Angesichts der drohenden Steuer auf Liquids wurde inzwischen die nächste Petition auf change.org gestartet. Zum jetzigen Zeitpunkt haben etwa 3.200 Menschen unterzeichnet.
Nachdem ich in einem kurzen Kommentar auf Facebook von der Unterzeichnung abgeraten habe, kamen einige Fragen auf.
In den vergangenen Jahren wurden viele Petitionen gestartet. Und häufig habe ich dazu Artikel veröffentlicht. Dennoch erläutere ich meine Ablehnung gegen solche Petitionen nochmals kurz und bündig zum aktuellen Fall.
Politikverdrossenheit
Solche Petitionen werden vor allem von Menschen unterschrieben, die sich eigentlich nicht weiter mit Politik beschäftigen. Aber trotzdem emotional das Bedürfnis haben, sich einzubringen.
Das ist zum Scheitern verurteilt.
Denn Demokratie bedeutet sich einbringen und mitmachen. Aber konstruktiv und nach entsprechenden Regeln. Eine Unterschrift bei irgendeiner Petition ist dafür nicht ausreichend. Wie ich noch sachlich erklären werde.
Das führt dann eben nicht dazu, dass die Menschen sich mit Politik und mit ihren Möglichkeiten der Teilhabe befassen und auseinandersetzen. Sondern dass sie glauben sich einzubringen, dann enttäuscht werden und durch die aufkommende Frustration und dem Gefühl nicht gehört zu werden eine größere Politikverdrossenheit entwickeln.
Ihr Weltbild von „Wir hier unten, die da oben“ wird verfestigt.
Deshalb halte ich solche Petitionen grundsätzlich für kontraproduktiv.
Das Petitionsrecht
Das Recht sich bei zuständigen Stellen beschweren oder Bitten vorzubringen ist in unserer Verfassung verankert. Es gibt jedoch keine Regelung, ob Politiker auf eine solche Petition überhaupt reagieren müssen.
Der einzige, auf Bundesebene vorgesehene Weg ist es, eine Petition an den Petitionsausschuss zu richten. Dieser Bundestagsausschuss unterliegt entsprechenden Regularien und hat auch weitreichende Rechte. Beispielsweise kann er Akteneinsicht fordern.
Das ist ein starkes Instrument der bürgerlichen Teilhabe einer Demokratie, das es weltweit sehr selten gibt.
Soll das online passieren, ist die zulässige Plattform dafür die entsprechende Seite des Bundestages.
Dort unterliegen die Petitionen bestimmten Regeln, die sich aus den Verfahrensgrundsätzen ergeben. Die wiederum Gesetzescharakter haben.
Beispielsweise muss die Sammlung der Unterschriften vier Wochen laufen.
Erreicht eine Petition 50.000 Stimmen von „Mitzeichnern“, ist das „Quorum“ erfüllt. Dann kann der Petitionsausschuss Interessenvertreter in einer Sitzung dazu anhören.
Er ist dazu verpflichtet, sich mit der Petition zu befassen und dem Petenten – also demjenigen, der die Petition erstellt hat – zu antworten.
Pro Jahr werden zwischen 10.000 und 20.000 Petitionen eingereicht, manchmal mehr. Die meisten davon werden abgelehnt, weil sie den formalen Regeln nicht genügen.
Seit 2007 wurden lediglich 30 Petitionen zugelassen, die dann auch das Quorum von 50.000 Mitzeichnern erfüllt haben.
Das zeigt: Eine Petition, die Erfolg versprechen soll, sollte von einem Anwalt geprüft und mit einer entsprechenden Kampagne beworben werden.
Sinnhaftigkeit einer Petition
Derzeit laufen Petitionen beispielsweise gegen den § 45 SGB; für verpflichtende, reflektierende Konturmarkierungen für neue Busse und für eine gesetzliche Verpflichtung zu Nachweisen von Schadstoffbelastungen bei alten Immobilien.
Das Ziel einer solchen Petition muss sich also immer an den Bundestag richten. Und im besten Falle eine sehr konkrete Aufforderung beinhalten.
Nur um ein Beispiel zu nennen: Derzeit läuft eine Petition, Extremisten aus Deutschland auszuweisen.
Das hört sich sinnvoll an, ist es aber als Petition nicht. Denn man müsste schon begründen, wie definiert werden soll, wann jemand extremistisch ist. Die Petition lässt auch völlig außen vor, dass viele der so genannten Extremisten deutsche Staatsbürger sind. Sie können also gar nicht ausgewiesen werden.
Ganz abgesehen davon, dass die Ausweisung von Ausländern Ländersache ist. Die ganze Frage ist also in einer Petition an den Bundestag völlig deplatziert. Genauso wie Querdenker-Demonstrationen gegen das „Merkelregime“ in Berlin, wenn die Corona-Regulierungen in 16 Bundesländern beschlossen werden.
Optimal ist es also, wenn eine Petition sich gegen einen sehr konkreten Sachverhalt richtet, für den der Bundestag überhaupt zuständig ist.
In diesem Falle geht es aber um nur Pläne einer Gesetzesänderung. Der Petitionsausschuss hätte also nicht einmal eine Handhabe, selbst wenn er die Macht dazu hätte.
Zudem muss eine solche Petition ja eine Zeit laufen. Eine offizielle Petition an den Bundestag wie erwähnt vier Wochen. Das Gesetzgebungsverfahren läuft jedoch bereits. Unter anderem muss es auch an den Bundesrat und die zuständigen Ministerien und Ausschüsse gesendet werden.
Innerhalb der nächsten vier Wochen wird sich also noch sehr viel ändern. (Link unten)
Das bedeutet unterm Strich, selbst wenn die Petition das Quorum erreicht und alles optimal läuft, wird sie trotzdem wirkungslos bleiben.
Dass die aktuelle Petition aus genau drei Sätzen besteht und keinerlei Begründungen enthält, macht es nicht besser.
change.org
Wie bereits erklärt, hat eine Online Petition auf change.org (oder ähnlichen Plattformen) also keinerlei Legitimation oder Rechtswirkung. Es ist eine Unterschriftensammlung, mehr nicht.
Das kann durchaus Sinn machen. Aber nur mit dem richtigen Ziel.
Möchte ich, dass in meiner Kleinstadt eine Bank im Park gebaut wird, kann ich dafür Unterschriften sammeln. Die ich dann dem Rat der Stadt vorlege und sage: „Guckt mal, ganz viele wollen diese Bank.“ Das wäre ein legitimes Mittel um einen politischen Druck aufzubauen.
Aber eben nur auf einer solchen Ebene.
Die Gewerkschaft ver.di hat 2013 Unterschriften gesammelt, um gegen die Arbeitsbedingungen für Leiharbeiter bei Amazon zu protestieren. Der Unternehmensleitung konnten dann 37.000 Unterschriften übergeben werden. Der Adressat war also ein privates Unternehmen, nicht der Gesetzgeber.
Viel geändert hat sich nicht. Aber das baut natürlich entsprechenden Druck auf. Weil kein Unternehmen mit sowas in die Schlagzeilen will.
Und 2014 hat eine Frau Unterschriften gegen die mangelhafte Transparenz von CETA und TTIP gesammelt. Das war auch recht erfolgreich. Aber nur, weil das Engagement durch die Unterschriftensammlung bekannter wurde. Denn so konnte anwaltschaftliche Hilfe organisiert und 70.000 Klageschriften gesammelt werden.
Die eigentlichen Unterschriften waren also nur ein Vehikel.
Dafür ist change.org gemacht. Gemacht in den USA, wo es ein verankertes Petitionsrecht überhaupt nicht gibt.
Die Plattform change.org selber steht jedoch stark in der Kritik. Denn das ist ein Unternehmen mit etwa 140 Mitarbeitern. Die wollen also auch Geld verdienen und machen das nicht aus Menschenliebe. Und dafür verkauft change.org die Daten der Unterzeichner an andere Unternehmen.
Relationen
Sprechen wir zum Schluss über Relationen. Denn viele werden sicher denken, „besser da unterschreiben als nichts zu tun“. Und wenn man genug Stimmen zusammenbekommt, dann könnte man es ja trotzdem einfach mal dem Ministerium übergeben. Oder irgendwem.
In Deutschland leben etwa 83.000.000 Menschen. Selbst wenn eine Millionen Menschen unterschreiben würden, wären das nur 1,2 Prozent der Bevölkerung.
Und dann kommt noch etwas hinzu: Die Unterzeichner sind ja gar nicht alle wahlberechtigt.
Wird eine Petition initiiert, die nicht dem offiziellen Weg des Petitionsausschusses folgt, wird jeder Politiker diese Zahlen betrachten.
Bisher hat nur eine einzige Petition im Bereich E-Zigarette vor Jahren überhaupt das Quorum von 50.000 erreicht. Selbst wenn eine Petition außerhalb des offiziellen Weges also 50.000 Stimmen sammeln würde, wäre der Bevölkerungsanteil entscheidend. Und der liegt dann bei 0,06 Prozent.
Als Finanzminister würde mir das kleine schlaflosen Nächte bereiten.
Seien wir ehrlich
Das spiegelt auch die Selbstüberschätzung der Dampferinnen und Dampfer ein wenig wider. Die sich online in ihrer Blase bewegen.
Denn die Händlerverbände, vor allem der VdeH, jonglieren jedes Jahr mit Verbraucherzahlen. Dabei berufen sie sich gerne auf Statista, das sich wiederum auf Angaben aus dem Handel beruft.
Derzeit grassiert die Zahl von 3 Millionen Dampferinnen und Dampfern in Deutschland. Die dann immer wieder als Anzahl aller Dampfer wiedergekäut wird.
Aber diese Zahl ist nicht nur ein Schätzwert. Er ergibt sich auch aus den abgesetzten Produkten oder den Daten der Online Händler. Das bedeutet keineswegs, dass diese Menschen alle dauerhafte oder ausschließliche Dampfer sind. Zumal dabei ja auch gar nicht kontrolliert werden kann, ob Endkunden doppelt gezählt wurden.
Persönlich würde ich die Zahl der reinen Dampferinnen und Dampfer in Deutschland auf eine Million schätzen. Und das ist sehr sehr großzügig.
Es gibt Streamer, die gerne damit argumentieren, mit über 1000 regelmäßiger live Zuschauer „groß“ zu sein. Also einem Tausendstel von einer Million.
Das zeigt, dass von den großzügig geschätzten eine Millionen Konsumenten sich nur sehr wenige überhaupt online mit dem Thema befassen. Und diejenigen, die den einen Streamer gucken, werden sicher auch den anderen schauen.
Die Wirkkraft der Dampfer wird also weit geringer sein, als viele sich das gerne einreden.
Unterm Strich sind das einige ganz sachliche Argumente, warum eine solche Petition scheitern muss.
Das hat weder etwas mit Verdrossenheit noch mit „Meinung“ zu tun.
Eine solche Petition kann lediglich zwei Dinge erreichen.
Zum ersten, dass die Dampfer noch politikverdrossener werden. Und sich frustriert in ihr Schicksal ergeben. Und zum zweiten, dass viele engagierte Menschen davon abgehalten werden, sich selber zu informieren und sich so einzubringen, wie es Sinn macht.
Joey Hoffmann
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