Nach der Verschärfung des Tabakerzeugnisgesetzes habe ich auf der Facebook Seite von VAPERS.GURU um Feedback gebeten. Innerhalb der ersten 12 Stunden gingen über 200 Kommentare ein.
Einige Anregungen und Kritiken möchte ich aufgreifen. Dieser Beitrag ist einer von mehreren.
Es ist schwer, Politikerdeutsch zu verstehen. Noch schwerer ist es, den ganzen Zirkus zu verstehen, wenn man sich nicht damit befasst oder nicht für Politik interessiert.
Deshalb möchte ich in diesem Kommentar einmal sehr locker und ohne Politiker- oder Wirtschaftsgefasel erklären, welche Auswirkungen die Gesetzesverschärfung wohl haben wird.
Denn in den Medien ist immer nur verkürzend von einem „Werbeverbot für Tabakprodukte“ die Rede. Was natürlich verwirrend ist. Denn es geht für die E-Zigarette um viel mehr.
Wie es dazu kam und wer dahintersteckt, werde ich in einem anderen Beitrag erklären.
Das Werbeverbot
Zunächst ging es bei dem Gesetz tatsächlich um die Beschränkung der Außenwerbung für Tabak.
Das ist das, worüber am meisten debattiert wurde.
Denn Deutschland ist das letzte Land der EU, in dem Tabakkonzerne noch für ihre Zigaretten auf Plakaten, an Bushaltestellen oder an Bahnhöfen Werbung machen können.
Das wird nun schrittweise verboten. Für Zigaretten ab 2021, für Tabakerhitzer ab 2023 und für E-Zigaretten ab 2024.
Damit haben die Politiker dem Rechnung getragen, dass E-Zigaretten deutlich weniger gesundheitsschädlich sind. Und das ist auch das, was wir in den großen Medien lesen.
Die große Gleichschaltung
Darüber hinaus wurden nikotinfreie Liquids einfach nikotinhaltigen Liquids gleichgesetzt.
Und das wird großen Einfluss auf den Markt haben. Also auch auf den Online Shop oder den Vape Shop um die Ecke.
Dafür hat das Gesetz – so zu sagen – einen Umweg genommen.
Das Gesetz sagt nun nicht „Werbung für nikotinfreie Liquids ist verboten“. Sondern es hat einfach die Definition grundsätzlich und für alles verändert. Und dafür wiederum einzelne Ausnahmen gemacht.
Bisher galt nach Tabakerzeugnisgesetz alles als „Nachfüllbehälter“ (Liquid), was in der TPD 2 (2014/40/EU) definiert war. Und da steht drin „nikotinhaltig“.
Das deutsche Gesetz sagt jetzt „das gilt auch für nikotinfreie“. Und in einer Randbemerkung „selbst wenn sie nicht sofort zum Konsum geeignet sind“. Also auch Shake & Vape und Aromen.
Damit geht das vergleichsweise lockere deutsche Gesetz über die Anforderungen der TPD sogar hinaus. Und das ist der Skandal, den keiner so richtig sieht.
Das wurde uns mit dem Werbeverbot untergeschoben. Und kein Politiker hat groß darüber diskutiert. Es ist höchstens mal am Rande in der Debatte aufgetaucht.
Um das nun aber zu verstehen, muss man sich das bisherige Tabakerzeugnisgesetz nehmen, die Änderung danebenlegen und beides Satz für Satz vergleichen. Man muss es sich zusammenbasteln.
Das machen natürlich nur so Bekloppte wie ich.
Der fertige Gesetzestext wird erst in einigen Tagen oder Wochen erscheinen. Das läuft bei jeder Gesetzesänderung so.
Ausnahmen
Also gelten nun grundsätzlich alle Regeln für nikotinhaltige Flüssigkeiten auch für Produkte ohne Nikotin.
Und das hat auch nichts mit den Fristen bis 2024 zu tun. Die gelten eben nur für die Werbung. Nicht für alles andere.
Und dafür gibt es einige wenige Ausnahmen.
Beispielsweise das Volumen. Denn Liquids ohne Nikotin dürfen ausnahmsweise auch weiterhin in Flaschen über 10ml verkauft werden.
Aber das ist eben nicht die Regel, sondern eine Ausnahme.
Werbung im Internet
Und die Fristen gelten eben auch nicht für die Werbung im Internet. Denn durch diesen Umweg im Gesetz ist die ab Januar auch für nikotinfreie Flüssigkeiten verboten. Nicht erst 2024.
Das bedeutet beispielsweise, dass Euer Händler nicht mehr auf seiner Instagram oder Facebook Seite sagen darf, wenn er ein neues Aroma im Angebot hat.
Große Hersteller und kleine Händler können Ihre Facebook Seiten eigentlich dicht machen.
YouTuber oder Instagrammer dürfen auch kein Angebot mehr unter ihrem Video verlinken.
Das wird eine sehr einfache Folge haben: Wozu sollten Shops einem Influencer noch Produkte bereitstellen, wenn er sie nicht verlinken darf?
Denn es bringt einem Shop ja nichts, wenn jemand ein Review zu einem Aroma sieht, und es dann selber googelt und bei einem anderen Shop kauft.
Das bringt höchstens noch den Herstellern selber etwas.
Ich habe mehrfach versucht, den Unterschied zwischen redaktioneller Konsumenteninformation und Werbung zu erklären.
Das ist nicht so einfach und sehr vielschichtig.
Wichtig ist aber zu verstehen, was „redaktionell“ bedeutet. Dass Produkte tatsächlich getestet werden und möglichst ehrlich bewertet werden.
Eine reine Darstellung, wie Beispielsweise auf Instagram, wird dadurch ab Januar mindestens grenzwertig.
Denn wenn jemand nur hin und wieder mal ein Bildchen von einem Liquid postet, ist das definitiv Werbung. Und das hat wieder wenig mit der Debatte zu tun, ob derjenige nun dafür Geld bekommt.
Deshalb freuen sich vor allem diejenigen Blogger und Reviewer darüber, die den großen Influencern eh die Pest an den Hals wünschen.
Das Problem daran ist aber, dass die davon eigentlich gar nicht betroffen sind.
Denn wenn ein großer Reviewer wie Steamshots, Dampfdidas oder Dampfwolke ansonsten redaktionell arbeiten und auf Instagram nur auf ein neues Review verweisen und keinen Hersteller oder Händler verlinken (markieren), ist es schon wieder keine Werbung.
Es wird also genau die Treffen, die mal auf einer Messe oder in einem Shop ein Shake & Vape abstauben und es posten. Da wird es heikel.
Denn sowas kann ab dem nächsten Jahr dann nicht nur bei der Plattform gemeldet werden. Sondern wie auch bei E-Zigaretten und nikotinhaltigen Liquids an die zuständige Ordnungsbehörde gemeldet werden. Und das könnte dann sogar teuer werden. Teurer als eine Abmahnung, die nur ein privater Schuss vor den Bug ist.
Die meisten werden also sicher von selber darauf verzichten.
Ausspielung, Verlosung, Versteigerung
Auch Ausspielungen von nikotinfreien Liquids werden ab Januar verboten sein. Die meisten Händler und Hersteller werden also auf so etwas grundsätzlich eher verzichten.
Bei großen Influencern dreht es sich damit um. Denn die „gewerbsmäßige“ Ausspielung wird verboten. Kein großer Influencer wird irgendwelche Auslosungen veranstalten dürfen.
In wie weit das solche Aktionen wie Charitylion oder Auktionen für einen guten Zweck (AfegZ) betrifft, kann ich derzeit nicht sagen. Die Betreiber müssen sich sehr genau schlau machen, ob eine solche Auktion der juristischen Definition von „Ausspielung“ entsprechen. Ausschließen sollte man es nicht, nur weil für die Sachen mal etwas Geld geboten wird.
Ebenso wird die gewerbsmäßige, kostenlose Abgabe außerhalb von Fachgeschäften untersagt.
Also auch irgendwelche Verschenk-Aktionen von Shake & Vape zum Verkaufsstart.
Fachmessen werden davon wohl nicht betroffen sein. Denn eine solche Fachmesse gilt dann als Verkaufsraum. Man wird also sicher auch weiterhin auf Messen testen und abstauben können.
Verpackung, Beipackzettel, Anmeldung, Sechs-Monats-Frist
Die größte Änderung steht durch diesen gesetzlichen Umweg allerdings den Händlern bevor.
Denn sie werden demnächst alle Richtlinien erfüllen müssen, die man auch für Nikotinhaltige Liquids erfüllen muss.
Jede Base, jedes Shake & Vape und jedes Aroma wird eine Umverpackung brauchen. Und einen Beipackzettel. Der Müllberg wird also noch größer werden.
Hinzu kommt die Anmeldepflicht.
Bei dieser Anmeldung müssen Emissionstests vorgelegt werden. Wie das bei einem Produkt überhaupt ablaufen soll, dass erst noch verdünnt werden muss, weiß keiner. Nicht einmal die, die das Gesetz gemacht haben.
Und mit der Anmeldepflicht kommt dann auch die berühmte Sechs-Monats-Frist. Denn auch Shake & Vape und Aromen müssen sechs Monate vorher angemeldet werden, bevor sie in den Verkauf gehen.
In der Praxis
In der Praxis wird das sehr viele Auswirkungen haben. Die aber noch keiner so wirklich absehen kann. Weil alle es für sich irgendwie lösen müssen und werden.
Beispielsweise wird es für die Unternehmen sehr schwierig, die bekannte Aromen preiswert nachbauen. Denn wenn die Originale auf den Markt kommen und überhaupt nachgebastelt werden können, müssen die Nachgebauten ja auch erst wieder angemeldet werden und sechs Monate warten.
In der Marktrealität ergibt sich aber noch ein ganz anderes Problem.
Viele Liquidhersteller stellen gar nicht selber her. Sondern sie lassen bei großen Herstellern wie Culami oder Flavourtech abfüllen.
Sie werden nicht mehr mal eben ein neues Aroma auf den Markt schmeißen können.
Hinzu kommt, dass diese großen Unternehmen die zusätzlichen Kosten womöglich auf diese Lizenzgeber abwälzen. Das kommt auf die jeweiligen Verträge an, es gibt da verschiedene Modelle. Es ist dann fraglich, ob die sich das dann noch werden leisten können. Denn die bekommen pro Flasche üblicherweise nur einige Cent.
Genau diese kleinen Hersteller sind es aber, die Ihre Produkte hauptsächlich über Social Media bekannt machen. Was sie dann nicht mehr dürfen werden.
Und genau das bevorzugt dann natürlich die Tabakkonzerne. Die nur wenige Produkte am Markt haben und selber herstellen. Die können sich den Mehraufwand sehr leicht leisten.
Grundsätzlich sind solche Regulierungen immer gegen Vielfalt. Die Großen gewinnen dadurch an Einfluss und Macht. Die Kleinen haben das Nachsehen.
In jedem Fall werden diese zusätzlichen Kosten beim Enddampfer landen.
Verpackung, Beipackzettel, Emissionstests, etc… all das kostet.
Vorsichtige Schätzungen von mir bekannten Herstellern gehen von locker zwei Euro oder mindestens 10% aus.
Skandal durch die Hintertür
Diese Gesetzesänderung wird also sicher den Markt erneut unter Druck setzen und umwerfen. Vielleicht nicht in dem Maße wie die TPD. Aber es ist die gleiche Liga.
So, wie es derzeit läuft, wird es ab der Mitte des nächsten Jahres nicht mehr laufen.
Das eigentlich schlimme für die E-Zigarette ist aber, was da politisch gerade abgelaufen ist.
Denn so wurde unter dem Deckmantel des Jugendschutzes und des Werbeverbotes für Tabakprodukte die E-Zigarette durch die Hintertür weiter reguliert und mit den Zigaretten auf eine Stufe gestellt.
Durch die Lobbyarbeit von E-Zigaretten-Gegnern wurde in den Köpfen der Politiker die Vorstellung gefestigt, E-Zigaretten seien mindestens genauso gefährlich wie Tabakzigaretten. Und E-Zigaretten seien eine Erfindung der Tabakkonzerne.
Und das ist viel tragischer als alle Regulierungen in der Praxis.
Aber darauf werde ich später eingehen.
Joey Hoffmann
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