmerksam war man wohl nur geworden, weil der Vorfall sich in einer Schule ereignet hatte.

Die Polizei ermittelte, das Gesundheitsamt warnte öffentlich. In scheinbarer Hilflosigkeit natürlich vor E-Zigaretten.
Dem schloss sich auch die Polizei Bremerhaven auf ihrer Facebook Seite an. Zwar erklärte sie einiges im Begleittext, die Grafik warnte jedoch vor E-Zigaretten im Allgemeinen.

Ein Paradebeispiel der Medienlandschaft

Der Höhepunkt der Bankrotterklärung zeigte sich dann in einer dpa Meldung vom 25.10.2019. Die allerdings später verbessert wurde.

„Anhand der Symptome gingen die Experten aber eher davon aus, dass der Tabak der E-Zigaretten mit sogenannten Räuchermischungen verschnitten war.“
Meldung dpa/Ini, 25.10.2019, 15:16 Uhr

Dass E-Zigaretten keinen Tabak enthalten und man „Räuchermischungen“ verwendet, damit die Wohnung besser riecht… Geschenkt.
Offenbar ist der Redakteur Nichtraucher und schreibt über Dinge, von denen er absolut nichts weiß. Ein Paradebeispiel der Medienlandschaft. Darüber kann man sich aufregen. Das eigentliche Debakel liegt tiefer.

Warnung der Polizei Bremerhaven auf Facebook. (25.10.2019)

Vorgestern stellte die Polizei in einer Pressemitteilung einiges klar.
Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren hatten Probleme, nachdem sie gepanschte Liquids konsumiert hatten. Diesen Liquids war synthetisches Cannabis und ein nicht näher bezeichnetes „starkes“ Schmerzmittel beigemischt worden.
Gegen drei Jugendliche im Alter von 17 und 18 wird derzeit ermittelt. Es wurden auch Hausdurchsuchungen durchgeführt, die den Verdacht erhärtet haben.

Cannabis (Marihuana, Haschisch) enthält THC. Dieses Tetrahydrocannabinol ist die psychoaktive Substanz der Hanfpflanze, sie ist vor allem in den Blüten bzw. im Harz enthalten.
Synthetisches Cannabis versucht dessen Wirkung zu imitieren. Und zu verstärken.
Das hört sich vergleichsweise harmlos an, ist es aber nicht. Nicht nur, weil der Konsument ja nie wirklich weiß, was der Hersteller beigemischt hat.

In Illinois mussten bereits im vergangenen Jahr 56 Menschen behandelt werden. Die überwiegend jungen Leute bluteten aus Mund, Nase, Ohren und Augen. Zwei verstarben.
In den genommenen Proben fand sich Brodifacoum. Es führt dazu, dass Vitamin K blockiert wird und man innerlich verblutet. Es wird gegen Nagetiere eingesetzt.
Auf gut Deutsch gesagt hatten die Leute Rattengift inhaliert.
Auch die Berliner Polizei warnte bereits 2017 vor synthetischem Cannabis. Der Handel läuft auch hierzulande bereits auf Social Media Plattformen wie Facebook.

Illegale und gepanschte Liquids

Doch das synthetische Cannabis ist nicht die einzige Gefahr, die vermeintlich „von E-Zigaretten“ ausgeht. Eine andere ist der Zusatz von nicht wasserlöslichen Ölen und Fetten.
Die Inhalation von solchen Substanzen kann zu einer Lipidpneumonie führen.

In den USA wurden inzwischen über 1000 Fälle von akuten Vorfällen gezählt, inzwischen sind über 30 Tote zu beklagen.
Die Aufklärungsarbeit der Behörden und Medien war mangelhaft bis erschreckend.

Obwohl viele Fachleute sehr schnell darauf hinwiesen, dass eine solche Gefahr nicht durch handelsübliche E-Zigaretten verursacht sein kann und diese Fälle bisher ausschließlich in den USA aufgetreten sind, warnten die Behörden vor der E-Zigarette schlechthin.
Politiker und Gegner der E-Zigarette griffen das natürlich gerne auf, um für den Jugendschutz zu werben und das Teufelszeug zu verdammen.

Auch hierzulande warnten die Medien dann vor der Gefahr durch „die“ E-Zigarette. Dabei war bereits klar, dass die Gefahr von der Trägersubstanz der Liquids ausgehen muss. Die beschriebenen Symptome der Erkrankten deckten sich überraschend mit denen einer Lipidpneumonie.
Die meisten räumten ein, dass sie vorbefüllte Kartuschen mit THC auf der Straße gekauft hatten. Also mit illegalen und gepanschten Liquids. In Deutschland hat sich inzwischen der Begriff der E-Joints etabliert.
Sie hatten schlicht versucht die E-Zigarette zum Kiffen zu benutzen.



Derzeit steht der Trägerstoff Tocopherylacetet, so genanntes Vitamin-E-Acetat, als wahrscheinlichster Auslöser im Verdacht.
Es ist nicht wasserlöslich und daher durchaus geeignet eine Lipidpneumonie auszulösen.
Der Sender CNBC hatte einige Dutzend Liquids für E-Zigaretten testen lassen. Sowohl handelsübliche Liquids, wie sie als Zigarettenersatz genutzt werden. Als auch illegale Kartuschen, so genannte Dank Vapes, von der Straße.
Keine der handelsüblichen Proben war bedenklich. In allen illegalen Liquids fand sich hingegen Vitamin-E-Acetat. Bis zu einer Konzentration von 40%.
Eine Probe enthielt auch einen Stoff, der auch von den Nazis zum Vergasen von Juden im Zyklon B genutzt wurde. Offenbar war versucht worden, die Wirkung durch synthetisches Cannabis zu verstärken.

Öle in Liquids auch in Europa

Doch auch in Europa sind Produkte mit potentiell schädlichen oder gar tödlichen Ölen im Umlauf. Sogar ganz legal, oder zumindest nicht verfolgt.
Liquids ohne Nikotin sind nicht durch die Regulierungen des Tabakerzeugnisgesetzes erfasst.

So genannte Dank Vapes: Illegale THC Liquids in vorbefüllten Kartuschen.

Seit dem vergangenen Jahr eröffnet sich der gewinnträchtige Markt der CBD Liquids.
CBD ist ebenfalls eine Substanz aus der Hanfplanze. Sie ist ebenfalls psychoaktiv, aber harmlos. Denn ihr fehlt die berauschende Wirkung.
Cannabidiol wird beispielsweise zur Entspannung eingesetzt. Es soll auch eine schmerzlindernde Wirkung haben. Übliche Darreichungsformen sind Öle, die man sich auf die Zunge träufeln kann, bis hin zu Badezusätzen. Daher ist es naheliegend, dass es auch in Liquids verwendet wird.

Der Boom ist sicher durch zwei Komponenten erklärbar.
Zum einen kann ein Hersteller gerade mit dem Zusatz „Hanf“ auf der grünen Welle reiten. Er verspricht natürlich, sanft, gut verträglich und Öko zu sein. Es ist keine böse Chemie. Dass auch dahinter eine Industrie steht, wird vom Konsumenten nicht wahrgenommen.
Zum zweiten glauben viele Menschen offenbar, CBD hätte eine ähnliche Wirkung wie THC. Noch dazu scheint es legal zu sein. Was dann natürlich von vielen jungen Menschen gerne ausprobiert wird.

Richtig, CBD scheint legal zu sein. Denn es wird von den Bundesländern und sogar den Behörden unterschiedlich bewertet.
Gemäß Arzneimittelrecht darf es nicht ohne weiteres abgegeben werden. Zudem darf mit einem CBD Produkt keine Heilsversprechen verbunden sein. Denn dann wäre es ein Päsentationsarzeimittel, das ähnlich strengen Auflagen wie Medikamente unterliegt.
Doch die Behörden kommen sich selber ins Gehege. Denn wenn eine Rauschwirkung nicht ausgeschlossen werden kann, könnte auch das Betäubungsmittelrecht greifen. Womit die Polizei und Staatsanwaltschaft zuständig wären. Zur Diskussion steht auch das Lebensmittelrecht und die Neuregelung der so genannten Novel Foods.

Im April hatte es in München eine Großrazzia in verschiedenen Läden gegeben, die Waren wurden beschlagnahmt. (Link unten) Im an den Niederlanden grenzenden Nordrhein-Westfalen ist die Aufregung um CBD eher gering.

CBD Liquids mit Vitamin E auch in Europa

Wozu das führt kann man beispielhaft an der Firma Kannaway aus den USA sehen.

Kannaway bietet auf seiner mehrsprachigen Internetseite mit angeschlossenem Shop CBD Produkte an.
Typisch amerikanisch: Kein Impressum, keine Erklärungen, vielversprechende Werbeaussagen.
Angeboten werden CBD Kapseln, -Öle und sogar Honig.
Zwar wird eine Privatsphäre für Nutzer und ein Rückgaberecht erklärt. Doch man findet keinen Hinweis, wer tatsächlich hinter der Firma steht. Eine solche Seite ist in Deutschland bzw. Europa eigentlich illegal. Es fällt nur niemandem auf, weil sie zumindest optisch professionell gestaltet ist.

Kannaway richtet sich gezielt an Frankreich, Deutschland, Russland, Ungarn und einige andere osteuropäische Länder. Alle jeweiligen Support Hotlines haben die Landesvorwahl für Polen.
Das Unternehmen arbeitet scheinbar mit einer Art Strukturvertrieb, ähnlich wie Vorwerk und Tupperware das schon vor Jahrzehnten eingeführt haben. Man kann ein Kannaway Brand Ambassador (Marken Botschafter) werden, ein Belohnungssystem bietet den Interessierten enorme Gewinne.

Angebot der Homepage Kannaway: 1ml, 100mg CBD, 42,83 €. Öle inklusive.

Nun bietet Kannaway inzwischen auch Liquids an. In den gleichen Kartuschen, die auch für illegale Dank Vapes genutzt werden.
Nicht nur, dass diese Kartuschen zu Phantasiepreisen angeboten werden. Beispielsweise werden für eine Kartusche mit 1ml Inhalt und 100mg CBD der Marke Hempvap 42,83 Euro verlangt. Eine Kartusche mit 300mg CBD für 61,40 Euro.
Diese Liquids enthalten gemäß Eigenangaben die Öle, die in den USA zu Todesfällen geführt haben.

Kannaway wirbt ganz offen damit.
Auf der Facebook Seite „Kannaway Austria“ wird angegeben, dass die Kartusche „Hemp+“ MCT-Kokosöl, Vitamin E und Vitamin D3 enthält.
Verlinkt ist das Ganze auf den Shop, der mit der Marken Botschafterin „Jessica Schwab“ verbunden ist. (https://jessicaschwab.kannaway.com/)

Nicht nur, dass Vitamin E und Vitamin D3 enthalten sind. Was bei nikotinhaltigen Produkten streng untersagt ist. Es ist auch so genanntes MCT Kokosöl enthalten.
MCT Öle sollten aber noch nicht einmal zum Braten verwendet werden. Da sie ab 120°C zur Rauchentwicklung neigen. Was in E-Zigaretten leicht erreicht werden dürfte.
Die Werbeaussagen von Kannaway, die Produkte seien „dreifach Laborgetestet“ und hätten ein Siegel der US Hemp Authority TM kann da wenig beschwichtigen.

Ein entgegen allen europäischen Normen undurchsichtiges Unternehmen mit Callcenter in Polen vertreibt auch in Deutschland über eine nicht rechtskonforme Webseite Öl haltige Liquids. Die gerade erst in den USA zu über 30 Toten geführt haben.
Und das tut sie unter dem Deckmantel des natürlichen und sanften Wohlbefindens. Durch Marken Botschafter, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht einmal wissen, was sie dort an ebenso uninformierte Kunden verkaufen.

Solche Produkte werden auch über Amazon angeboten.

Nur Aufklärungsarbeit kann Schlimmeres verhindern

Ja, die E-Zigarette ist ein neues Produkt. Und ja, viele kennen sich nicht aus. Das ist verständlich.

Doch jedem halbwegs informierten Menschen sollte klar sein, dass eine solche Technik dazu einlädt Drogen zu konsumieren. Oder Stoffe, die nicht dazu geeignet sind.
Den wenigsten wird der Zusammenhang zwischen einem Eimer Wasser, einer aufgeschnittenen Plastikflasche und Cannabis geläufig sein. Aber dass ein vollautomatisches Inhalationsgerät dazu führt, dass Menschen versuchen damit etwas zu inhalieren, sollte einleuchten.
Wann immer es eine Form des Konsums gibt, werden einige damit experimentieren. Schon vor drei Jahren haben Dampfer versucht Japan Tropfen mit der E-Zigarette zu inhalieren.

Hinzu kommen nun nicht nur neuartige Drogen, die unter den Straßennamen K2, Badesalz und Spice auch unter dem Namen Kräutermischung (nicht Räuchermischung) auf Social Media angeboten werden. Es gibt auch noch Vaporizer: Trockenverdampfer, die mit der E-Zigarette höchstens das Aussehen und einen Akku gemein haben.

Das nun der E-Zigarette anzulasten ist schlicht absurd. Noch absurder ist es, auf den Jugendschutz zu pochen.
Vor der E-Zigarette zu warnen ist, als würde man vor Spritzen warnen. Spritzen werden nicht nur von Fixern benutzt, sondern eben auch von Diabetikern und Medizinern. Genau das beschreibt den Unterschied zwischen E-Zigaretten, die zur Substition von Tabak genutzt werden, und E-Zigaretten, die zum Kiffen genutzt werden. Oder für was auch immer.
Da man auch Heroin inhalieren kann, werden sicher auch schon Menschen damit experimentiert haben.

Darüber sollten nicht nur diejenigen Dampfer nachdenken, die sich gegen eine Regulierung von nikotinfreien Liquids aussprechen. Sondern auch die Medien, Gesundheitsämter und die Polizei, wie sie das nach außen kommunizieren.
Niemand wird vor irgendeinem Schaden bewahrt, wenn man per se vor der E-Zigarette warnt. Es geht nicht darum, dass etwas verdampft wird. Sondern was verdampft wird.
Es muss Aufklärungsarbeit geleistet werden.

Derzeit muss man, so traurig es ist, jederzeit mit dem ersten Geschädigten oder gar Toten auch in Europa rechnen.
Es gab sie bereits in den USA, sie wurden nur lange nicht beachtet. Bis die Lobby der Pharma- und Gesundheitsindustrie es aus wirtschaftlichem Eigennutz vor wenigen Monaten an die große Glocke gehängt hat.

Mit der E-Zigarette selber hat das alles nichts zu tun.


Polizeimeldung zu Bremerhaven: https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/134196/4417893?fbclid=IwAR0z4IviDsE7lnkGZi1-5Aglg7JTzwjIfcoxIvTC4r4HJAuEQZCwK7mnSR0

Großrazzia wegen CBD

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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