Aus gegebenem Anlass habe ich das dringende Bedürfnis, mal wieder „Realtalk“ zu machen. Oder wie das neumodisch heißt.
Denn heute ist wieder einer der Tage, an denen ich müde bin. Müde von der E-Zigarette, müde von der Branche und müde von der Online-Dampfer-Blase.
Ich sehe mich als jemanden, der versucht über die E-Zigarette aufzuklären. Daher gelten meine Interessen primär den Verbrauchern, den Dampferinnen und Dampfern.
Was einigermaßen schwierig ist, wenn man gleichzeitig versuchen muss, seine Arbeit durch Werbung zu finanzieren. Denn da entsteht manchmal ein Interessenskonflikt.
Die Übergänge sind fließend. Das ist mir bewusst.
Gerne helfe ich auch Einzelhändlern, Besitzern von Vape Shops oder Verbänden. Weil ich es für einen großen Vorteil für die Dampfer halte, wenn es einen breiten und vielfältigen Markt gibt. Es gibt immer eine Symbiose zwischen Konsumenten und Unternehmern.
Weshalb ich es auch vollkommen verstehen kann, wenn Unternehmen die Trennschärfe zu Tabakkonzernen oftmals nicht so genau nehmen. Ich mache das niemandem zum Vorwurf. So funktioniert die Welt nun einmal, Geld fällt nach oben.
Alles, wofür ich plädiere, ist Ehrlichkeit.
Man sollte ehrlich mit den Dampfern umgehen, weil man in meinen Augen immer ehrlich mit seinen Kunden umgehen sollte.
Doch umso mehr die Tabakindustrie sich in die Branche einkauft, umso mehr wird das vergessen. Häufig so, dass ich den Eindruck haben muss, dass es eben nicht einfach „vergessen“ wird. Sondern dass die Unbedarftheit der Dampfer ausgenutzt wird. Stichwort Astroturfing.
Was daran ermüdend ist, ist etwas anderes. Dass viele dann ausgerechnet mich als Nestbeschmutzer sehen. Ausgerechnet die, denen ich eigentlich helfen will.
Offenbar bin ich für einige der Karl Lauterbach des Dampfens: Nervig, nicht schön anzusehen und dass man vielleicht doch mal die Wahrheit sagt, stört dann einfach nur.
Zwei Beispiele
Bevor ich auf den aktuellen Vorgang eingehe, mal zwei Beispiele. Dann wird klarer, was ich meine.
Ich berichte in einem längeren Artikel über den internationalen Konsumentenverband „World Vapers‘ Alliance“. Ich lege dar, dass dieser Verein eben kein Verein von Konsumenten ist, sondern ein Retortenbaby eines politischen Lobbyverbandes. Der nachweislich nicht nur mit Millionen gesponsert wird, sondern der auch mit großen Tabakkonzernen kooperiert.
In einem einzigen Satz auf etwa drei DinA4 Seiten erwähne ich vollkommen ohne Wertung, dass der bekannte Prof. Dr. Bernd Mayer „wissenschaftlicher Berater“ des Vereins ist. Und in einem weiteren Satz, dass dieser Retortenverein als Kronjuwel einen anerkannten Wissenschaftler zum Berater ernannt hat.
Das reicht bereits aus, damit ein kleiner Shitstorm losbricht. Und dass der Artikel wegen angeblicher Falschaussagen beim Journalistenverband gemeldet wird.
Falschaussagen wurden mir nicht nachgewiesen. Mehr noch, Prof. Dr. Bernd Mayer hat bestätigt, dass er dafür Geld bekommt und er ist auf der Homepage des Vereins zu sehen. Was ich nie kritisiert habe.
Ein zweites Beispiel ist die Berichterstattung über Sucralose. Das Süßungsmittel, das auch in Liquids verwendet wird und im Verdacht steht, bei Erhitzung toxische Stoffe zu entwickeln.
Einmal zerlege ich einen YouTube Beitrag von jemandem, der ganz offensichtlich nur den Alarmknopf für mehr Klicks drücken wollte. Und als entsprechende Untersuchungsergebnisse vorliegen, berichte ich darüber. Vollkommen sachlich und korrekt. Und rate bis zur genaueren Klärung vom Konsum ab.
Es ist wenig überraschend, dass einige Unternehmen daraufhin noch am Abend der Veröffentlichung meinen Rauswurf aus dem Händlerverband fordern. Was aber überrascht ist, dass in mehreren Kommentaren und YouTube Videos dann behauptet wird, ich hätte behauptet, Sucralose sei harmlos.
Da sitze auch ich dann mit offenem Mund vorm Monitor.
Ich riskiere Einkommen, Leumund und Integrität um die Leute zu informieren. Und dann wird einfach etwas behauptet, was ich gar nicht gesagt habe.
Die Liste des freindly fire ist fortzusetzen.
Dass ich nur müde bin, zeugt meiner Ansicht nach eher von einem ausgewogenem Gemüt.
Immer öfter erwische ich mich bei dem Gedanken: Dann macht doch euern Scheiß alleine.
Der Kunde muss so schnell über den Tisch gezogen werden, bis er die Reibungshitze als Nestwärme empfindet. Läuft ja scheinbar.
Aufruf der Hall of Vape
Im aktuellen Fall rief die Messe Hall of Vape am vergangenen Freitag in einem Facebook Posting die „liebe Community“ dazu auf, kurze Video Selfies einzusenden. Mit einem Statement der Dampferinnen und Dampfer, was sie von der geplanten Liquidsteuer halten. Damit solle man „die Verbände“ unterstützen.
Einen Screenshot des Aufrufs findet Ihr hier. (JPG, Guru Server)
Da ich durch meine Tätigkeit vielleicht eine andere Perspektive habe, habe ich in der Facebook-Gruppe von VAPERS.GURU am gleichen Abend in einem Posting davon abgeraten, sein Video einzuschicken. Aus Gründen der Datensicherheit.
Weil die Hall of Vape mit keinem Wort erklärt hat, wofür diese Videos tatsächlich verwendet werden.
Nur um das mal sehr vereinfacht darzulegen, was daran so problematisch ist:
Schicke ich aufgrund einer solchen Aufforderung ein Video an die Hall of Vape, kann sie mit dem Video machen, was sie will. Sie kann es abgeben oder für eigene Zwecke verwenden. Denn ich überlasse ihr die Rechte.
Grundsätzlich kann man seine Zustimmung zurückziehen. Das geht aber logischerweise erst, wenn mein Video irgendwo veröffentlicht wurde. Und dann ist es zu spät, es wurde ja bereits veröffentlicht.
Außerdem kann das juristisch dann schwierig werden, solange es für die angegebenen Zwecke verwendet wird. Ich müsste mir im Zweifelsfall einen Anwalt nehmen.
Dieser Hinweis hat bereits gereicht, damit ich mir anlesen durfte, ich würde nerven.
Butter bei die Fische
Also tun wir mal Butter bei die Fische.
Inzwischen hat die Hall of Vape eingeräumt, dass die Videos nicht für sie selber sind. Auch nicht – wie behauptet – für „unsere Verbände“, sondern für den Verband des eZigarettenhandels. In dem die Hall of Vape als Unternehmen Mitglied ist.
Dieser wolle die Videos im April im Rahmen einer Kundgebung abspielen. Und im April ist die erste Lesung zum Tabaksteuermodernisierungsgesetz, zur so genannten Liquidsteuer.
Darüber hinaus soll das Video „Politikern und Pressevertretern zur Verfügung gestellt werden“.
Und wer nun immer noch nicht versteht, was daran problematisch sein könnte… da weiß ich nicht mehr, wie ich da noch helfen soll.
Die „Was ist passiert“-Show
Drehen wir das doch einmal um. Machen wir mal den Konjunktiv daraus. Wie in der Sesamstraße, die „Was ist passiert“-Show.
Stellen wir uns vor, der VdeH sitzt zusammen mit British American Tobacco. Denn die sind beim VdeH im Vorstand vertreten und werden da sicherlich das ein oder andere beitragen. Vermutlich sogar weit mehr, als alle anderen Mitglieder.
Man berät darüber, wie man möglichst öffentlichkeitswirksam eine Aktion gegen die Liquidsteuer organisieren kann. Öffentlichkeitswirksam deshalb, weil der VdeH einen schlechten Stand bei den Politikern hat. Weil die nämlich den VdeH als verlängerten Arm von British American Tobacco sehen.
Also beschließt man eine Kundgebung. Sowas mögen die Medien, man kann es in der „lieben Community“ kommunizieren und so vielleicht noch Einzelhändler davon überzeugen, dass man sich einsetzt und eine Mitgliedschaft sich lohnt.
Die Politiker wird sowas einen feuchten Kehricht interessieren.
Irgendwer kommt auf die grandiose Idee, ein multimediales Feuerwerk abzubrennen und Videos auf der Veranstaltung einzuspielen. Die könnte man dann auch gleich an die Presse versenden.
Wie kommt man an Videos?
Noch geiler wäre es sicher, Aussagen von Dampfern einzuspielen. Bisschen Verzweiflung und auf die Tränendrüse drücken geht immer wie geschnitten Brot. Interessiert die Politiker zwar auch nicht, aber das kommt innerhalb der „lieben Community“ sicher top.
Im Marketing nennt man sowas Testimonials.
Da gibt es nur ein Problem. Ein Händlerverband, der auch noch maßgeblich von einem Tabakkonzern unterstützt wird, hat keine Credibility. Er hat nicht ausreichend Glaubwürdigkeit, um ausreichend Dampfer um ein Video bitten zu können.
Und man braucht schon ganz schön viele. Das meiste dürfte nämlich nicht zu gebrauchen sein, man muss beim Schnitt hart aussieben.
Also fragt man einfach ein Mitglied. Möglichst eins, das bisher die Klaviatur des Social Media Marketings gut bespielt hat. Und so viel Glaubwürdigkeit bei den Dampfern besitzt, dass die meisten völlig vergessen, dass es sich dabei um ein marktwirtschaftliches Unternehmen handelt. Die Hall of Vape wird von vielen sicherlich eher als Party Veranstalter wahrgenommen. Was sie ja bewusst so unterstützt haben.
Und zack, schon geht der Aufruf der Hall of Vape raus. Möglichst ungenau und schwammig. Möglichst ohne genau darzulegen, wofür die Videos sein sollen. Möglichst ohne Nennung des Händlerverbandes.
Natürlich wird der Aufruf auch auf den Social Media Seiten des Dampfermagazins geteilt. Ohne weitere Einordnung.
Wirklich, ich habe keinerlei Vorbehalte gegenüber dem Dampfermagazin. Dass die über Jahre hinweg hauptsächlich mit Produkt- und Shopvorstellungen Auflage gemacht haben, ist halt deren Job. Vielleicht trägt gerade das zu meinem Eindruck bei, dass sie im Laufe der Zeit immer näher an die Händler herangerückt sind. Und immer kritikloser den Standpunkt der Unternehmen eingenommen haben.
Dass einer der wichtigsten Redakteure des Dampfermagazins inzwischen Pressesprecher des VdeH ist, rundet da nur das Bild.
So stelle ich mir zumindest vor, was eigentlich abgelaufen ist.
PR Kampagne für Unternehmen
Erst wenn dann so ein Störenfried wie ich kommt und öffentlich darauf hinweist, wird man gezwungenermaßen genauer. Man räumt ein, dass die Videos und damit wahrscheinlich auch die Rechte eigentlich an den Händlerverband gehen.
Als Strohmann-Argument weist man noch darauf hin, dass die Videos nicht für Social Media Beiträge verwendet werden sollen. …na was ein Glück, sie gehen nur an Presse und Politiker. (Was genau macht die Presse eigentlich damit? Denn Pressemitteilungen sind ja zur Veröffentlichung frei, oder?)
Ganz wichtig ist dann auch zu betonen, dass die Videos nicht für „Werbemaßnahmen für Unternehmen“ verwendet werden. Sie werden lediglich für eine politisch wahrscheinlich wirkungslose PR Kampagne eines Verbandes von Unternehmen benutzt. Gleich viel harmloser.
Unbequem
Unbequem.
Unbequem nachzufragen. Unbequem, wenn jemand aufmerksam macht. Unbequem für so viele.
Unbequem für den Verband. Unbequem für British American Tobacco. Unbequem für die Unternehmen. Und bei der Hall of Vape brauche ich sicher auch nicht mehr ankommen. Was sich aber aus anderen Gründen wohl eh erledigt hatte.
Und unbequem für mich. Ehrlich. Es wäre viel leichter, die Fresse zu halten, ins Lied einzustimmen und Kohle zu verdienen.
Aber ich kann nicht aus meiner Haut. Ich empfinde sowas als Beschiss.
Ehrlicher wäre es gewesen, wenn der VdeH dazu aufgrufen hätte. Mit klaren Angaben, wofür die Videos verwendet werden sollen.
Klar, hätte sicher nichts gebracht. Aber genau das empfinde ich ja als Beschisse, es dann andersrum zu versuchen.
Was ich aber bis heute nicht und sicher nie verstehen kann ist, dass sich einige Dampfer dadurch angepisst fühlen, dass ich darauf hinweise.
Es ist wohl auch unbequem, nicht nur einfach ein Video einzuschicken. Um sich nach der letzten verkackten Petition einreden zu können, homöopathisch schmerzfrei mit möglichst wenig Aufwand das Dampfen gerettet zu haben. Und zu einer „Community“ zu gehören.
Dass man aktiv dabei mithilft, dass ein Händlerverband PR macht, von dem alle wissen, dass British American Tobacco da dick drinsteckt, will man nicht hören. Ebenso wenig wie von der Messe, die die Community Nummer reitet, die Unbedarftheit der Dampfer ausnutzt und eigentlich doch nur ein Unternehmen ist.
Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie müde ich bin.
Joey Hoffmann
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