Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) und das Bundesinstitut für Risikobewertung haben inzwischen eingeräumt, dass die E-Zigarette weniger schädlich als die Tabakzigarette ist. Public Health England spricht von einem um 99,5% verringertem Krebsrisiko.
Es scheint inzwischen so, dass Öffentlichkeit und Mediziner bewusst nicht darüber informiert werden.
Derzeit wird die Medizinische Leitlinie zum Tabak überarbeitet. Die Neuauflage sollte bereits im Oktober erscheinen.
In der letzten Ausgabe von 2015 wird die E-Zigarette ausdrücklich nicht empfohlen. Es wird von „schädlichen gesundheitlichen Folgen“ berichtet, diese Informationen lägen der amerikanischen Regulierungsbehörde FDA vor.
Vor etwa zwei Wochen wurden mir Folien zu einem Vortrag zugespielt. Diese zeigen deutlich, dass die derzeitige Überarbeitung mindestens Fragen aufwerfen dürfte.
Die Medizinischen Leitlinien, oder so genannte S3 Leitlinien, werden für behandelnde Ärzte herausgegeben und regelmäßig überarbeitet. Es gibt sie für die meisten Bereiche, denen behandelnde Ärzte begegnen können. Beispielsweise für Gefäßchirurgie, Röntgen oder Immunologie.
Herausgegeben werden diese Leitlinien von Fachgesellschaften, Ärztekammern oder anderen Vereinigungen von Medizinern. Die Abstufungen von S1 bis S3 geben einen Hinweis darauf, wie die Herausgeber zu ihren Einschätzungen gekommen sind.
Diese Leitlinien sind nicht juristisch bindend. Aber sie haben natürlich ein hohes Gewicht und eine starke Wirkkraft. Da viele Ärzte sich an diesen Leitlinien orientieren.
Vortrag vor dem WAT
Die mir zugespielten Folien stammen von einem Vortrag von Prof. Dr. Anil Batra, der bereits bei der Erstellung der letzten Leitlinien die Leitung innehatte.
Der Vortrag wurde offenbar anlässlich der Frühjahrstagung des WAT in Frankfurt gehalten.
Batra ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und hat eine Professur an der Universität Tübingen, wo er auch stellvertretender medizinischer Direktor ist.
Darüber hinaus ist er recht umtriebig. So ist er Referatsleiter der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie. Darüber hinaus leitet er nun wieder die Überarbeitung der Leitlinien, die von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften herausgegeben wird.
Und Batra ist eben auch Vorstandsvorsitzender des Wissenschaftlichen Aktionskreises Tabakentwöhnung WAT, vor dem er diesen Vortrag offenbar gehalten hat. Alleine diese Tatsache ist bereits sehr aufschlussreich.
Direkte Verbindungen zur Pharmaindustrie
Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte bereits im Mai 2016 einen großen Artikel unter der Überschrift: „Wie die E-Zigarette ausgebremst wird“. Auch auf VAPERS.GURU wurde dazu ausführlich berichtet.
Gemäß den Recherchen des Redakteurs Christoph Behrens wurde der WAT von der Agentur Kliensiek PR gegründet. Und die handelte nach Eigenangaben im Namen von Novartis Consumer Health.
Das Mutterschiff Novartis ist wiederum ein schweizer Pharmariese. Und dieser ist Hersteller der Nicotinell Produkte zur Rauchentwöhnung.
Es besteht also eine sehr direkte Verbindung zwischen dem Arbeitskreis und der Pharmaindustrie. Noch dazu zu einem Unternehmen, das durch E-Zigaretten und Tabakerhitzer stark an Markt verlieren könnte.
Der derzeit boomende Markt von Nikotinersatztherapien (Pflaster, Kaugummis, Sprays) soll laut Schätzungen derzeit etwa 24 Milliarden Euro pro Jahr stark sein. Und er verspricht hohe Zuwachsraten.
Darüber hinaus haben sich gemäß SZ bereits mehrfach Mitglieder des WAT in Werbungen für die Produkte geäußert. Auch für den Konzern Johnson & Johnson, einem der Hersteller der Nicorette Produktpalette. Auch der Vorsitzende Batra persönlich.
Die E-Zigarette als Interessenkonflikt
Könnte man darin einen Interessenkonflikt sehen, so wird dies an anderer Stelle noch deutlicher.
Der WAT strebt offen die Kostenübernahme der Tabakentwöhnung durch Gesetzliche Krankenkassen an. Und versucht dies durch eine „Klageinitiative“ durchzusetzen, für die man immer noch Unterstützer und Spender sucht.
Das würde nichts anderes bedeuten, als dass Nikotinersatztherapien durch die Krankenkassen bezahlt würden. Also die Produkte der Konzerne, für die Mitglieder des WAT werben und die über verdeckte Umwege den WAT gegründet haben.
Darüber hinaus würden aber auch Entwöhnungskurse und -therapien durch die Mitgliedsbeiträge der Versicherten getragen werden. Der Markt dürfte dadurch gleichsam explodieren.
Offenbar sehen viele Ärzte die Pharmaindustrie eher als Verbündete denn als Unternehmen mit privatwirtschaftlichen Interessen. Auch in Zeiten, in denen es immer offensichtlicher wird, dass das Interesse der Pharmaindustrie eher den Aktienkursen als der Gesundheit der Menschen gilt.
Einen Interessenskonflikt scheint in diesen Verstrickungen niemand zu sehen. Am wenigsten die Verstrickten selber. Es ist zu bezweifeln, dass dies den behandelnden Ärzten klar ist, wenn sie die Leitlinien lesen.
In jedem Fall ist es bemerkenswert, dass der leitende Verantwortliche dazu einen Vortrag hält, obwohl der WAT nur eine von 47 Fachgesellschaften ist. Es scheint eher so zu sein, dass der WAT der Protagonist hinter den Leitlinien ist.
Auch das ABNR ist vertreten
In der Erarbeitung dieser Leitlinien gibt es zehn verschiedene Arbeitsgruppen. Die Arbeitsgruppe 3 „Harm Reduction“ wird geleitet von Frau Dr. Martina Pötschke-Langer. Die vielen interessierten Dampferinnen und Dampfern ein Begriff sein dürfte.
Pötschke-Langer war lange die Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ in Heidelberg. Unter ihrer Ägide wurde daraus eine „WHO Kollaborationsstelle“. Und die durch die Pharmaindustrie stark finanzierte WHO fordert inzwischen das Verbot der E-Zigarette, oder ersatzweise mindestens ihre strenge Regulierung. Im vergangenen Jahr hat Indien die E-Zigarette aufgrund der Einwirkungen der WHO verboten.
Nach ihrem Weggang vom DKFZ übernahm Martina Pötschke-Langer den Vorstandsvorsitz des ABNR, des Aktionsbündnis Nichtrauchen. Dabei handelt es sich um eine Lobbyorganisation von derzeit 15 Gesundheitsorganisationen, unter anderem der Bundesärztekammer und der Deutschen Herzstiftung.
Überflüssig zu erwähnen, dass auch das ABNR die Kostenübernahme der Rauchentwöhnung durch die Krankenkassen fordert.
Und es ist auch nicht überraschend, dass Pötschke-Langer auch „Wissenschaftliches Mitglied“ des WAT ist.
Mindestens drei der neun Leiter von Arbeitsgemeinschaften sind Mitglied des von Novartis gegründeten Vereins. Und ausgerechnet sie leiten die Arbeitsgemeinschaften, welche die E-Zigarette als Mittel der Harm Reduction thematisch berühren: Harm Reduction, Psychotherapeutische Intervention und Arzneimittel zur Entzugsbehandlung.
Ärzte werden nicht aufgeklärt
Auch die 47 aufgeführten Fachgesellschaften sind mindestens erwähnenswert.
Mit dabei sind beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie, die Bundespsychotherapeutenkammer oder die Milton Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose. Alles Verbände, die durch eine offene Politik gegenüber der Harm Reduction wirtschaftlich verlieren könnten.
Es ist fragwürdig, was eine Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft beizutragen hat. Ebenso warum ausgerechnet „Frauen aktiv gegen Tabak“ als „Fachgesellschaft“ mit dabei ist.
Natürlich wird es insgesamt um Tabak und Sucht gehen. Es geht nicht um die E-Zigarette oder Tabakerhitzer.
Doch mit diesen neuen Techniken stehen den Menschen erstmals Hilfsmittel zur Verfügung, die einen Ausstieg aus dem Rauch und eine Schadensminimierung sehr leicht möglich machen. Und diese Vernetzung macht deutlich, dass man wohl auch in den kommenden Jahren nicht damit rechnen sollte, dass Ärzte darüber aufgeklärt werden.
Alte Strukturen machen es der Pharmalobby sehr leicht, ihre Pfründe zu sichern und Einfluss zu nehmen.
Zwar ist vor wenigen Tagen eine Stellungnahme durch Cochrane veröffentlicht worden. Welche die E-Zigarette positiv bewertet und für jene empfiehlt, die es anders nicht schaffen. Aber ob dies tatsächlich bei den behandelnden Ärzten nachhaltig aufgenommen wird, darf bezweifelt werden.
So wird an der neuen Leitlinie einerseits interessant sein, ob Interessenkonflikte angegeben werden. Und darüber hinaus, welche Studien die Arbeitsgruppen für ihre Empfehlungen zu Rate gezogen haben. Ob beispielsweise das Cochrane Review berücksichtigt wurde oder ob die inzwischen zurückgezogene Studie von Prof. Dr. Glanz erwähnt wird.
Wie es auch anders geht, zeigt Großbritannien. Denn die „Krankenkasse“ Public Health England ist dem Gesundheitsministerium unterstellt. Dadurch wirken dort andere Mechanismen.
Dort werden E-Zigaretten klar zur Rauchentwöhnung empfohlen. Durch die staatlichen Stellen und durch die Ärzte. Es gibt sogar E-Zigaretten-Shops in Krankenhäusern.
Mit dem Resultat, dass UK inzwischen über den niedrigsten Bevölkerungsanteil an Rauchern hat, seit die Zahlen überhaupt erhoben werden.
Joey Hoffmann
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