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Vape Media stirbt

Das Wagnis der Prognose

Bevor ich angefangen habe diesen Artikel zu schreiben, habe ich mir ein Versprechen gegeben. Es wird der letzte Kommentar zu dem Thema sein, den ich veröffentliche.

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Denn in meinen Augen ist die Nummer bereits durch. Die E-Zigarette wird in einem Jahr nicht mehr in der jetzigen Form auf Social Media kommuniziert werden.
Genau das ist es, was die Regulierenden und die Lobbyisten dahinter versuchen zu erreichen. Und in meinen Augen haben sie es geschafft.
Viele merken es nur noch nicht.

Seit etwa drei Jahren versuche ich zu erklären, Tipps zu geben und Auswege aufzuzeigen. Ich habe viele Gespräche mit Einzelnen geführt, sowohl „bezahlten“ YouTubern wie auch Amateuren. Und ich habe immer gesagt, dass sie sich keine großen Sorgen machen müssen.
Leider muss ich einsehen, dass das nicht oder falsch verstanden wurde. Durch die Entwicklung der vergangenen Wochen sollten sie sich Sorgen machen. Womit ich in dieser Form und vor allem zu diesem Zeitpunkt nicht gerechnet habe.
Aber jetzt ist es eh zu spät.

Es ist wohl an der Zeit mal deutlich zu werden. Realtalk, wie die YouTuber sagen.
Ich werde einmal erklären, wie ich die Situation sehe. Und dann gebe ich mal einige Prognosen ab.
Wer am Ende dann dafür verantwortlich ist, kann dann jeder für sich entscheiden.

Die dampfende Revolution

Die E-Zigarette war ein Hype. Als Grassroot Bewegung hatte das Dampfen eine große soziale Komponente. Dampfen war mehr als Zigaretten zu ersetzen.

Dadurch hat sich eine soziale Gruppe gebildet. Oder viele kleine. Es ist müßig, an dieser Stelle über den Begriff der „Community“ zu diskutieren.
Es wurden Songs geschrieben, Initiativen gegründet und Petitionen lanciert. Messen wurden zu Community Events, auf denen Z-Promis Autogrammkarten verteilten.

Denn so ist das, wenn sich soziale Gruppen bilden. Es werden Regeln ausgefochten, Hierarchien gebildet, das Zugehörigkeitsgefühl gestärkt.
Und ganz offensichtlich hatten viele den Eindruck, es sei eine dampfende Revolution. Unterstützt durch die Filterblase der Sozialen Medien bildeten sich viele offenbar mehr Relevanz ein, als sie tatsächlich hatten.

Und genau darauf hat der Markt reagiert. Kleine Hersteller haben eigene Liquids produziert und „Prominente“ haben durch Abfüller eigene Liquidlinien auf den Markt gebracht.
Sie mussten sich keine Gedanken ums Marketing machen, denn sie hatten ja die YouTuber.

Das war die Situation bis Anfang des Jahres 2020.

„Wie können wir das umgehen?“

Vielen Regulierenden war genau das ein Dorn im Auge. Und zwar schon bei der Verabschiedung der Tabakproduktrichtlinie TPD Ende 2014.
Aber wie das so ist, wurde es ignoriert.

Die meisten Marktteilnehmer fragten nicht „Wie können wir das einhalten?“, sondern „Wie können wir das umgehen?“ Was dann zu den Long Fills führte und die Entwicklung überhaupt erst so richtig in Schwung brachte.

Und wie das dann so ist, wird dann vom Gesetzgeber nachgebessert.
Beispielsweise wurde das deutsche Tabakerzeugnisgesetz geändert und nikotinfreie Liquids wurden ebenfalls reguliert.
Die Dramatik dessen, dass die Bundesregierung damit über die Forderungen der EU hinaus geht, wurde in der Branche und in der „Community“ gar nicht wirklich wahr genommen.

Darüber hinaus findet seit etwa zwei Jahren eine breite Diskussion darüber statt, was denn nun alles Werbung ist. Denn die Situation, dass Privatpersonen für sehr geringe Entlohnung Produkte bewerben können, gab es vor Social Media nicht.

Hinzu kommt der Aspekt, dass die Social Media Plattformen eine solche Relevanz entwickelt hatten, aber immer noch unter dem Regulationsradar der Regierung durchflogen. Das wurde dann mit dem neuen Telemediengesetz geändert.

Zwei oder drei kleine Stellschrauben

Tatsächlich hat sich gar nicht so viel geändert. Es wurden zwei oder drei kleine Stellschrauben nachjustiert. Und das ist wohl das größte Problem. Denn dadurch verstehen viele Menschen häufig nicht, welche Auswirkungen das haben wird.

Im Grunde war seit der TPD absehbar, dass das Modell der Influencer nicht dauerhaft erwünscht und daher auch nicht zukunftsfähig ist.
Jemand, der gerne öffentlich über E-Zigaretten Produkte sprechen will, hätte in den vergangenen Jahren genau zwei Möglichkeiten gehabt: Entweder Amateur, dann aber auch bitte glaubwürdig Amateur. Oder redaktionell, dann aber bitte professionell redaktionell.
Die meisten entschieden sich für irgendetwas in der Mitte. Oder sie entscheiden sich gar nicht und machten weiter wie bisher.

Und nun ist in den vergangenen zwei Wochen ein weiterer Faktor hinzugekommen. Sowohl regulierende Behörden als auch ein Abmahnverein sind auf den Dampfer-Zirkus aufmerksam geworden. Und das ändert nun alles.

Ich darf und möchte keine Namen nennen. Aber mehrere „Influencer“ sind abgemahnt worden. Sowohl von einem Abmahnverein als auch von einer Landesmedienanstalt.
Ganz persönlich bin ich der festen Überzeugung, dass diese Leute angeschwärzt wurden. Doch es ist auch müßig, darüber zu diskutieren. Denn für das Ergebnis ist es irrelevant.

So oder so hätten diejenigen, die weiterhin das „Geschäftsmodell“ Influencer verfolgen (egal ob gegen Bezahlung oder ohne) das so nicht mehr lange durchhalten können.
Doch durch diese aktuelle Entwicklung müssen sich nun alle warm anziehen.



Prognose 1: Die E-Zigarette wird in der jetzigen Form nicht mehr öffentlich stattfinden

Recht haben und Recht bekommen sind häufig verschiedene Dinge. Und ein juristischer Leitspruch besagt, dass man vor Gericht keine Gerechtigkeit bekommt, sondern ein Urteil.

Wird jemand abgemahnt, ist das üblicherweise mit Kosten im dreistelligen bis geringen vierstelligen Bereich verbunden. Zusätzlich wird meist eine Unterlassungserklärung gefordert.
Ist man nun der Meinung, dass diese Abmahnung zu Unrecht erfolgt ist, kann man es darauf ankommen lassen.

Das bedeutet, man muss das Risiko eingehen, dass die Sache vor Gericht geht. (Was bei Abmahnvereinen die Regel ist.) Dafür sollte man sich tunlichst einen Anwalt nehmen. Der einem üblicherweise auch erstmal dazu rät, es nicht darauf ankommen zu lassen.
Man muss die Anwaltskosten tragen und eventuell kommen Gerichtskosten hinzu.

Vor zwei Tagen hat der YouTuber mit dem Namen „Der dicke Mann aus dem Norden“ seinen Kanal für beendet erklärt. Gestern der befreundete Martin Hartkopf seinen Kanal „Dampfwolke 7“. Beides Leute, die damit sicher kein Geld verdient haben.
Denn gerade die Amateure, die das aus Spaß machen, haben verständlicherweise keine Lust auf das Risiko einer Abmahnung.

Darüber hinaus werden die Social Media Plattformen aus mehreren Gründen die Richtlinien weiter anziehen.
Das hat unter anderem mit der Wahl von Biden zum Präsidenten zu tun, der massiv gegen die E-Zigarette schießt. Dahinter steht unter anderem Bloomberg, der mit seinem Medienimperium enormen Einfluss ausübt. Und vor wenigen Tagen eine Initiative gestartet hat, dass keine Dampfprodukte mehr durch Google Ads beworben werden sollen. Und YouTube gehört zu Google, das nun als Feind ausgemacht wurde.

Daher möchte ich an dieser Stelle jeden ausdrücklich warnen, der Instagram für das Thema Vaping nutzt. Denn Instagram gehört zu Facebook.
Wie ich bereits mehrfach erklärt habe, ist Instagram aufgrund seiner Darstellungsform prädestiniert für Influencer Marketing. Es ist quasi dafür gemacht. Und es ist annähernd unmöglich ein Vape Produkt auf Instagram zu posten, ohne dass es als Werbung identifiziert werden könnte.
Nochmals: Es geht nicht darum, ob es bezahlte Werbung ist. Sondern ob ein Robot es als Werbung erkennt und löscht und den Kanal sperrt oder ein Abmahnverein eine Abmahnung schickt.

Daher komme ich zu der Prognose, dass die E-Zigarette binnen des nächsten Jahres weitestgehend von Social Media verschwinden wird.
Vielleicht wird es Ausweichbewegungen geben. Beispielsweise könnte ich mir vorstellen, dass die Foren ein Revival erleben. Doch dies wird niemals diese Reichweite entwickeln können, die über Facebook und Konsorten erreicht wurde. Denn über die Timeline erreicht man sehr leicht Nutzer, sie bekommen es frei Haus geliefert. In Foren muss man sich aktiv anmelden. Dazu werden jetzt nur wenig mehr Menschen bereit sein als 2014.

Prognose 2: Die „Community“ wird auseinanderfallen

Der Schlüssel zu jeder sozialen Gruppe ist das Zusammengehörigkeitsgefühl. Und das findet im Dampferbreich nun einmal auf Social Media statt.
Doch ohne diese gemeinsamen Treffpunkte, ohne diese Kommunikationsplattformen, wird das so nicht mehr stattfinden.

Das wird dazu führen, dass die Leute das Interesse verlieren. Dass sie weniger engagiert sind.
Sicher werden einige große Facebook Gruppen durchhalten. Doch es wird merklich nachlassen.

Es wird auch weiterhin Messen geben. Und sie werden auch sicher weiterhin eine „Community“ anziehen.
Doch die Menschen werden noch mehr selektieren, ob sie nun lieber zu einer kleinen Messe fahren, oder das Geld sparen und zu einer großen Messe fahren. Ich glaube eher, dass große und wirtschaftsstarke Messen wie die Hall of Vape oder auch die VapersCom der Dortmunder Westfalenhallen gute Chancen haben, kleine Messen wie München oder Castrop-Rauxel noch weniger als vorher.

Prognose 3: Große Influencer werden einen Weg finden, kleine YouTuber nicht

Hoffentlich konnte ich deutlich machen, dass es die „kleinen“ oder „amateurhaften“ Influencer ebenso treffen kann. Und dass es schlicht an ihrer eigenen Risikobereitschaft liegt. Und an ihrem Willen, sich mit den Regulierungen auseinanderzusetzen.
Denn letztendlich wird jeder bei jedem Posting und jedem Video sehr genau darüber nachdenken müssen, was er schreibt, was er sagt und wen er verlinkt.
Ich habe mit einigen gesprochen, die genau darauf schlicht „keinen Bock“ haben.

Doch was werden die Großen machen?
Dafür ist sicher ein Faktor entscheidend, den viele nicht so richtig im Blick zu haben scheinen.

Jemand der damit Geld verdient, der tut das primär, um damit Geld zu verdienen. Für seine Motivation ist der Bekanntheitsgrad („Fame“) ein Mittel zum Zweck. Mehr als für jemanden, der sich über zweitausend Follower freut und auf Messen mal ein Liquid geschenkt bekommt.

Und deshalb ist es für die „bezahlten Influencer“ auch weniger wichtig, ob sie ihren Kanal weiterlaufen lassen. Die Kanäle der Großen sind auf YouTube eh schon vergleichsweise tot, da sie nicht mehr in den Ausspielungen erscheinen.

Die unternehmerisch Tätigen haben aber auch völlig andere Mittel. Die von vielen wohl nicht so wirklich bedacht werden.
Nur um mal ein Beispiel zu nennen: Ein Influencer macht einen eigenen Shop auf. Auf der Internetseite stellt er Videos ein. Denn dort darf er das. Schon ist er juristisch aus dem Gröbsten raus. Wenn nicht sogar aus allem. Damit kann er weiter mit seinem Namen Geld verdienen und vor allem die nötige Zahl Menschen erreichen.

Und offenbar glauben tatsächlich einige, dass die Amateure mehr Reichweite bekommen, wenn die bezahlten Influencer weg sind. Doch das halte ich für einen selbstwertdienlichen Trugschluss.
Es gibt viele so genannte „weiche Faktoren“, warum jemand erfolgreich ist und Reichweite hat. Beispielsweise Qualität der Aufnahmen. Intro, Unterhaltungswert, Informationsgehalt, Communitygefühl bei den Konsumenten und vieles mehr.
Es ist ja nun einmal kein Zufall, wenn die einen Dampf-Influencer 50.000 Abonnenten haben und die anderen regelmäßige Live Streams mit 12 Zuschauern machen.
Es ist empathielos zu glauben, dass diejenigen, die sich gerne die Videos eines großen Influencers angesehen haben, wegen mangelnden Alternativen demnächst einen Amateur anschauen.

Prognose 4: Der Markt wird sich nachhaltig ändern

Das wichtigste Marketinginstrument der Branche ist das Influencer Marketing. Andere Werbung hat in der Breite nicht stattgefunden.

Bisher war sehr leicht, ein eigenes Liquid auf den Markt zu bringen und es so zu bewerben. Dadurch sind viele kleine Brandings entstanden, die sich nie Gedanken um Finanzierung oder Werbung machen mussten. Das wird sich durch die Einschnitte radikal ändern.

Doch auch die mittelständigen Hersteller der Hardware haben davon profitiert.
Der Plan war immer der gleiche: Ein neues Produkt auf den Markt bringen, und während die ersten Influencer es in die Kamera halten, wird schon am Nachfolgemodell gearbeitet.
Doch ohne Influencer wird das so nicht mehr stattfinden können. Zumindest die europäischen Unternehmen werden intensiver darüber nachdenken müssen, wie sie langfristig erfolgreiche Produkte auf den Markt bringen. Und wenn diese längere Zeit am Markt verbleiben sollen, müssen die Arbeiter in der Zwischenzeit ja doch irgendwie bezahlt werden.
Die chinesischen Hersteller werden wieder eine ganze Zeit brauchen, um zu verstehen, was da passiert ist. Und warum keiner mehr etwas über ihre Geräte veröffentlicht.

Auch diese zwangsläufige Verlangsamung des Marktes wird das Interesse bei den Konsumenten weiter schrumpfen lassen.

Die Großen werden größer, die Kleinen kleiner. Kohle fällt nach oben.
Ich wage allerdings noch keine Prognose, wie das für die Vape Shops aussehen wird. Denn das ist vor allem davon abhängig, welche eigene Kundenbindung und „Community“ sie aufgebaut haben.
Denn die Kunden werden sich ja demnächst online weniger oder weniger einfach über Neuerscheinungen informieren können. Da ist dann die Frage, ob sie bei Ihrem Point of Sale nachfragen, oder ob sie bei ihrem „Stammoffi“ mal auf einen Kaffee und einen Klönschnack vorbeischauen.
Reine Online Händler werden mehr als zuvor an der Information und Qualität ihres Internetauftritts gemessen werden.

Die Schuldigen

Ja, ich habe häufig gesagt, die Leute müssen sich keine Sorgen machen.
Aber die meisten haben ja so gar nicht reagiert. Offenbar haben einige verstanden, dass alles weitergeht wie vorher auch. Oder sich gar nicht erst damit auseinandergesetzt.
Eigentlich hat sich auch gar nichts geändert. Die neuen Werberegulierungen treten im Januar in Kraft, der beschlossene Medienstaatsvertrag kann noch gar keine Auswirkungen entwickelt haben.

Und doch ist irgendwie auf einmal anders. Denn mit den Abmahnungen ist das Worst Case Szenario eingetreten.

Der Japaner schaut, wie er ein Problem bereinigt. Der Verantwortliche für das Problem wird kulturbedingt selber den Anstand haben und sich entweder den Bauch öffnen oder aus dem Fenster springen.
Der Deutsche braucht für seinen inneren Frieden immer einen Schuldigen. Und es bieten sich ja so einige an.

Beispielsweise die Unternehmen, die auf den Zug aufgesprungen sind, in hoher Schlagzahl Produkte auf den Markt geworfen und Samples wie Konfetti an YouTuber verteilt haben. Die sich wenig Gedanken um Nachhaltigkeit gemacht haben.

Es bieten sich aber auch die Influencer selber an. Und zwar alle, egal ob Amateure oder Profis.
Weil sie sich seit nun fünf Jahren nicht wirklich mit dem Thema befasst oder ein anderes Geschäftsmodell gefunden haben.

Natürlich kann man auch sehr schnell die Wenigen aber sehr lauten für schuldig halten, die sich aus irgendwelchen Motiven heraus etwas davon versprechen. Die sich offenbar selber in der Rolle der Konsumentenschützer sehen und versuchen einer alte Oma über die Straße zu helfen, die gar nicht auf die andere Straßenseite will.

Man kann auch die Lobbyisten – und dazu zähle ich auch die Gesundheitsorganisationen und die Gesundheitsindustrie – beschuldigen. Weil sie aus unlauteren Mitteln versuchen eine weniger riskante Alternative klein zu halten.

Und natürlich kann man den Politikern die Schuld geben. Aber das kann man ja immer.

Letztendlich denke ich, es ist systemisch. Es ist differenziert, abstrakt und komplex.
Bevor man jemandem eine Schuld zuweist, sollte man sich immer erstmal an die eigene Nase fassen.
Auch jeder Dampfer muss es mit sich selber ausmachen. Ob er nicht selber dazu beigetragen hat, wenn er ein gehyptes Liquid oder direkt am Erscheinungstag einen Akkuträger gekauft hat.


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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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