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Tabaklobby: Die Geschenke des Herrn Scholz – Teil 2

„…ist eine Einflussnahme der Tabaklobby kaum von der Hand zu weisen.“

Fortsetzung des ersten Teils. (Link)

Am 28. August berichtete das RedaktionsNetzwerk Deutschland kurz unter dem Titel „Regierung sprach oft mit der Tabaklobby – Linke vermuten Einflussnahme“.

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In diesem Artikel war erneut Niema Movassat als Ansprechpartner genannt. Und es wurde von 23 Gesprächen zwischen der Bundesregierung und der Tabaklobby gesprochen. Was wiederum nicht mit den beiden zuvor veröffentlichten Listen übereinstimmte.

Eine Anfrage beim Büro von Movassat brachte Klarheit: Die Linke hatte eine erneute Anfrage gestellt. Und unter 32 anderen Fragen erneut nach den Kontakten zwischen Regierung und Tabaklobby gefragt. Und eine dritte Liste als Antwort erhalten. Diese war nur noch nicht als Drucksache veröffentlicht. (Link unten)

Gleicht man die drei Listen ab, kommt man tatsächlich auf 23 Gespräche mit weit mehr Teilnehmern.
Offenbar waren einigen Verantwortlichen in den vergangenen Monaten noch das ein oder andere Gespräch eingefallen. Allerdings sind in dieser neusten Liste vom 21. August wiederum Daten nicht angegeben, die in der ersten und zweiten Liste enthalten sind.

Erst wenn man diese nur widerwillig von der Regierung herausgegebenen Daten genauer betrachtet, ergibt sich ein Bild.

Alles wie üblich… bis 2020

Viele Angaben sind wenig spektakulär.
Beispielsweise fanden zwei Gespräche zwischen Philip Morris International (Marlboro) und dem Wirtschaftsministerium statt. Einmal im Oktober 2018 und im März 2021. Bei beiden Gesprächen ging es um die Tabaksteuer.
Das erscheint jedoch eher unverdächtig. Da das Wirtschaftsministerium nur mittelbar Ansprechpartner ist und PMI keine eigene E-Zigarette am Markt hat. Zudem ging es sicher auch um den Tabakerhitzer IQOS, der ebenfalls unter einer größeren Steuererhöhung als die Tabakzigarette zu leiden hat. PMI ist zwar der Platzhirsch unter den Konzernen, ist aber in keinem Lobbyverband mehr engagiert.

Weitere Gespräche fanden zwischen dem BfTG und Dustin Dahlmann statt, einmal mit der Drogenbeauftragten und einmal mit dem Finanzministerium. Es hat auch ein Gespräch zwischen dem Finanzministerium und Michael von Foerster vom Verband der deutschen Rauchtabakindustrie gegeben. Auch Juul war einmal zu Gast.
Alles eher ferner liefen, wenn man alle Daten hat.

Interessanter ist da schon ein Treffen zwischen dem Staatsminister Hendrik Hoppenstedt vom Bundeskanzleramt und Vertretern von British American Tobacco, Reemtsma, dem Deutschen Zigarettenverband und dem Verband der deutschen Rauchtabakindustrie. Ohne Angabe der Namen.
Das hatte jedoch bereits im Februar 2019 stattgefunden.

Da der erste Referentenentwurf zur Steuererhöhung vom Oktober 2020 stammt, muss also in den Monaten zuvor daran gearbeitet worden sein. In diese Zeit fallen mehrere Gespräche der Tabaklobbyisten und dem Finanzministerium. Genau die, die der Regierung erst nach und nach wieder einfielen.

Am 30.06.2020 fand ein persönliches Treffen in Berlin statt. Also höchstens drei Monate vor dem geheim gehaltenen Referentenentwurf.
Anwesend waren der Staatssekretär aus dem Finanzministerium Dr. Rolf Bösinger und der ehemalige Staatssekretär Jan Mücke von der FDP in seiner Doppelrolle als Geschäftsführer des deutschen Zigarettenverbandes (DZV) und des Bundesverbandes der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE).
In beiden Verbänden sind Reemtsma (Gauloises, John Player Special, E-Zigarette My Blu) und British American Tobacco (Lucky Strike, E-Zigarette Vype bzw. Vuze) die tonangebenden Mitglieder. Im BVTE sind zwar auch die reinen E-Zigaretten Unternehmen Nico, Riccardo und Highendsmoke. Allerdings gehört auch Highendsmoke zu BAT.
Zusätzlich waren bei diesem Treffen auch der General Manager Michael Kaib von Reemtsma und der Vorstandsvorsitzende Ralf Wittenberg von BAT persönlich anwesend. Eine Elefantenrunde der Tabaklobby. Und gemäß Liste ging es ausschließlich um die Steuererhöhung.



Hamburger unter sich

Bis November fanden drei weitere Telefonate zwischen dem Cheflobbyisten Mücke und dem Staatssekretär Bösinger statt. Und ein weiteres zwischen Mücke und der Drogenbeauftragten.

Dr. Rolf Bösinger, Staatssekretär im BMF, SPD Mann und Vertrauter von Olaf Scholz (Foto: BMF)

In dem angegebenen Zeitraum vom Februar 2018 bis März 2021 fanden drei Gespräche statt, bei denen BAT persönlich vertreten war, zwei bei denen Reemtsma persönlich vertreten war und 14 Gespräche mit Jan Mücke bzw. dem DZV/BVTE. Der wiederum BAT und Reemtsma vertritt.
Von allen 23 Gesprächen fanden 14 mit dem Staatssekretär Bösinger vom Finanzministerium statt.

Dass man offenbar einen guten Draht zueinander hat, lässt sich vielleicht erklären. Denn Bösinger war als SPD-Mitglied bereits seit 2015 Staatsrat im Senat Scholz II in Hamburg. Als Scholz dann das Finanzministerium in Berlin übernahm, nahm er Bösinger mit und er wurde Staatssekretär. Das war im März 2018. Spätestens zwei Monate später nahm er die Gespräche mit den Tabaklobbyisten auf.

Was dem Ganzen ein zusätzliches Geschmäckle verleiht: Sowohl BAT Germany als auch Reemtsma sitzen in Hamburg. Dort, wo Bösinger zuvor Staatsrat für Wirtschaft war.
Es ist schwer zu glauben, dass man sich nicht zuvor schon einmal über den Weg gelaufen ist. Beispielsweise bei einem der regelmäßigen Treffen zwischen Bürgerschaft und dem Industrieverband Hamburg. Zu dem Bösinger Kontakte hatte. Und in dem nicht nur Reemtsma und BAT Mitglied sind, sondern ein solches Treffen 2015 auch im Hause BAT abgehalten wurde.

Merkel drängte auf Eile

Auch der Spiegel spricht in seinem Artikel vom 31. August von „intensiver Einflussnahme der Lobby auf einen Vertrauten des Finanzministers.“ Gemeint ist natürlich der Hamburger Bösinger.
Wie ungerne das Finanzministerium Informationen zu diesen Vorgängen preisgibt, zeigt ein Beispiel des Spiegel:

„Als die unabhängige Tabakexpertin Laura Graen Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz begehrte, wies das Ministerium ihren Antrag ab. Mit der Begründung, »das BMF könnte so in der Wahrnehmung seiner Aufgaben, d. h. insbesondere im Hinblick auf den Dialogprozess mit unterschiedlichsten Externen, stark beeinträchtigt werden«. Dazu verlangte die Behörde von Graen 500,- Euro – die maximal zulässige Gebühr für solche Auskünfte.“

Spiegel, „Wie Olaf Scholz die Tabaklobby glücklich machte“, 31.08.2021

Doch das Vorhaben scheint nicht nur durch das Finanzministerium vorangetrieben zu sein. So berichtet der Spiegel weiter, Angela Merkel habe Anfang März höchstpersönlich dem damaligen Bundesrats-Vorsitzenden Reiner Haseloff geschrieben, der Vorgang sei besonders eilbedürftig, „damit das Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden kann“.

Man wollte wohl dringend dieses für die Tabakindustrie angenehme Gesetz durchdrücken, bevor es nach der Bundestagswahl womöglich zu einer anderen Regierungskonstellation kommt.

„Besonders interessant: bevor im Oktober 2020 der erste Referentenentwurf im BMF zum Tabaksteuermodernisierungsgesetz entstand, gab es diverse Gespräche zwischen BMF und Tabakvertretern. Angesichts dessen, dass im ersten Referentenentwurf und auch noch im ersten Gesetzentwurf der Bundesregierung eine überhöhte und nicht risikoadjustierte Steuer auf (tabakfreie) e-Zigaretten und zugleich nur eine moderate Erhöhung der Steuern auf Tabakzigaretten vorgesehen war, ist eine Einflussnahme der Tabaklobby kaum von der Hand zu weisen. […] Dass die Bundesregierung nicht wusste, dass Olaf Scholz und das Bundesfinanzministerium seit Monaten eine Erhöhung der Tabaksteuern geplant haben, ist nicht glaubwürdig.“

MdB Niema Movassat gegenüber vapers.guru, 30.08.2021

Die geplanten zusätzlichen Einnahmen durch die Besteuerung von E-Zigaretten wurden im Gesetzgebungsverfahren mit 2,9 Milliarden angegeben. Etwa das Fünffache von dem, was der deutsche Markt überhaupt an geschätztem Umsatz erbringt.
Doch kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes senkt das Finanzministerium seine Erwartungen auf eine Milliarde Euro. Selbst die dürften bei weitem nicht erreicht werden. Denn niemand wird hunderte Euro Steuer auf Produkte zahlen, die es im Laden nebenan weiterhin für zehn Euro gibt.

Allein auf weiter Flur

Die E-Zigarette steht alleine auf weiter Flur. Sie ist dem Spiel der großen Lobbyisten ausgesetzt und hat kaum Fürsprecher. Durch die Einzelinteressen von Tabak- und Pharmaindustrie wird die mindestens 95 Prozent weniger schädliche Alternative zum Rauchen klein gehalten. Unterstützt durch die Unwissenheit von Politikern, welche die Wissenschaft ignorieren oder sich von Interessend er Pharmaindustrie bezirzen lassen.

Einzig das BfTG hat sich als reiner Vertreter der E-Zigarette bemerkbar gemacht. Er wurde sogar als im Finanzausschuss gehört.
Der BVTE hat sicher nicht die Interessen der E-Zigarette vertreten. Auch wenn dort drei Unternehmen der Branche Mitglied sind, dürften die Tonangeber wie auch im Zigarettenverband BAT und Reemtsma sein. Sie haben das mehrfach Tausendfache an Umsätzen.

Der Konsumentenverband BVRA ist gerade erst gegründet worden und ringt um Mitglieder der offenbar eher desinteressierten Konsumenten. Man muss es als Erfolg verbuchen, überhaupt zu einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf eingeladen worden zu sein.

Vom Regen in die Traufe

Doch das ganze Debakel spiegelt sich nirgends so gut wie beim Verband des eZigarettenhandels VdeH. In dem der umtriebige BAT ebenfalls Mitglied ist.
Wie auch beim BVTE sahen einige Dampf-Unternehmen ihre Rettung offenbar darin, sich an den Tabakkonzern zu hängen. Naiv ignorierend, dass British American Tobacco sehr eigene Interessen hat.

In einem gestern veröffentlichten Artikel der Welt wird der Landeschef Engels von BAT zitiert „Daher werden klassische Zigaretten noch für viele Jahre ein wichtiger Teil unseres Geschäfts sein“. Und ein Sprecher von Reemtsma wird zitiert mit „Wir investieren in unsere Kernmärkte und wollen dort Marktanteile hinzugewinnen“.
Fachhandel ist nun einmal etwas anderes als die Points of Sale Tankstelle und Kiosk. Und offene Systeme der E-Zigaretten-Branche sind etwas anderes als die Podsysteme der Tabakmultis.

Obwohl der VdeH immer argumentiert hat, BAT sei ein Mitglied wie jedes andere auch, ergibt sich nun ein ganz anderer Eindruck. Denn British American Tobacco führte seit 2018 – und verstärkt im Vorfeld der Gesetzesinitiative – direkt oder indirekt mindestens 15 Gespräche mit der Bundesregierung. Über die anderen Verbände, in denen er Mitglied ist. Fast alle mit dem Finanzministerium.
Es ist unwahrscheinlich, dass die anderen Mitgliedsunternehmen des VdeH davon wussten.

Nicht nur, dass in den drei Jahren kein einziges Gespräch zwischen Regierung und VdeH stattgefunden hat. Während ihr Mitglied BAT längst in Berlin saß. Stattdessen hat man sich mit einer übergriffigen und unprofessionellen Kundgebung am Reichstag aus der politischen Diskussion ausgeschlossen.
Ob es einen Unterschied gemacht hätte, ist fraglich. Denn wie man nun sieht, waren zu dem Zeitpunkt längst die Karten verteilt.

Der E-Zigarette und der Branche bleiben derzeit nur zwei Hoffnungen. Dass das BfTG mit seiner angestrebten Verfassungsklage durchdringen kann, oder dass die Karten mit einer neuen Regierung neu gemischt werden. Denn sowohl FDP als auch Grüne und Linke haben die so genannte Liquidsteuer stark kritisiert.

Beides dürfte wohl für viele Vape Shops und Arbeitsplätze zu spät kommen.


Antwort auf die letzte Anfrage (Guru server, PDF): https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2021/09/Antwort-KA_Tabakpraevention.pdf

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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