Für Argumentationen unter deutschen Wissenschaftlern sorgt derzeit eine Studie aus den USA. Das erregte inzwischen auch die Aufmerksamkeit einiger Medien fernab der Dampfer-Informationsblase.
Ein Team der University of California in San Diego um Dr. John P. Pierce, ein im Ruhestand befindlicher Professor, hatte sich die Zahlen der PATH Erhebung näher angeschaut. Das ist eine regelmäßig durchgeführte Umfrage zum Tabakkonsum in den USA.
Die Studie wurde vor einigen Tagen unter dem Titel „Use of E-cigarettes and Other Tobacco Products and Progression to Daily Cigarette Smoking“ im Journal Pediatrics veröffentlicht.
Die Auswertung der Daten von 15.826 Menschen zwischen 12 und 24 war recht eindeutig. Junge Menschen, die mit E-Zigaretten experimentiert hatten, hatten einen vielfach höheres Risiko, später zu regelmäßigen Konsumenten oder gar zu Rauchern zu werden.
Soweit ist das unstrittig.
Warum Menschen anfangen zu rauchen
Strittig ist hingegen die Schlussfolgerung der Wissenschaftler, der Anstieg von E-Zigaretten-Nutzern könne zu einer Umkehr der fallenden Zahlen bei Tabakrauchern führen. Denn das impliziert, dass die E-Zigarette verantwortlich für den späteren Konsum ist.
Es ist lange wissenschaftlicher Konsens, dass viele Faktoren dazu führen, ob ein Jugendlicher später zu regelmäßigem Substanzmissbrauch neigt. Das gilt nicht nur für Genussdrogen wie Alkohol und Tabak, sondern auch für so genannte harte Drogen.
Elternhaus, Bildung, Einkommen, soziales Umfeld, all diese Faktoren bestimmen maßgeblich das spätere Konsumverhalten.
Das durchschnittliche Einstiegsalter für Tabakkonsum liegt in Deutschland bei 14,7 Jahren. Raucht einer der beiden Eltern, ist die Wahrscheinlichkeit um ein Vielfaches höher; rauchen beide Eltern, wird sie nochmal gesteigert.
Schüler von Gymnasien rauchen exponentiell seltener als die Schüler anderer Schulformen, Menschen mit psychischen Erkrankungen rauchen fast alle.
Ein Therapeut oder Suchtforscher kann bei Jugendlichen ein Profil erstellen und daraus ableiten, wie wahrscheinlich es ist, dass derjenige später zu Drogen tendiert. Und sogar zu welchen.
Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass es unmöglich ist, aufgrund solcher Erhebungen zu sagen, ob diese jungen Leute nicht auch ohne E-Zigarette angefangen hätten zu rauchen. Zumal die meisten auch mit anderen Konsumformen wie Shishas und Zigaretten experimentiert hatten.
Dies scheint eine weitere Studie zu sein, die ohne eigene Erhebungen versucht, eine gewünschtes Aussage zu treffen. Dass dabei die Grundlagen empirischer Wissenschaft ignoriert werden, scheint außerhalb der wissenschaftlichen Diskussion kaum jemandem aufzufallen.
Bezahlt wurde die Studie durch das National Institutes of Health (NIH), einem starken Gegner der E-Zigarette.
Nebelmaschinen und statistische Spielereien
Solche Studien hat es inzwischen viele gegeben. Am bekanntesten dürfte sicher der Versuch des berüchtigten Prof. Dr. Glantz sein, ebenfalls von der University of California, allerdings in San Francisco.
Er hatte versucht mit solchen statistischen Spielereien nachzuweisen, dass Konsumenten von E-Zigaretten ein deutlich höheres Risiko für Herzinfarkte haben. Dabei hatte er nicht nur ignoriert, dass annähernd ausschließlich ehemalige Raucher auf E-Zigaretten umsteigen. Die obendrein häufig an Vorerkrankungen wie COPD leiden. Er hatte sogar diejenigen mit eingerechnet, die einen Herzinfarkt erlitten hatten, bevor die E-Zigarette überhaupt erfunden wurde.
Nach erregten Protesten von Wissenschaftlern weltweit musste die Studie vom veröffentlichenden Journal zurückgezogen werden. Bei dem Glantz zufällig selber als Editor saß, also über solche Veröffentlichungen entschied.
Was diese aktuelle Studie besonders macht, ist die Reaktion innerhalb der deutschen Wissenschafts-Community. Denn es zeichnet sich eine Konfrontation ab, die spätestens im vergangenen Jahr begonnen hatte.
Wenn jemand so etwas „plausibel“ findet…
Auf der einen Seite stehen die Gegner der E-Zigarette und der Harm Reduction.
Beispielsweise fand Prof. Dr. Reiner Hanewinkel die Schlussfolgerung laut Science Media Center (SMC) „plausibel“.
Der Leiter des Kieler Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung ist offenbar in der Präventionsarbeit gut im Geschäft. Sein Institut ist verantwortlich für die Kampagne „Be smart“, die von verschiedenen Organisationen und Bundesländern gefördert wird. Und im Endeffekt darauf hinausläuft, dass Schüler mit Aussicht auf 5000 Euro für die Klassenkasse sich gegenseitig regulieren.
Hanewinkel hatte selber im November 2018 eine Studie veröffentlicht, welche angeblich den Zusammenhang zwischen Werbung und Konsumverhalten beleuchtete.
Dazu wurden 6902 Schülern drei Werbeanzeigen für E-Zigaretten vorgelegt. Die Forscher stellten fest, dass die Schüler ein erhöhtes Risiko hatten E-Zigaretten zu konsumieren, wenn sie die Werbeanzeigen kannten.
Diese Schlussfolgerung folgt der gleichen Logik wie den Studien aus San Diego und San Francisco. Weil nicht abgefragt wurde, ob die Jugendlichen bereits E-Zigaretten konsumiert hatten, als sie die Werbung gesehen haben. Denn logischerweise nimmt man solche Werbung dann auch eher wahr.
Geradezu lächerlich war die Forderung nach einem Verbot für Werbung. Denn die Anzeigen stammten aus dem Jahr 2016 und waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 2018 längst verboten. Mit dabei Werbung für eine Firma, die es schon gar nicht mehr gab.
Es ist also nicht verwunderlich, dass jemand eine solche Schlussfolgerung für „plausibel“ hält, der sich der gleichen Mittel bedient, um eine gewüsnchtes Ergebnis zu erzielen.
Es regt sich Widerstand
Auf der anderen Seite stehen die Verfechter der Harm Reduction. Die genau diese Ungereimtheiten solcher Studien öffentlich anprangern.
Unter ihnen ist Dr. Ute Mons, inzwischen Professorin an der Universität Köln. Sie war zuvor die Nachfolgerin von Dr. Pötschke-Langer am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, die wiederum inzwischen die Lobbyorganisation Aktionsbündnis Nichtrauchen leitet. In dem auch Dr. Ute Mons selber aktiv ist. Sie hielt die Interpretation der Forscher für nicht gerechtfertigt.
Auch Prof. Dr. Heino Stöver, Herausgeber einiger Bücher zu dem Thema, schloss sich an. Er sah die Studie als nicht geeignet, überhaupt valide Aussagen zur E-Zigarette zu treffen.
Prof. Dr. Kotz vom Universitätsklinikum Düsseldorf stellte sogar klar, dass es keine wissenschaftlichen Belege dafür gäbe, dass E-Zigaretten ein Einstieg in den Tabakkonsum seien.
Joey Hoffmann
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