Gestern wurde der „Beating Cancer Plan“ der EU-Kommission veröffentlicht. Der Vizepräsident Margaritis Schinas stellte die Strategie gegen den Krebs in einer Pressekonferenz vor.
Dieser war bereits zuvor geleakt worden und führte zu vielen Protesten von Wissenschaftlern, Organisationen und Vertretern der Harm Reduction.
Auf 31 Seiten stellt die Kommission ihre langfristigen Ziele vor, von der Reduzierung des Alkoholkonsums bis zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung.
Wichtigster Punkt dürfte allerdings der vollmundige Plan sein, ein „tabakfreies Europa“ zu erreichen. Durch den Ausschluss von Tabakkonsum könnten „neun von zehn Fälle von Lungenkrebs verhindert werden“.
Hehre Ziele, wenig Mittel zur Umsetzung
Beobachter sehen in dem Plan einen Versuch vor allem konservativer Kräfte, das Thema Krebs erneut auf die Agenda zu bringen. Manfred Weber, der Vorsitzende der christ-demokratischen Fraktion EVP, hatte damit seinen Europawahlkampf bestritten. Und die Vorsitzende der Kommission Ursula von der Leyen hat sich dem Thema verpflichtet.
Und so muss man den Plan auch perspektivisch einordnen. Es sollen europaweite Standards geschaffen werden.
Doch die Kommission hat in vielen Bereichen wenig Handhabe, um solche Standards um- oder durchzusetzen. Allerdings hat sie die Hoheit über Werbung und Besteuerung von Tabakwaren und Alkohol. Und das merkt man dem ambitionierten Plan sehr deutlich an.
TPD auf dem Prüfstand
Priorität haben bei den wichtigsten Punkten die Werbung und die Besteuerung. Man kann es fast als Zeichen der Hilflosigkeit deuten.
Denn, so die ambitionierte Prognose, man will Europa bis 2040 tabakfrei bekommen. Was bedeutet, einen Raucheranteil von unter fünf Prozent in allen Mitgliedsstaaten erreichen.
Als „Interims-Ziel“ soll das Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO umgesetzt werden: Eine Reduzierung des Konsums um 30 Prozent im Vergleich zu 2010 bis zum Jahr 2025.
Als einziges Mittel um dies umzusetzen, gibt die Kommission eine strengere Regulierung an. Und verweist auf das angeblich „effektivste“ Instrument: die Besteuerung.
Wenn man nur einen Hammer hat, erscheint jedes Problem wie ein Nagel.
Dafür soll erneut die Tabakproduktrichtlinie TPD und die Tabakbesteuerung gezielt betrachtet werden.
Die TPD ist bereits Gegenstand einer Arbeitsgruppe unter der Leitung der französischen Grünen Michèle Rivasi. Sie gilt als strenge Gegnerin der E-Zigarette, neben ihrem Engagement als Impfgegnerin und Verfechterin von Homöopathie und Alternativmedizin.
In einem 2020 geleakten Brief an die Kommission gab sie an, auch Experten der WHO für die FCTC zur Überarbeitung heranziehen zu wollen. Erst dadurch wurde ihr inzwischen bestätigter Vorsitz bekannt.
Die Framework Convention on Tobacco Control (Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs) unterscheidet nicht zwischen Tabakprodukten und E-Zigaretten. Mehr noch: Die E-Zigarette wurde als schwächstes Glied ausgemacht und mehrfach deren komplettes Verbot gefordert.
Ein geleaktes Dokument der WHO zeigte 2019 sehr deutlich, wie die WHO sich dies vorstellt. (Link unten)
Die Steuer auf E-Zigaretten und Liquids sollte nach Meinung der WHO mehr als 75% des Verkaufspreises betragen, oder mindestens 70% Luxussteuer beinhalten. Was bedeuten würde, dass eine E-Zigarette für heute 60 Euro dann leicht 100 Euro und mehr kosten würde. Geschmäcker sollen verboten, die Leistung von Akkuträgern auf 25 Watt beschränkt und Aussagen zur geringeren Schädlichkeit verboten werden.
Übertrieben ehrgeizig, überholt, quit or die
Auch die Kommission setzt E-Zigaretten und andere Harm Reduction Produkte, trotz wissenschaftlich nachgewiesener, exponentiell geringerer Schädlichkeit, gleich. Und so ist der Beating Cancer Plan der Kommission nicht anders zu verstehen, als dass alle Produkte dem Tabak gleichgesetzt werden sollen. Selbst wenn sie gar keinen Tabak enthalten.
Der Plan der EU-Kommission blendet das Thema Tobacco Harm Reduction komplett aus. Und dass, obwohl zahlreiche Wissenschaftler und Organisationen dem EU Beating Cancer-Komittee bereits im Mai letzten Jahres die Fakten geliefert haben. In dem Bericht der EU ist die Rede von Aromenverboten und Steuererhöhungen, auch für „neue Produkte“. Im Falle der E-Zigarette fehlt hierfür jede Grundlage und wir werden mit ganzer Kraft dagegen vorgehen.
Dustin Dahlmann, Vorsitzender des Bündnis für Tabakfreien Genuss BfTG und der europäuschen IEVA
Die Lobby der Pharmakonzerne hat in den vergangenen Jahren gute Arbeit geleistet. Indem sie durch das entsprechende Framing die unliebsame Konkurrenz für ihre medizinischen Produkte und Nikotinersatztherapien mit Gateway Hypothese und Langzeitfolgen erfolgreich verbunden hat.
Professor Dr. Heino Stöver, Suchtforscher an der Frankfurt University for applied Sciences, fand in einer Pressemitteilung ungewöhnlich deutliche Worte: „Seit Jahren werden die immer gleicher gleichen Methoden angewendet […]. Steuererhöhung, Werbeverbot und Nichtraucherzonen sind als Maßstab zu verfälscht und nach wie vor nicht erfolgreich um Abhängige vom Rauchen abzuhalten.“
Stöver bedauert, dass die Kommission die wissenschaftlich nachgewiesenen Vorteile der E-Zigarette ignoriert und geht sogar so weit, diese Maßnahmen als Teil des Problems anzusehen. „Großbritannien, Neuseeland und Kanada nutzen die E-Zigarette als Schlüssel im Kampf gegen den Tabakkonsum und sind damit erfolgreicher, als die EU mit veralteten Methoden.
Die gesteckten Ziele der Kommission bezeichnet er als „übertrieben ehrgeizig“ und den Versuch als „überholten „quit or die“-Ansatz“. („hör auf oder stirb“)
Der europäische Händlerverband IEVA begrüßte den Plan an sich. Die Strategie der EU vernachlässige jedoch ein wichtiges Instrument für die öffentliche Gesundheit: die Schadensminderung (Harm Reduction).
Joey Hoffmann
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