Heute Morgen kam eine Leserfrage auf der Facebook Fanpage von VAPERS.GURU, die ich schon mehrfach versucht habe irgendwie zu beantworten.
Aber wie das so mit guten Fragen ist, darauf gibt es keine einfachen Antworten. Deshalb versuche ich das nun einmal in einem eigenen Kommentar.
Eine Leserin fragte, ab wann sie als Nichtraucherin gilt. Denn sie solle aus gesundheitlichen Gründen vom Tabak runter. Also wollte sie wissen, ab wann sie dem Arzt sagen kann, dass sie Nichtraucherin ist.
Dafür muss ich aber erstmal ein wenig mit dem Bild der Halbgötter in Weiß aufräumen.
Ich bitte das nicht falsch zu verstehen. Das Medizinstudium ist nicht einfach. Aber es ist bei weiten nicht das schwerste. Es ist vor allem getragen durch Auswendiglernen.
Doktor ist nicht gleich Doktor ist nicht gleich Arzt
Und der Doktor der Medizin ist bei den empirischen Wissenschaften auch nicht sonderlich hoch angesehen. Um das mal ganz vorsichtig auszudrücken. Während in der Bevölkerung das Bild vorherrscht, Ärzte seien die intellektuelle Speerspitze.
Häufig werden Ärzte auch mit Wissenschaft gleichgesetzt, obwohl die allermeisten gar nicht forschend tätig sind.
Das erkennt man auch am Doktorgrad. Ein „Dr. med.“ (Doctor medicinae) ist ein Doktor der Medizin. Ein „Dr. rer. med.“ (Doctor rerum medicinae) ist ein Doktor der Medizinwissenschaften. Was viel viel schwieriger ist.
Das soll bitte nichts schmälern. Denn ein Facharzt, beispielsweise ein Anästhesist, muss eine bis zu 15 Jahre dauernde Ausbildung durchlaufen. Und dabei verdient er manchmal weniger als ein Gerüstbauer, nur dafür in 24-Stunden-Schichten.
Aber der landläufige Hausarzt ist eher der Verwaltungsfachangestellte der Wissenschaftler.
Meine Hausärzten hat übrigens nicht einmal einen Doktor und ist sicher die beste, die ich je hatte.
Wichtig zu verstehen ist: Doktor ist nicht gleich Doktor und Arzt ist nicht gleich Arzt.
Mitten in einer Revolution
Das bedeutet, dass die meisten Ärzte nicht selber etwas definieren. Sondern sie halten sich an die Definitionen, die andere aufgestellt haben. Meist Fachleute im jeweiligen Bereich.
Deshalb berichte ich so oft über die S3 Richtlinien. Die sind das schlaue Buch, das Ärzte aufschlagen, wenn jemand fragt, wie er mit dem Rauchen aufhören kann. Und wenn da drinsteht „Nikotinpflaster gut, E-Zigarette voll doof“, dann halten sie sich daran. Weil sie zwischen Thrombose, Krankschreibung wegen Schnüpperchen und Abrechnung mit der Krankenkasse keine Zeit haben, sich einzulesen.
Über Jahrhunderte wurden „Rauchen“ und „Nikotin“ immer mit der Inhalation von Tabak gleichgesetzt. Es gab ja nichts anderes. Und auch die Forschung zum Nikotin ohne Tabak geht eigentlich jetzt erst los.
Viele Ärzte sind, und das ist kein Scherz, auf einem Wissensstand aus dem 19. Jahrhundert.
Das sollte man sich bewusst machen. Schon vor 500 Jahren kamen die Spanier in Südamerika an den Tabak. Es gab sogar schon Verbotsversuche damals. Spätestens seit dem 17. Jahrhundert wurde in Europa geraucht. Der orale Tabak (Kautabak) hat es nie so wirklich geschafft.
Und erst seit etwa 15 Jahren gibt es nun die Möglichkeit, Nikotin auch anders zu konsumieren. Mit E-Zigaretten, Tabakerhitzern und Snus. Eine schadensminimierte Form, die Tobacco Harm Reduction.
Tatsächlich befinden wir uns mitten in einer Revolution.
Wann ist jemand Raucher?
Vor diesem Hintergrund muss man doch eher fragen: Was ist überhaupt ein Raucher?
Mit „Raucher“ ist ja viel mehr gemeint. Da blitzen dann so Attribute auf wie „süchtig“, „Krebs“, „frühzeitiger Tot“ und „Kannmalbittejemandandiekinderdenken“.
Aber was bedeutet das nun wirklich?
Wenn jemand eine Zigarette am Tag raucht? Wenn jemand eine Schachtel am Tag raucht? Wenn jemand einmal in der Woche in eine Shisha Bar geht? Wenn jemand in einem Zigarren Club ist? Wenn jemand kaum raucht, aber morgens zum Kaffee eine Kippe braucht? Wenn jemand Kautabak kaut?
Fragt man nun einen der Gegner der Tobacco Harm Reduction, wird der immer den Standpunkt einnehmen: Ein Raucher ist jemand, der Nikotin konsumiert. (Außer mit Nikotinersatztherapien der Pharmaindustrie!)
Und das sorgt für das Sprachgewirr. Schreibt ein von der Lung Association bezahlter Wissenschaftler in den USA von „Rauchstopp“ („cessation“), meint er eigentlich den Konsumstopp von Nikotin. Er wird einen Dampfer auch immer als Raucher bezeichnen; oder zumindest sehen.
Fragt man einen Physiker, Biologen oder einen Pharmakologen wie Prof. Dr. Mayer, wird der etwas völlig anderes sagen. Nämlich dass jemand, der keinen Rauch (i.e. Verbrennungsprodukte) inhaliert, auch kein Raucher ist.
Ich selber komme aber aus der Ecke der Psychologie. Für mich ist viel entscheidender, ob jemand abhängig ist und wie sein Suchtverhalten aussieht. Was die meisten Suchtforscher genauso beurteilen, denn das sind meist Soziologen und Psychologen. Wie der unter Dampfern recht bekannte Prof. Dr. Peter Hajek aus London.
Die Anamnese ist entscheidend
Und auf ihre Weise haben alle ja recht. Das Problem ist, dass sie „Rauchen“ – und dadurch auch „Nichtrauchen“ – unterschiedlich definieren. Es gab bisher ja nie einen Anlass, sich neu darüber Gedanken zu machen.
Selbst wenn die Unterscheidung schon immer ungenau war.
Was will ein behandelnder Arzt also wirklich wissen, wenn er nach „Raucher“ oder „Nichtraucher“ fragt?
Er versucht eine Anamnese zu erstellen. Also Vorerkrankungen abzuprüfen um damit Risiken einschätzen zu können. Ob man nach dem Arzttermin vor der Türe dann nervös die einzige Zigarette des Monats raucht, ist dem Arzt völlig egal.
Und weil die Tobacco Harm Reduction noch lange nicht im Kreis der behandelnden Ärzte angekommen ist, kann ein Dampfer das eigentlich auch nicht mit „Raucher“ oder „Nichtraucher“ beantworten.
Daher kann ich nur sagen, wie ich mit der Frage umgehen würde. Und warum.
Nichtraucher ist eine Frage der Definition
Ich inhaliere seit locker sieben Jahren keinen Rauch mehr. Ich bezeichne mich als Nichtraucher.
Das wird auch durch ein völlig verändertes Suchtverhalten gestützt. Denn auch wenn ich am PC (wie jetzt) dampfe wie ein Schlot oder öfter auch mal die IQOS nutze (was ich eigentlich als Rauchen bezeichnen würde, auch wenn nur Dampf herauskommt), habe ich bei langen Zugfahrten keine Probleme damit, über Stunden zu verzichten. Das wäre als Raucher nicht gegangen.
Häufig vergesse ich sogar die Dampfe einzustecken. Es ist bei mir also viel mehr eine ritualisierte Verhaltensabhängigkeit, als eine Abhängigkeit vom Nikotin.
Hinzu kommt, dass ich keinerlei Symptome habe und meine Lungen top sind.
Fragt mich also ein Arzt ob ich rauche, sage ich nein. Denn er will eigentlich nicht wissen, ob ich Nikotin inhaliere. Sondern ob ich meinen Körper mit Verbrennungsstoffen zumülle und meine Lunge räuchere. Auch meine Nutzung der IQOS ändert das nicht.
Auf Formblätter kreuze ich „Nichtraucher“ an.
Durch meine Schlaganfälle (die nix mit dem Rauchen zu tun hatten!) war ich aber auch öfter bei neurologischen Check Ups. Und Neurologen sind (oder waren) meist ja auch Psychiater. Da sage ich dann auch im Gespräch, dass ich Nikotin konsumiere, ohne zu rauchen. Die Fragen dann schon nach, wenn es sie interessiert.
Ob ich nun Rauche oder Dampfe wird in deren Kontext weniger interessant sein, als bei einem an Schizophrenie erkrankten.
Nichtraucher ist kein Titel
Die ehrliche Antwort auf die Leserfrage muss also lauten: Ich kann es nicht beantworten.
Denn die Unterteilung in „Raucher“ und „Nichtraucher“ wurde durch die schadensminimierten Produkte überholt. Und es wird noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis das, was die Wissenschaft inzwischen sagt, bei den Ärzten und auf den Vordrucken angekommen ist.
Jemand, der jetzt gerade aus akuten gesundheitlichen Gründen umsteigen will, ist gut beraten seinem Arzt zu sagen, dass er lange geraucht hat. Denn die Lunge braucht einige Jahre, um sich zu regenerieren.
Um eine mögliche Abhängigkeit geht es dabei nicht.
Man sollte sich davon frei machen zu denken, alles was der Arzt sagt ist richtig und irgendwo wissenschaftlich in Stein gemeißelt. Und moralisch zu urteilen haben Ärzte schon mal gar nicht.
Es geht darum, ob die Lunge oder das kardiovaskuläre System belastet ist.
„Nichtraucher“ ist kein Titel, den man sich verdienen muss und den Ärzte verleihen. Auch wenn einige Ärzte sich selber gerne so sehen.
Also lieber ehrlich sein. Es macht keinen Sinn, einen Arzt zu belügen. Niemals. Er soll helfen, nicht urteilen.
Egal was die Medien und Ärzteverbände gerne behaupten: Jede nichtgerauchte Zigarette ist eine gute Zigarette. Und Dampfen ist besser als Rauchen. Immer.
Das sagt die Wissenschaft. Ende.
Wenn ich jemanden am Straßenrand sehe, der an einer E-Zigarette zieht, weiß ich, dass er in dem Moment keine Zigarette rauch. Und nur darum geht es.
Ich sage es nochmal:
Wir befinden uns mitten in einer Revolution. Wir müssen aufräumen mit einem 500 Jahre alten Bild.
Es ist nicht vermessen für möglich zu halten, dass wir bei diesem Thema schneller oder besser informiert sind als Ärzte.
Joey Hoffmann
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