Derzeit wird das durch das Finanzministerium erarbeitete Tabaksteuermodernisierungsgesetz heiß diskutiert. Dies ist auch deshalb politisch brisant, weil Scholz dies als Finanzminister und Kanzlerkandidat der SPD für die bevorstehende Bundestagswahl zu vertreten hat.
Zum ersten mal sollen laut Gesetzentwurf nun auch nikotinhaltige Liquids besteuert werden. Bemessungsgrundlage dafür soll jedoch die Nikotinmenge sein. Was zur Entrüstung vieler Gesundheitsexperten und Suchtforscher geführt hat.
Denn damit würden einzelne Produkte (NikShots, hochdosierte Liquids) mit bis zu 800 Prozent Steuer belegt werden. Ausgerechnet die Produkte, die vorzugsweise von Umsteigern von der weit gefährlicheren Tabakzigarette genutzt werden.
Am Montag fand dazu eine Anhörung durch den Finanzausschuss statt. In der einhellig alle eingeladenen Sachverständigen sich gegen die Gesetzesvorlage aussprachen. (Link zum ausführlichen Bericht unten)
„Ich habe keinen Experten gehört, der den Gesetzentwurf verteidigt hätte. Im Gegenteil: Kritik kam zurecht von allen Seiten. In meinen 3,5 Jahren als Abgeordneter habe ich noch nie so ein vernichtendes Urteil gesehen.“
Stefan Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen, t-online.de, 18.05.2021
Befragung der Bundesregierung
Gestern fand eine Befragung der Bundesregierung im Parlament statt, der sich Olaf Scholz als Vizekanzler stellen musste. Daher war es naheliegend, dass auch zwei Fragen zu der geplanten Gesetzänderung gestellt wurden.
Zunächst stellte Till Mansmann, Mitglied im Finanzausschuss für die FDP, die Frage, warum bei dem Gesetzentwurf offenbar fiskalische Überlegungen den Überlegungen zur Gesundheit überwiegen würden.
Darauf konterte Scholz kühl:
„Es gibt gesundheitspolitische Erwägungen, die dafürsprechen, dass wir jetzt nicht alles harmlos finden, was sich selber für harmlos deklariert.“
Olaf Scholz, SPD, Befragung der Bundesregierung, 19.05.2021
Damit unterstellt Scholz implizit, nur die Hersteller der E-Zigarette und der Tabakerhitzer würden die geringere Schädlichkeit behaupten. So greift er das Framing der Gegner der Harm Reduction auf. Es wird ignoriert, dass die E-Zigarette kein Produkt der Tabakkonzerne ist. Und dass es einen breiten, wissenschaftlichen Konsens gibt, bis zur staatlichen Gesundheitsbehörde Public Health England.
Im Weiteren verwies Scholz darauf, dass es gleichsam normal sei, dass die Tabaksteuern regelmäßig angepasst werden. Darüber hätte man mit der Tabakindustrie ein „fast Einvernehmen“. Zum zweiten müsse man sicherstellen, dass wenn moderne Produkte sich „auf dem Markt zeigen“, man sicherstellen müsse, dass die Besteuerung „fortgeführt“ würde.
Mansmann fragte weiter nach den im Referentenentwurf sehr hoch kalkulierten Steuereinnahmen mit weiteren Zuwächsen.
Ob der Finanzminister eigentlich gar nicht damit rechne, den Konsum zurückzudrängen (also die erwartete Lenkungswirkung gar nicht eintritt); und ob er diese Berechnungen für realistisch und seriös halte. Worauf Scholz nur mit norddeutscher Flapsigkeit antwortete, alle Berechnungen, die das Finanzministerium anstelle, seien seriös.
„Alle Berechnungen des Finanzministeriums sind seriös“
Eine Rückfrage zu dem Thema kam von Stefan Schmidt vom Bündnis 90/Die Grünen. Schmidt ist ebenfalls Mitglied des Finanzausschusses.
Er wollte wissen, ob Scholz die Einstellung seiner Fraktion teile, dass umso gesundheitsschädlicher ein Produkt ist, umso höher es auch besteuert werden sollte. Und wie er zur Besteuerung von Wasserpfeifen stünde.
Auch darauf entgegnete Scholz nur ausweichend, sie hätten sich die Abwägung zwischen den Produkten „schon gut überlegt“. Er habe zu dem Gesetzentwurf keinen Änderungsbedarf.
Das liege nun im Bundestag, „mal gucken, was er macht“.
Nicht nur, dass Scholz beide Fragen nicht beantwortete. Er stellte sich gar nicht dem Kern der Kritik an seiner Gesetzinitiative.
Joey Hoffmann
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