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E-Zigarette schädlich wie Tabak: Offener Brief an die Tagesschau

Ein Glantzstück gefährlicher Desinformation

  • Neue Studie aus dem Hause Glantz geistert durch die Medien
  • Die Studie zeigt erneut nicht, was sie behauptet – wissenschaftliche Grundlagen werden ignoriert
  • Selbst die Tagesschau steigt auf die Desinformation ein

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Sehr geehrte Tagesschau Redaktion,

Sie haben heute Morgen einen Artikel mit dem Titel „E-Zigarette genauso schädlich wie Tabak“ veröffentlicht.

Darin berichten Sie von einer gerade veröffentlichten Studie aus San Francisco, die nachgewiesen haben will, dass E-Zigaretten vermehrt zu chronischen Lungenerkrankungen führen.

Da Sie meinen Kommentar auf Ihrer Facebook Seite offenbar auf unsichtbar geschaltet haben, möchte ich mich auf diesem Wege äußern.

Es gibt zwei Ebenen, um den Inhalt Ihres Artikels zu beurteilen.
Zum ersten, wie die Tagesschau diese Informationen veröffentlicht. Und zum zweiten, ob der Inhalt der Studie, also die Informationen selber, überhaupt verlässlich sind.

Um das vorweg zu nehmen: Auf beiden Ebenen finden sich Ungenauigkeiten, Sensationslust und sogar hanebüchene Falschaussagen. Sowohl von dem Verfasser der Studie, Prof. Dr. Stanton Glantz, als auch von Ihnen.

Bevor ich das stichpunktmäßig aufschlüssele, möchte ich erklären, warum ich Ihre Veröffentlichung für unethisch, desinformativ und sogar gefährlich für die Bevölkerung halte. Und sie meiner Meinung nach gegen journalistische und ethische Grundsätze verstößt.

Die Ausgangslage

Laut Schätzungen der WHO werden in diesem Jahrhundert eine Milliarde Menschen an den Folgen des Tabaks sterben.
Ein vielfaches dessen, was die beiden Weltkriege an Opfern und Elend gebracht haben.

Meldung der Tagesschau auf Twitter

Bereits 2014 schätzte Prof. Dr. David Nutt, dass die E-Zigarette mehr Menschenleben retten könnte, „als an Aids, Malaria, Tuberkulose und Meningitis zusammen sterben“. „Die E-Zigarette könnte die größte medizinische Erfindung seit der Impfung sein.“
David Nutt ist Forscher, Wissenschaftler und weltweit hoch angesehener Drogenfachmann, der bereits mehrfach die britische Regierung beraten und hunderte Publikationen herausgebracht hat.

Wenn die E-Zigarette auch nur um Bruchteile weniger gesundheitsschädlich als die Tabakzigarette ist, könnten dadurch bereits tausende, wenn nicht millionen, Menschenleben gerettet werden.

Das wird vor allem durch die Medien konterkariert. Die aus ganz unterschiedlichen Motivationen heraus die Bevölkerung nicht korrekt und mit entsprechender Sorgfalt aufklären.

Und nun reiht auch die Tagesschau sich endgültig ein, in den Reigen der Medien, die uninformiert und getrieben von der Jagd nach Reichweite auf diesen Zug aufspringen.

Die Fakten

Kommen wir, so kurz es geht, zu den Details:

  • Sie, werte Tagesschau, titeln, die E-Zigarette sei genauso schädlich wie Tabak. Abgesehen von der titelbedingten Ungenauigkeit ist das jedoch falsch. Das gibt die Studie gar nicht her. Nicht einmal die Verfasser der Studie behaupten das. Laut der Studie steigt die Wahrscheinlichkeit eine chronische Lungenerkrankung zu erleiden von 1 (Nichtraucher) auf 1,3. Bei Rauchern liegt dieser Faktor gemäß Studie bei 2,5.
  • Ihr Korrespondent Marcus Schuler, der diese Meldung verfasst hat, hat Politikwissenschaften studiert. Ihm fehlt wahrscheinlich die Fachkompetenz, die Studie inhaltlich zu prüfen. Da die Studie erst heute Morgen veröffentlicht wurde, ist unwahrscheinlich, dass irgendjemand sie auf ihre Konsistenz geprüft hat. Es ist anzunehmen, dass lediglich Sekundärquellen ungeprüft zu einer Meldung zusammengeschrieben wurden.
  • In Ihrem Artikel wird behauptet, die E-Zigarette hätte „ähnliche Auswirkungen auf die Gesundheit wie traditionelles Tabakrauchen.“ Das ist falsch. In der Studie geht es um chronische Lungenerkrankungen. Die dramatischsten Schädigungen durch Tabakrauch sind jedoch Krebs und Erkrankungen des kardiovaskulären Systems, die dazu führen, dass etwa die Hälfte der Raucher vorzeitig verstirbt. Diese Aussage setzt also Lungenerkrankungen mit Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfall gleich.
  • In dem Artikel wird behauptet „Keiner der Teilnehmer hatte zu Beginn der Studie Lungenprobleme“. Das ist falsch. Das steht nicht in der Erhebung.
  • Fun Fact: Das von ihnen verwendete Teaser Bild zeigt eine E-Zigarette, die bereits seit Jahren nicht mehr am Markt ist. Da die Technik natürlich fortschreitet, ist das vergleichbar mit dem Foto von einem Auto aus den 1970ern, um über Hybridantriebe zu berichten. Das zeigt, dass auch in ihrer Redaktion das Fachwissen offenbar dünn gesät ist.

Schauen wir uns die Studie und den Verfasser genauer an. Was nach Meinung vieler Rezipienten sicher Aufgabe der Tagesschau gewesen wäre.

  • Prof. Dr. Stanton Glantz ist kein Mediziner. Er ist Ingenieur.
    Er hat einen Lehrstuhl an der medizinischen Fakultät. Trotzdem hat er nie eine medizinische Ausbildung absolviert. Er wertet Zahlen aus.
  • Das von Glantz an der öffentlichen University of California in San Fransisco geführte Institut (Center for Tobacco Control and Education) wurde durch Gelder von Johnson & Johnson eingerichtet. Glantz hat bereits mit Johnson & Johnson eng zusammengearbeitet (und Gelder angenommen), bevor er zum Leiter des Instituts berufen wurde.
    Der Pharmariese Johnson & Johnson ist der größte Hersteller von Nicorette Produkten und damit ein direkter Konkurrent der E-Zigarette.
  • Für die Studie wurden keine Forschungen betrieben. Geschweige denn klinische Untersuchungen (die Glantz als Ingenieur gar nicht durchführen kann).
    Der Ingenieur Glantz hat einen von anderen durchgeführten Survey ausgewertet.
  • Glantz ist inzwischen weltweit für seine tendenziösen „Studien“ bekannt.
    Selbst Ute Mons kommentierte auf Ihrem Twitter Account, ob Sie die Studie überhaupt gelesen hätten. Dr. Ute Mons ist Leiterin der Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.
  • Die Studie wird bereits weltweit von anderen Wissenschaftlern verrissen. (Siegel, Bates, Mayer, etc.)
    Zitate siehe unten.
  • Die Datenerhebung basiert auf Selbstauskunft.
    Das bedeutet, dass bereits in der Fragestellung den Menschen keine chronische Krankheit von einem Arzt diagnostiziert worden sein muss. Oder gar Ärzte gefragt wurden. Sondern es war ausreichend, wenn den Teilnehmern von einem „Doktor, einer Krankenschwester oder eine Professionellem aus dem Gesundheitsbereich“ einmal gesagt wurde, dass sie an einer chronischen Lungenerkrankung leiden.
    Das bedeutet, diese Erhebung ist für die Schlussfolgerungen nur sehr bedingt zu gebrauchen.

Für Laien erklärt

Die Erhebung „Population Assessment of Tobacco and Health“ (PATH) wird regelmäßig von den National Institutes of Health (NIH) erhoben. Nicht von Glantz oder der University of California.
Darin wird nach dem Gebrauch von Tabak und – inzwischen – auch der E-Zigarette gefragt.

Prof. Stanton Glantz, Leiter des Center for Tobacco Control and Education und langjähriger Freund von Johnson & Johnson

Nun ist es aber so, dass umso höher der Leidensdruck eines Rauchers ist, umso höher ist die Bereitschaft ist, die E-Zigarette auszuprobieren.
Wenn jemand also bereits an einer chronischen Lungenerkrankung leidet, weil er zuvor jahrzehntelang geraucht hat, gibt er bei der Befragung selbstverständlich an, dass ihm jemand bereits gesagt hat, dass er an einer chronischen Lungenerkrankung leidet.
Es wird aber nicht danach gefragt, ob davor oder danach.

In der Erhebung wird keine Ausschlussdiagnostik betrieben. Das ist annähernd unmöglich, da es kaum Konsumenten von E-Zigaretten gibt, die zuvor nicht geraucht haben.
Das tatsächliche Konsumverhalten wurde nicht abgefragt. Auch nicht, seit wann die Menschen vermeintlich an einer Lungenerkrankung leiden.

Wer einen eigenen Haushalt hat, hat ein exponentiell höheres Risiko einen Haushaltsunfall zu erleiden. Das bedeutet nicht, dass ein eigener Haushalt zu Haushaltsunfällen führt.

Unterm Strich

Diese Zahlen stellt der Ingenieur Glantz nun gegenüber und formuliert daraus den Schluss, dass E-Zigaretten zu einem erhöhten Risiko für chronische Lungenerkrankungen führen.

Diese Schlussfolgerung ist empirisch wissenschaftlich damit vergleichbar einen Regentanz aufzuführen; und wenn es anfängt zu regnen, daraus zu schließen, dass der Regentanz der Grund war.
Der wissenschaftliche Grundsatz, dass eine Korrelation keine Ursache beweist (correlation is not causation) wird von Glantz ignoriert.
Nicht zum ersten mal. Den gleichen „Taschenspielertrick“ hat er bei Herzinfarkten angewendet, ebenfalls aufgrund von Erhebungen anderer.

Der Korrespondent der Tagesschau Marcus Schuler, ein Politikwissenschaftler, nimmt Sekundärquellen, wahrscheinlich Presseaussendungen von Glantz oder Agenturmeldungen, und strickt daraus einen Beitrag.
Die eigentliche Quelle, nämlich die Studie, wird nicht hinterfragt. Geschweige denn, dass der Hintergrund von Glantz beleuchtet wird.

Um das Ganze noch etwas schmissiger zu formulieren, strickt die Tagesschau (oder Schuler) daraus eine Gleichstellung von E-Zigaretten und Tabak. Was nicht einmal die Studie hergibt. Und titelt dann auf Social Media und der eigenen Homepage, dass E-Zigaretten genauso gefährlich seien wie Tabak. Mit Stock Footage von überalterten Geräten, die nicht mehr am Markt sind.

Und wenn jemand das dann in den Kommentaren sachlich und ruhig klarstellen will, wird der Kommentar offenbar verborgen.

Glaubwürdigkeit der Medien

Laut einer vom WDR beauftragten Studie von Infratest Dimap gehen 38% der Befragten davon aus, dass die Medien durch die Politik (oder Lobbyismus) beeinflusst werden.
Das schreiben die Medien, die darüber berichten, sich gerne schön.
Tatsache ist jedoch, dass jeder Dritte nicht mehr wirklich glaubt, was er in den Medien liest, sieht und hört.

Anstatt das aber zu hinterfragen und vielleicht etwas zu ändern, machen die Medien immer weiter im Programm. Auf der Jagd nach Reichweite und Klicks.
Sekundärquellen werden nicht hinterfragt, Recherche findet kaum noch statt, Agenturmeldungen werden geteilt. Eine Informationsindustrie.

Antwort auf Twitter: Fr. Dr. Ute Mons ist Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.

Unterstützt wird das dann durch die Verantwortungsdiffusion. Das Zeigen auf den Anderen.
Es wird kaum zu einem Ergebnis führen, die Tagesschau über den Presserat oder andere Instanzen für diese Nachlässigkeit anzugreifen.

Der Korrespondent Schuler kann sich in Los Angeles auf andere Quellen berufen (zur Not auf Glantz), die Redaktion hat nur veröffentlichst, was der Korrespondent geschrieben hat.

Es wäre erfreulich, wenn auch nur einer dieser Medienschaffenden einmal in den Spiegel schaut und seinem Gewissen die Frage stellt, was das bedeutet, wenn die E-Zigarette wirklich weit weniger schädlich ist. Was ja die meisten Wissenschaftler, das Deutsche Krebsforschungszentrum, das Bundesinstitut für Risikobewertung, die staatliche Gesundheitsfürsorge Public Health England und viele andere freimütig einräumen.

Dann haben diese Rädchen im Getriebe nämlich jeder ihren Teil dazu beigetragen, Raucher vom Umstieg abzuhalten. Sie haben es unterstützt, dass weiterhin Menschen an Herzinfarkt, Schlaganfall und Lungenkrebs sterben.
Aber dann kann man sich ja zur Not auch noch einreden, die hätten ja nur aufhören müssen.
Das klappt ja seit Jahrzehnten wunderbar, ebenso wie der War on Drugs.
Opferblaming.

Solange die Medien diese Industrialisierung weiter betreiben, wird ihre Glaubwürdigkeit weiter abnehmen.
Sie unterstützen damit weiter, dass die Medienlandschaft sich im Informationszeitalter weiter verändern wird.



Post scriptum

Ich werde diesen offenen Brief als Mail an die Tagesschau übersenden.
Darüber hinaus denke ich darüber nach, den Presserat oder auch andere Stellen zu kontaktieren.

EDIT: Offenbar ist es nicht möglich, der Tagesschau eine normale Mail zu schicken. Ein Kontaktformular schränkt den Text ein. Daher habe ich lediglich einen Link zu dieser Seite gesendet.

Ich selber habe vor allem die Tagesschau immer als Leitmedium verteidigt. In vielen Kommentaren, gegen das Trolling von Populisten. Ich habe immer versucht verständlich zu machen, dass weder böse Absicht noch politische Einflussnahme dahinter steckt. Sondern die Mechanismen der Medien.
Das hat heute Morgen schlagartig aufgehört.

Wenn ich als professioneller Blogger, Fachjournalist und jemand, der sich seit fünf Jahren mit diesem „Nischenthema“ befasst, solche Ungereimtheiten erkenne, möchte ich nicht wissen, was mir bei anderen Themen als neutrale und angeblich seriöse Information angeboten wird.
Und inzwischen ist mir auch egal, warum das so ist.

Inzwischen wird die Sau durch sämtliche mediale Dörfer geprügelt.


Zitate

„Es gibt einfach keine Möglichkeit COPD zu entwickeln, wenn man fünf Jahre lang dampft. Selbst bei schweren Kettenrauchern dauert es Jahrzehnte, bis sie an COPD erkranken. […] Aus den Ergebnissen dieser Querschnittstudie kann absolut nicht geschlossen oder gar spekuliert werden, dass Dampfen eine Ursache für COPD ist.“
Prof. Dr. Michael Siegel, Boston University


„Das scheint ein typisches Glantz-Paper mit Glantz’scher Ignoranz epidemiologischer Grundlagen zu sein. Bereits bei seiner Herzinfarkt-Studie hat er nicht berücksichtigt, dass Dampfer allesamt ehemalige Raucher sind. Der gute Mann zieht seinen BS trotz weltweiter Kritik beinhart durch.“
Prof. Dr. Bernd Mayer, Leiter der Pharmakologie Universität Graz; Facebook Seite, 16.12.2019


„Da die Daten cross-sectional sind, lässt sich daraus nicht ablesen, ob E-Zigaretten zu COPD beitragen oder ob die Menschen, die bereits COPD haben, eher dazu neigen E-Zigaretten zu nutzen.“
Clive Bates, www.clivebates.com, nach einer Vorstellung bereits im August 2019


„Die Studie liefert keinen Beweis für den Zusammenhang von Dampfen und Lungenerkrankungen wie COPD. Das Gegenteil ist der Fall: Die Untersuchung zeigt eindeutig, dass Raucher das Risiko für schwere Lungenerkrankungen innerhalb von drei Jahren um 80 Prozent reduzieren, wenn sie auf E-Zigaretten umsteigen. Die größte Schwäche der vorliegenden Untersuchung ist die Annahme, dass COPD & Co innerhalb eines so kurzen Zeitraums auftreten könnten. Das ist schlichtweg ausgeschlossen und zeigt die geringe Fachkompetenz des Autors.“
Philip Droegemüller, Pressesprecher BfTG, 17.12.2019


„Die Rückschlüsse der Studie von Prof. Glantz, Dampfen würde chronische Lungenerkrankungen verursachen, ist fundamental fehlerhaft.“
Prof. John Britton, Direktor des UK Centre of Tobacco and Alkohol Studies, Universität Nottingham, 17.12.2019


Die Studie im Orgiginal (Guru Server): https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2019/12/PIIS0749379719303915.pdf
Mehr von Glantz: https://www.vapers.guru/2019/07/18/wissenschaftler-greift-fake-studie-an/

Profiteure der Angst – Teil 1: Die Konspiration gegen die E-Zigarette

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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