Die Zulassungsbehörde in Großbritannien veröffentlichte gestern eine Meldung zur Zulassung von E-Zigaretten als Arzneimittel. Die Berichterstattung dazu schießt ins Kraut, die Meldung „Bald E-Zigaretten auf Rezept“ wird wohl nie Realität werden.
Die zuständige Aufsichtsbehörde „Medicines and Healthcare products Regulatory Agency“ (MHRA) in Großbritannien veröffentlichte gestern eine Meldung, die „den Weg für E-Zigaretten ebnen“ soll.
Gemeint ist der Weg zu einer Zulassung als Arzneimittel. Um dadurch von Ärzten verschrieben werden zu können.
Unter anderem berichtete der Guardian darüber. Der offensichtlich nur die Pressemitteilung mit einigen Zitaten aufbereitet hat. In der Dynamik der Medienlandschaft hat sich diese Meldung inzwischen verbreitet, teilweise mit erstaunlich ähnlichem Wortlaut.
In deutschen Veröffentlichungen wird diese Meldung nach dem Prinzip Stille Post noch weiter verfälscht. Sodass der Eindruck entstehen muss, die Zulassungsbehörde hätte E-Zigaretten nun akzeptiert und es gebe sie demnächst auf Rezept.
Aber das Thema ist weder neu, noch wird das wohl so in der Realität stattfinden.
Nur eine Aktualisierung
Was die MHRA tatsächlich veröffentlicht hat, ist lediglich eine Aktualisierung. Eben weil sie den Weg für Unternehmen ebnen wollen, ihr Produkt als Arzneimittel zuzulassen.
Tatsächlich besteht die Möglichkeit schon lange. Es hat nur niemand Interesse daran. Bisher hat kein Vape-Unternehmen die Möglichkeit genutzt.
British American Tobacco hat bereits 2016 die Zulassung für Ihr Produkt „Voke“ erhalten. Das zwar nicht mit Strom, sondern mit Druck betrieben werden sollte. Aber unter die gleichen Definitionen fällt.
Fast genau ein Jahr später hat der Tabakkonzern die Arbeit an dem Produkt eingestellt. Mit dem Hinweis, man wolle sich auf den freien Vape Markt konzentrieren.
Das ist nachvollziehbar. Denn die Auflagen der Zulassungsbehörde sind streng. Was bei einem Arzneimittel zu erwarten ist.
Doch damit entsprechen die Voraussetzungen nicht dem, was tatsächlich am Markt passiert. Denn der ist schnelllebig, ständig kommen neue Produkte auf den Markt. Vor allem chinesische Hersteller setzen auf diese Fluktuation, stellen nach einiger Zeit die Produktion ein und bringen dann ein Nachfolgeprodukt auf den Markt. Der wirtschaftliche Fachbegriff dafür lautet Produktlebenszyklus. Und der ist bei E-Zigaretten selten länger als zwei Jahre.
Einzig die großen Tabakkonzerne setzen auf eine lange Kundenbindung durch ein Produkt. Doch selbst die werden ständig überarbeitet und teilweise sogar umbenannt.
Strenge Bedingungen
Die Zulassungsbedingungen umfassen beispielsweise, wie bei anderen Arzneimitteln auch, einen klinischen Teil. Das bedeutet, die Wirkung muss wissenschaftlich am Menschen getestet worden sein.
Dafür will die MHRA den Nachweis, dass die E-Zigarette auch wirklich so viel Nikotin liefert, wie eine Tabakzigarette. Gemessen im Blutplasma.
Ein solcher Versuchsaufbau, durchgeführt und dokumentiert von Wissenschaftlern, dürfte das Budget für die Entwicklung der meisten E-Zigaretten leicht sprengen.
Ein solches Produkt müsste extra für die Zulassung entwickelt werden. Denn die Behörde setzt voraus, dass das zugelassene Produkt nicht auch auf dem freien Markt vermarktet wird. Erst recht nicht unter dem gleichen Namen. Der Hersteller hätte also nicht einmal einen werbenden Effekt: Soll die Dampfe als Arzneimittel vermarktet werden, muss er sie vom freien Markt nehmen.
Man müsste die Investition also ausschließlich für die Zielgruppe der Raucher betreiben, die sich eine E-Zigarette von einem Arzt verschreiben lassen wollen. Die meisten dürften lieber in den Vape Shop gehen.
Weitere Beschränkungen
Hinzu kommen nicht nur viele Vorschriften, beispielsweise zur Verpackung und die Sicherheitsvoraussetzungen an die Elektronik. Sondern auch zur Herstellung. Denn wird das Produkt in Großbritannien oder einem Drittstaat produziert, muss der Hersteller zusätzlich zur Zulassung eine entsprechende Lizenz zur Herstellung von Arzneimitteln haben. Wird das Produkt in einem „anerkannten Land für den Import“ hergestellt, muss der Hersteller gemäß den britischen Bedingungen durch einen Vertreter des Staates überprüft werden.
Selbst wenn ein Unternehmen sich das alles leisten könnte, wäre also mehr als fraglich, ob es das eingehen will. Durch die Beschränkung der Zielgruppe wird das sicher auch für Tabakkonzerne unattraktiv.
Und selbst dann ist damit noch nicht Schluss. Denn das Gesundheitssystem Großbritanniens ist – prinzipiell übersetzt – eine staatliche Krankenkasse für alle. Das National Health System NHS vereint alle „Kassenärzte“. Und das NHS hat bereits angekündigt, dass es nur Produkte verschreiben würde, für die sie durch ihr National Institute for Health and Care Excellence „grünes Licht“ bekommen.
Ein Hersteller müsste also das Risiko eingehen, den Zulassungsprozess zu schaffen, von „NICE“ aber abgelehnt zu werden. Was nichts anderes bedeutet, als dass es die Zulassung hätte, aber niemand seine E-Zigarette verschreiben würde.
Können, Wollen, Müssen, Dürfen
Die Diskussion der E-Zigarette als Therapeutikum hatten wir in Deutschland bereits. Es ging 2014 bis vor das Bundesverwaltungsgericht. Das in letzter Instanz entschied: E-Zigarette und Liquids sind weder Präsentationsarzneimittel noch Funktionsarzneimittel.
Trotzdem treibt einige Dampfer offenbar die Angst, E-Zigaretten sollen in Apotheken verbannt werden. Das ist eine Umkehr. Sie können nicht nur nicht, sie dürfen nicht. Weil sie nicht die Voraussetzungen erfüllen.
Ähnliches gilt übrigens auch für Nikotinpflaster und andere Ersatztherapien. Sie sind in Deutschland rezeptfrei und werden von Krankenkassen nicht übernommen. Wenn sie in Apotheken vertrieben werden, dann weil die Hersteller das so wollen.
Und genau so ist zu verstehen, dass die MHRA Herstellern den Weg ebnen will. Es ist ein politisches Zeichen. Man möchte Unternehmen animieren. Weil man wohl gemerkt hat, dass kein Interesse besteht. Großbritannien öffnet sich, E-Zigaretten zuzulassen. Das tut es aber bereits seit Jahren.
Ob das jemals in der Praxis relevant wird, darf bezweifelt werden.
Neu ist nur die vermeintliche Vereinfachung der Zulassung. Durch Beamte, die sich nicht mit marktwirtschaftlichen Überlegungen belasten müssen.
Joey Hoffmann
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