Ich wurde beklaut!
Mir wurde der Text eines (ziemlich albernen) Facebook Posting geklaut. Das habe ich in einem anderen Facebook Posting öffentlich kommentiert.
Gerade amüsiere ich mich köstlich. Es erinnert sehr an einen aufgeschreckten Hühnerhaufen. (Symbolbild)
Was mich veranlasst, das überhaupt in einem Kommentar zu kommentieren, hat aber einen anderen Grund.
Die ganze Nummer ist nämlich symptomatisch für die Medienkompetenz und das Weltbild, mit denen viele Nutzer dieser Tage fröhlich-unbesonnen durch Social Media hüpfen. Auch in der Social-Media-Dampfer-Blase.
Um das zu verdeutlichen, muss ich aber (leider) zumindest kurz erklären, was passiert ist.
…und das alles wegen einem Leckcheck
Ich habe mich selber verarscht. Durch einen verschlafenen, blitzgescheiten Leckcheck einer hochprozentigen Menthol-Lösung. (Ich konnte das Licht sehen. Lassen wir das. Ich spreche nicht mehr gerne darüber.)
Da ich hervorragend über mich selber lachen kann, habe ich dazu ein Posting auf der Facebook Fanpage veröffentlicht. Das lockert die Stimmung und ist nicht so dröge wie der übliche politische und wissenschaftliche Content. Regelmäßige Leser kennen das und die Zahlen und Kommentare geben den Eindruck, dass das halbwegs beliebt ist. Infotainment halt.
Dieser Menthol-Kommentar wurde gestern einmal aber nicht geteilt, sondern kopiert. Und in einer Facebook Gruppe gepostet. Daraufhin habe ich gestern Abend einen kurzen Kommentar verfasst und automatisiert heute Morgen veröffentlichen lassen.
Ich grüße an dieser Stelle den Account „XXXX XXXX“ (/xxxx.xxxx.x), der meinen Inhalt kopiert, ohne Quellangabe in der Facebook Gruppe „Dampfer Wolke 18+“ postet und damit mein geistiges Eigentum als das eigene Ausgibt.
Ist auch charakterlich ganz weit vorne, so ein Move.
Spricht auch für die Gruppe und die Leistung der neun Administratoren.
Vielleicht nächste Mal zur Abwechselung einfach mal was Eigenes?
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Richtig gelesen, automatisiert. Denn sowas kann man einstellen. Was bedeutet, dass wann immer solche Postings von Fanpages auf Facebook veröffentlicht werden, vielleicht gar keiner am Rechner saß.
Skandal! Wir werden alle verarscht! Danke Merkel!
Als ich dann heute Morgen um 13:00 Uhr das nächste Mal auf Facebook geguckt habe – ich hatte das Posting schon vergessen – hatte das Ding 90 Kommentare.
Mehr als das ursprüngliche Posting mit meiner grenzwertig debilen Glanzleistung des Menthol-Vorfalls. (Ich spreche nicht mehr gerne darüber.)
Ich würde hetzen, bloßstellen, mich aufregen, wäre „famegeil“ und vieles mehr. Sowohl der kopierende Account als auch ein Administrator der Gruppe meldete sich zu Wort. Den Kommentator der mir rieht, ich „Opfer“ solle mich „löschen“, habe ich mit zwei Klicks gesperrt. War jetzt auch nicht die große Aufregung.
Andere Kommentatoren sehen es offenbar genauso ernst wie ich und fangen an, untereinander Kommentare zu „klauen“. Ich habe einige male sehr gelacht.
Aber vielleicht sollte man sich bezüglich der allgemeinen Medienkompetenz einmal ansehen, was da rein faktisch passiert ist.
Teilen oder nicht Teilen, das ist hier die Frage
Einen Text teilen kann und darf man jederzeit. Dazu sind Soziale Medien ja gemacht. Bei Twitter ist es das „Retweet“, bei Facebook steht unter jedem Posting ein komfortabler „Teilen“ Link.
Man kann sogar hingehen und die URL, also die Web-Adresse des Kommentars, kopieren und sie überall einfügen. Das ist schon komplizierter, die meisten wissen nicht, wie das geht.
In jedem Fall wird so die Quelle des Textes kopiert. Deshalb ist es auch erlaubt: Man sieht jederzeit, wer der Urheber ist. Es ist juristisch eine Form des Zitats.
Um einen Text ohne diese Quelle zu kopieren, muss man jedoch einige Befehle in sein jeweiliges Gerät eingeben.
Bei einem PC muss man beispielsweise den Text markieren und ihn mit [Strg + c] in den Arbeitsspeicher kopieren. Bei Apps ist es noch umständlicher.
Es ist also deutlich aufwändiger, als einfach auf „Teilen“ zu klicken. Sowas macht man nicht irgendwie zufällig. Die einzige Möglichkeit, warum man das so aufwändig macht, ist, dass man bewusst die Quelle verschleiern will. Also beispielsweise, wenn man einen Text als den eigenen ausgeben will. Man kann das nicht irgendwie „vergessen“.
Und das ist nun einmal verboten. So richtig verboten, so mit Paragraphen und so. (Sogar mit ph!)
Das gilt nicht nur für Doktorarbeiten von Politikern, sondern für alles und jeden. Nennt sich dann „geistiges Eigentum“, und dafür gibt es gleich mehrere Gesetze. Und dafür kann man sogar in den Knast gehen.
Ich bin voll aufgeregt!
Nun wird von einigen Kommentatoren die ganze Sache erwartungsgemäß umgedreht. Was mich fast genauso amüsiert, wie die lustigen Kommentare.
Weil ich das öffentlich ausgesprochen habe, wird mir Hetze vorgeworfen.
Wenn ich beklaut werde, auf den Dieb zeige und „Der klaut!“ rufe, dann hetze ich… Das ist ein sehr merkwürdiges Gerechtigkeitsempfinden.
Ebenso merkwürdig finde ich das Argument, ich würde dadurch den Nutzer „bloßstellen“.
Der Nutzer selber war es doch, der bewusst und absichtlich einen Text einer ziemlich großen Plattform einer überschaubaren Blase kopiert hat, um ihn in einer Gruppe der gleichen Blase zu veröffentlichen.
Selbst der beste Zauberer kann Brot nicht in Brot verwandeln.
Genauso war zu erwarten, dass einige Kommentatoren mir nun eine Aufgeregtheit unterstellen. Die aber irgendwie an mir vorbeigegangen sein muss. Sonst hätte ich ja nicht noch im Bett gelegen und stundenlang nicht auf Facebook geguckt, als der aufgeregte Hühnerhaufen losbrach.
Ebenso der Vorwurf, das hätte man doch lieber „privat“ lösen können. Aber eine Fanpage kann weder private Profile anschreiben, noch kann ich etwas in einer Gruppe kommentieren, in der ich kein Mitglied bin.
„Ich mach das nur privat“
Offenbar gibt es bei einigen Nutzern ein subjektives Gerechtigkeitsempfinden und eine falsche Bewertung darüber, ob ein privates Profil etwas veröffentlicht, oder eine Fanpage. Wenn man „privat“ etwas von einer „offiziellen Seite“ klaut, empfinden einige das wohl als ein Kavaliersdelikt.
Ich hätte tatsächlich einen Screenshot erstellen, zu einem Anwalt gehen und den Account abmahnen lassen können. Und derjenige hätte dann die Anwaltskosten zahlen müssen.
Selbst wenn das Posting bereits wieder gelöscht wurde. Könnte ich immer noch.
Und deshalb schreibe ich den Mist hier überhaupt. Denn das Muster zieht sich durch.
Viele YouTuber argumentieren bis heute, sie wären von den Werbebeschränkungen nicht betroffen, weil sie das ja „privat“ machen.
Der Gesetzgeber unterscheidet bei sowas aber nicht zwischen „privat“ und „nicht-privat“. Und es wäre vorteilhaft, wenn viele Nutzer Sozialer Medien sich das endlich mal bewusst machen.
…oh, ach ja, und zum Schluss dann noch die Administratoren.
Es gab so einige Proteste, weil ich ja geschrieben hatte, dass sowas für die Leistung der Admins und die Gruppe spricht.
Selbstverständlich ist das eine Qualitätsaussage, wenn kopierte Texte in einer Gruppe mit angeblichen 32.000 Mitgliedern und 9 Admins (!) gepostet werden, und keiner merkt etwas. Noch dazu, wenn sie von einer der wenigen professionellen Seiten der Blase kommen.
Es kann ja jeder damit anfangen, was er will. Er kann es ok finden oder nicht. Aber es ist und bleibt nun einmal eine Aussage.
Langweilt mich nicht
Am lustigsten fand ich aber das Argument, ich würde ja von den Leuten leben, die meine Sachen lesen. Und würde sie vergraulen.
Nochmal langsam: Ich „vergraule“ die Leute, weil ich mir auf Kosten eines diebischen Nutzers einen Spaß mache, anstatt zum Anwalt zu laufen.
Muss man sich erstmal auf der Zunge vorstellen.
Wären das meine Leser, hätten sie doch gewusst, dass der Text von mir ist. Also wen soll ich da vergraulen?
Mal ganz abgesehen von den vielen Kommentatoren, die die Sache offenbar genauso sehen wie ich.
Klar, das ist genau meine Zielgruppe. Die Mitglieder einer Facebook Gruppe, die nach dem Lesen eines politischen Themenschwerpunktes auf VAPERS.GURU noch einen Bericht über die mittelalterliche Architektur gotischer Kathedralen in Frankreich lesen und dann eine lange Filmnacht der Filmemacher mit bulgarischen, feministischen Experimentalfilmen in schwarz-weiß mit dänischen Untertiteln einlegen und dabei vegane Reismilch-Schokolade mit Quinoa-Flocken naschen.
Kleiner Hinweis: Über 70 Prozent meiner Leser kommen gar nicht durch Social Media auf meine Artikel. Wodurch ich dann tatsächlich indirekt Geld verdiene.
Es tut jedem Menschen gut, seine Wichtigkeit nicht zu überschätzen.
Natürlich habe ich wegen der ganzen Angelegenheit die halbe Nacht wachgelegen. Weil ich mir den Kopf darüber zerbrochen habe, ob ich nun Anzeige bei der Polizei erstatten soll, oder einen Anwalt einschalten, um den Content-Klauer auf den letzten Hosenknopf zu verklagen. Oder Moskau-Inkasso.
Nicht.
Die Wahrheit ist, dass ich mir beiläufig einen Spaß draus gemacht habe. Und jetzt lieber meine Zahnstocher nach Größe sortiere, als mich weiter mit einem solchen Schwachsinn zu befassen.
Wie sagte der unvergessene Kulturphilosoph Drosten? Ich habe Besseres zu tun.
Ok, vielleicht werde ich zur Selbstbelustigung noch ein paar Trolling-Kommentare raushauen.
Und ja, ich weiß, dass ich gerade in nur einem Satz Feminist*innen, Filmemacher, Veganer, mittelalterliche Architektur, Bulgarien und Reismilch-Schokolade gedisst habe.
Langweilt mich nicht.
Joey Hoffmann
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