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Wie Big T die E-Zigarette kauft – Teil 2

Big Business und Einflussnahme

  • Das Gewinnstreben von Unternehmen
  • Der Tabaklobbyist, der auch die E-Zigarette vertritt
  • Der neue Verband: Ganz viel Rauch und ein bisschen Dampf

Der Tabak und die Juul

Und genau an dieser Demarkationslinie spielt sich der Konflikt ab. Nicht bei der Kundenfreundlichkeit und nicht beim Preis.
Dass die E-Zigarette mindestens 95 Prozent weniger schädlich ist, spielt in diesem Wirtschaftskrieg schon lange keine Rolle mehr. Die Chance der Harm Reduction ist der Marktwirtschaft gewichen.
Die Schlachtfelder sind Verfügbarkeit und Deutungshoheit.

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Im Vergangenen Jahr stieg der Altria Konzern, ursprüngliches Mutterschiff von Philip Morris, bei Juul ein.
Die kleine E-Zigarette ist, wie die Blu, ein System der ersten Generation. Vorbefüllte Pods und Nikotingehalt an der erlaubten Obergrenze versprechen eine hohe Kundenbindung und regelmäßigen Absatz.
Dass die Liquid Kartuschen fast dreißigmal so teuer wie vergleichbare Liquids sind scheint niemanden zu stören.

Inzwischen wurde bekannt, dass der Investor Altria wohl den größten Teil seiner 12,8 Milliarden abschreiben muss, mit denen er 35 Prozent des Herstellers übernommen hat.
Die zuständige Trade Comission prüft aktuell sogar, ob der Tabakriese überhaupt bei dem amerikanischen Branchenführer mitmischen darf.

Auf Anfrage bestätigte der Händlerverband Bündnis für Tabakfreien Genuss BfTG, dass Juul auch nach der milliardenschweren Beteiligung durch den Marlboro Konzern noch Mitglied ist.
Der Verband, der „tabakfrei“ im Namen hat, begründet das damit, dass nur der deutsche Ableger JUUL Labs Germany GmbH aus Hamburg Mitglied sei.

Der Tabak und Highendsmoke

Die Tabakkonzerne Imperial Brands und British American Tobacco (BAT) gehen in Europa sehr viel kleinteiliger und feinfühliger vor. Und sie gehen shoppen.

Im Oktober 2018 übernahm BAT die deutsche Ladenkette Highendsmoke mit ihren damals über 90 Ladenlokalen. Ursprünglich ein reines E-Zigaretten-Unternehmen.
Mindestens mit den Produkten der Marke „Vype“ kann BAT schon viele Kundenwünsche bedienen.

Die Shops sollen offenbar zu entsprechenden Ladenlokalen nach dem Vorbild von iPhone oder den IQOS Stores von Philip Morris umgestaltet werden. Und nach unbestätigten Berichten gibt es bereits Auflagen für die Mitarbeiter eine bestimmte Quote für die hauseigenen Produkte zu erfüllen. Also Vype Produkte oder die Linie German Liquids.

Daher passt es auch ins Bild, dass vor einigen Tagen der Tabakerhitzer Glo von British American Tobacco in Deutschland auf dem Markt erschienen ist. Als direktes Konkurrenzprodukt zu IQOS soll er vor allem diejenigen Raucher abholen, die zwischen Umstieg auf E-Zigarette und Risikoreduzierung schwanken.
Es ist zu erwarten, dass auch er in den Vype Stores erhältlich sein wird. Ebenso wie der Snus aus „weißem Tabak“ der marke Epok. Weißer Tabak ist eine Wortschöpfung für Zellulose, der Nikotin zugefügt wird. So wird das Verbot von Kautabak in der EU umgangen.

Ebenfalls vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Ladenlokale der insolvente Kette Hello Vape von Highendsmoke übernommen wurden. Und damit nun dem Ableger des Tabakriesen gehören.

Mit dem ursprünglichen freien und offenen Markt der Grass Root Bewegung der E-Zigarette hat das alles nichts mehr zu tun.

Riccardo

Doch auch andere gehen auf Shopping Tour.
Am Rande zu erwähnen wäre hier, dass das bereits erwähnte Unternehmen Niko Liquids sein Portfolio durch den in Dampferkreisen bekannten Hersteller Twisted erweitert hat. Ein Unternehmen, das ursprünglich ebenfalls von engagierten Dampfern gegründet wurde.

Der alteingesessene Händler Riccardo aus Neubrandenburg hat inzwischen nicht nur die Ladenkette Dolcefumo übernommen. Wie vor kurzem bekannt wurde, hat er auch das Branding BangJuice und die verantwortliche Smokeria GmbH gekauft.

Das könnte man gelassen als zu erwartende Vita des Marktes hinnehmen. Die Großen fressen die kleinen, die normale Entwicklung in der freien Marktwirtschaft.
Doch eben diese Unternehmen sind es, die das Bild der E-Zigarette in der Politik und der Öffentlichkeit prägen.

Allerdings gibt es inzwischen Gerüchte, dass Riccardo verkaufen will.
Das würde zum Bild der Shopping Tour passen, mit der man sein Portfolio zuvor etwas aufblasen könnte.
Angeblich sollen 30 Millionen eine gute Verhandlungsbasis sein. Was weniger als ein Promille dessen ist, was Imperial Brand jährlich umsetzt. Es ist also fraglich, wer außer Big T das nötige Kleingeld für ein solches Unternehmen haben könnte.

Cheflobbyist Jan Mücke

Wenn vielleicht nicht schillernd, so ist der Hauptgeschäftsführer des neuen Verbandes BVTE Jan Mücke doch mindestens interessant. Der kaum einem Dampfer bekannt sein dürfte. Aber der in der Lobby eine Instanz ist.

Jan Mücke ist in Dresden geboren, hat sein Studium der Rechtswissenschaften nicht beendet und ist seit 1991 bei der FDP aktiv.
Von 2003 bis 2013 war er Mitglied des deutschen Bundestages. Bis 2009 auch parlamentarischer Geschäftsführer.

Jan Mücke, höchster Lobbyist der Tabakindustrie und inzwischen auch ein Sprecher für die E-Zigarette

Er wurde bereits am 1. Juli 2014 Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbandes. Was aber nicht veröffentlicht wurde.
Erst zwei Monate später, nach der damaligen Landtagswahl in Sachen, wurde veröffentlicht, dass er eigentlich „oberster Tabak-Lobbyist in Berlin“ ist. (Sächsische Zeitung)
Der Wähler wurde also bewusst einige Monate im Unklaren gelassen, um die Wahl nicht negativ zu beeinflussen.

Mücke ist in Personalunion nun Geschäftsführer des BVTE und des Deutschen Zigarettenverbandes.
Ob er die vorherige Vergütung als Staatssekretär beim Verkehrs- und Bauminister, inklusive Abgeordneten-Vergütung, von ca. 18.000 Euro erreicht ist fraglich.
Aber sein Gehalt dürfte angemessen sein.

Interessanterweise verfügt der Deutsche Zigarettenverband aktuell über einen Hausausweis im Bundestag. Als einziger Lobbyverband der Tabakindustrie. Was bedeutet, ein Lobbyist kann dort frei ein- und ausgehen.
Es wäre ungeschickt vom BVTE ihn nicht auch zu nutzen, wenn man schon den gleichen Chef hat.

Ist der Ruf erst ruiniert…

Wie genau diese Zusammenhänge in der hohen Politik wahrgenommen werden kann ein Beispiel verdeutlichen.

Zur Verschärfung des Tabakerzeugnisgesetzes hielt DR. Gero Hocker von der FDP eine für Dampfer bemerkenswerte Rede am 02. Juli vor dem deutschen Bundestag.
In der zweiten Beratung thematisierte er vor allem die E-Zigarette. Er sprach von einem Nanny Staat und mahnte, dass 98 Prozent aller Dampfer ehemalige Raucher sind. Er erinnerte an das Bild des Pfadfinders, der einer Frau über die Straße hilft, die gar nicht auf die andere Straßenseite wolle.

Als Konsument der E-Zigarette kann man diesen Ausführungen nur zustimmen.

Der Redner nach ihm war der drogenpolitische Sprecher der Linken Niema Movassat. Der anmerkte, die Rede von Hocker sei scheinbar von seinem Parteikollegen Jan Mücke geschrieben worden.
Das macht nicht nur deutlich, dass Mücke als Lobbyist für die Tabakindustrie im Bundestag bekannt ist. Sondern dass die E-Zigarette als Produkt der Tabakindustrie wahrgenommen wird.



Die Bernstein Group

Mindestens genauso interessant dürfte die Bernstein Group sein.
Diese Agentur wurde 2001 unter dem Namen Steltemeier & Rawe gegründet und vertritt ihre Klienten nicht nur in der Beratung zum Umgang mit Medien und Politik, sondern auch in persönlichen Gesprächen mit Politikern. Mit Dependancen in Berlin und Brüssel.

Bernstein ist im Bereich „Political Affairs“ offenbar der Hauptvertreter von British American Tobacco in Deutschland.

Und British American Tobacco ist das mit Abstand finanzkräftigste Mitglied des Verbands des eZigarettenhandels VdeH. Das zwar die gleichen Mitgliedsbeiträge wie andere große Unternehmen bezahlt, was der VdeH auf Anfrage bestätigte. Darüber hinaus aber eine „Beiratsposition im Vorstand“ hat. Und laut unbestätigter Informationen auch gerne einzelne „Projekte unterstützt“.

Da trifft es sich gut, dass Bernstein auch den VdeH vertritt.
Und auch gerne Redezeit bei einer Mitgliedsversammlung eingeräumt bekommt.

„Die Bernstein Group berät und vertritt den VdeH im Bereich der Public Policy in Berlin.“

Michal Dobrajc, Geschäftsführender Vorsitzender VdeH, auf Anfrage, 13.07.2020

Es scheint so, als sei Bernstein im politischen Berlin inzwischen ebenso bekannt wie Jan Mücke.
Und die Verknüpfung ist wohl nicht die weniger gesundheitsschädliche Alternative E-Zigarette, sondern Tabak.

Nochmal:
Der VdeH lässt sich politisch von der gleichen Agentur vertreten, die auch British American Tobacco vertritt. Und in Berlin bekannt ist.
Und British American Tobacco ist das finanzstärkste Mitglied des VdeH. Wie der Zufall es will.

Die Guru-Situation

Im März des vergangenen Jahres veröffentlichte VAPERS.GURU ein Interview mit dem Gründer, ehemaligen Vorsitzenden und ausgeschiedenen Geschäftsführer des VdeH Dac Sprengel.
Dieser sprach darin die Bestrebungen des Vorstandes an, Mitglied in einem übergeordneten Tabakverband zu werden. Zusammen mit Tabakkonzernen. (Link unten)

„Die Großen der Tabakindustrie haben beschlossen, die deutsche Verbändelandschaft zu konsolidieren und bei dieser Gelegenheit das neue Geschäftsfeld E-Zigarette mit einzuverleiben. Dies verspricht bessere Kontrolle und geringere Kosten – aus Sicht der Tabakindustrie also vorteilhaft.“

Dac Sprengel, VAPERS.GURU, 13. März 2019

Das Problem daran war offensichtlich, dass die Mitglieder des VdeH gar nichts davon wussten.
Das sollte ihnen unvorbereitet bei der Mitgliederversammlung in der darauffolgenden Woche präsentiert und gleich zur Abstimmung gestellt werden.

Dac Sprengel, Gründern und ehemaliger Geschäftsführer des VdeH

Am Tag des Erscheinens wurde dann eilig ein Interview mit dem jetzigen Geschäftsführer Michal Dobrajc auf der Homepage des Dampfermagazins veröffentlicht. Der versuchte diese Wogen zu glätten. Und der VAPERS.GURU Verzerrung, Unanständigkeit und Unwahrheit vorwarf.

Der Redakteur fragte nach, ob das veröffentlichte Interview von VAPERS.GURU darauf abzielen solle, die Mitgliederentscheidung zu beeinflussen. Dieser Redakteur war der gleiche Horst Winkler, der kurz danach als Pressesprecher beim VdeH angestellt wurde und bis heute ist.

Die Entscheidung der Mitgliederversammlung fiel gegen einen Eintritt in den Dachverband aus.

Der BVTE

Inzwischen ist dieser neue Verband gegründet. Ohne den VdeH.
Er heißt „Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse“ BVTE. Und bei Ihm schließen sich sehr viele Kreise.

Die bereits erwähnte Riccardo Retail GmbH ist ebenso Mitglied wie die Quantus Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft mbH. Riccardo ist sogar im Vorstand vertreten.

Der Vorstand des neuen Lobbyverbandes BVTE (v.l.n.r.): Ralf Wittenberg (British American Tobacco), Jessy Philipp (TMCC), Michael Kaib (Reemtsma), Hans-Josef Fischer (Heintz van Landewyck), Stefan Endler (Niko Liquids), Henry Schütz (Riccardo), Marc von Eicken (von Eiken). (Foto: BVTE / Christian Kruppa)

Quantus ist das Unternehmen hinter Highendsmoke, das von British American Tobacco gekauft wurde. Und das wiederum nun Hello Vape besitzt.
Die hauseigenen Liquids der Marke German Liquids werden produziert von Culami aus Bochum, das auch für Brandings wie K-Boom, Antimatter oder Dampflion Checkmate verantwortlich ist.

Culami arbeitet sehr eng mit der EX-Trade GmbH & Co. KG zusammen. Deren Hausmarke Dampfaliquids für ihre Filialen ebenfalls in Bochum produziert werden.
Die beiden Unternehmen sind nicht nur in Händlerverband BfTG vertreten, sondern neben British American Tobacco Premiummitglieder im VdeH.

Darüber hinaus ist auch Niko Liquids mit seinem resolut auftretenden Stefan Endler ein Vorstandsposten des BVTE gewährt worden. Offenbar wollte man aus Gründen der Imagepflege gerne Unternehmen der E-Zigaretten Branche als Aushängeschild im Vorstand haben.

Die weiteren Mitglieder dürften jedoch den Kurs bestimmen. Und die sind deutlich vielsagender.
Mit dabei sind die Reemtsma Cigarettenfabrik GmbH, verantwortlich für die My Blu. British American Tobacco beschränkt sich nicht auf eine Vertretung durch Quantus bzw. Highendsmoke, sondern ist auch nochmal selber Mitglied. Und mit dabei ist Japan Tobacco International, die mit einem Gesamtumsatz des Konzerns von etwa elf Milliarden Euro auch etwas mitzureden haben werden.

Nach groben Schätzungen sind damit leicht über 60 Milliarden Jahresumsatz im BVTE vereint. Was selbst bei euphorischen Schätzungen locker dem 150-fachen der gesamten E-Zigarettenbranche entspricht.
Nur Umsatz wohlgemerkt, nicht Unternehmenswerte.

Es ist eher eine Randerscheinung, dass der Deutsche Zigarettenverband ebenfalls Mitglied ist. Was sich natürlich anbietet, wenn Geschäftsführer und Vorstand beider Verbände in Person von Jan Mücke eigentlich identisch sind.

Übersicht

Übersicht über die Verknüpfungen.
Volle Auflösung bei Klick. (PDF, 1,6 MB)

Themenschwerpunkt: Die Übernahme der E-Zigarette durch Big T

Teil 1: Tabakkonzerne tun was Tabakkonzerne können
Teil 2: Big Business und Einflussnahme
Teil 3: Ein Traum verblasst


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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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