Die Organisatoren des Arud Symposiums zur E-Zigarette zeigten sich sehr zufrieden. Die Tobacco Harm Reduction sei ein „dynamisch wachsendes Forschungsfeld“ und verfüge über „einen festen Boden an Evidenzen“.
Am vergangenen Donnerstag fand das zweite Symposium der Arud zum Thema Tobacco Harm Reduction statt.
Die „Arbeitsgemeinschaft für einen risikoarmen Umgang mit Drogen“ ist ursprünglich ein Verein in der Schweiz, der inzwischen auch ein Zentrum für Suchtmedizin unterhält. Dort wird ein ganzes Paket zu dem Thema angeboten, von psychotherapeutischer und sozialer Hilfe bis zur inneren Medizin.
Die Arud feiert derzeit ihr 30-jähriges Bestehen.
Der Chefarzt des Zentrums, Dr. Philip Bruggmann, organisierte das Seminar gemeinsam mit Prof. Dr. Oliver Senn, dem stellvertretender Leiter am Institut für Hausarztmedizin am Universitätsspital Zürich, und Prof. Dr. Heino Stöver, Leiter des Instituts für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences.
Etwa 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Suchtforschung, Politik, Medizin, Prävention, Journalismus und Wirtschaft folgten den Vorträgen.
Provokante Wissenschaftler
„Der Umgang mit Nikotin ist völlig ambivalent. Auf der einen Seite soll der Stoff in FDA-geprüften Produkten, wie Nikotinkaugummis, völlig unbedenklich sein. In E-Zigaretten soll das Nikotin aber wiederum höchst suchterzeugend und sogar tödlich sein. Um es klar zu sagen: Es gibt keine Hinweise darauf, dass Nikotin das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht, weder in Nikotinkaugummis noch in E-Zigaretten.“
Prof. Dr. Bernd Mayer, Leiter der Pharmakologie und Toxikologie am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften,Karl-Franzens-Universität Graz
Die Aussage des unter Dampfern bekannten Professors Dr. Bernd Mayer, der selber langjähriger Dampfer ist, ist gewohnt provokant.
Er spielt mit seiner Aussage darauf an, dass die Gegner der E-Zigarettesie als stark suchterzeugend darstellen. Was inzwischen EU-weit sogar auf den Verpackungen stehen muss. Die gleichen Voraussetzungen bei Nikotinersatztherapien aber nicht beachtet werden.
Tatsächlich gibt es bis heute keinen dokumentierten Fall, bei dem jemand von Nikotin-Spray, -Pflastern oder ähnlichem abhängig geworden ist.
So erwähnt Mayer auch gerne, dass es keinen Nachweis dafür gibt, dass Nikotin in Abwesenheit von Tabak suchterzeugend ist. Etwas, was auch Wissenschaftler sich selten trauen auszusprechen, da sie mit entsprechendem Gegenwind der Pharma- und Gesundheitslobby rechnen müssten.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Klarstellung zu verstehen, dass es keinen Nachweis für Kreislauferkrankungen durch Nikotin gibt.
„Die meisten E-Zigaretten machen nicht so abhängig, wie es Zigaretten tun. Warum sollte also jemand der gerne dampft, statt zu rauchen, seine Meinung plötzlich ändern. Das ergibt keinen Sinn!“
Prof. Dr. Jean-François Etter, Professor für Öffentliche Gesundheit an der Université de Genève (Genf)
Der bekannte Prof. Dr. Etter widerspricht damit der längst überholten, aber durch Gegner der E-Zigarette ständig postulierten Gateway Theorie. Ähnlich wie Prof. Dr. Mayer ist diese Aussage im wissenschaftlichen Diskurs durchaus provokant.
Aus der Praxis
„E-Zigaretten haben vermutlich nicht das gleiche Suchtpotenzial wie Tabakzigaretten. Alle neuen Formen der Nikotinaufnahme sind weniger schädlich als das Rauchen. Kann man mit deren Hilfe aufhören zu rauchen? Vermutlich ja!“
Dr. med. Tobias Rüther, Oberarzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum, Leiter der Nikotinambulanz, Ludwig-Maximilians-Universität München
Dr. Rüther hat sich anfänglich sehr skeptisch zu E-Zigaretten geäußert. Bei einer Podiumsdiskussion der eGarage in Berlin zitierte er gar die falschen Pressemitteilungen aus den USA.
Sein Standpunkt scheint sich in den vergangenen Jahren aufgrund der zunehmenden Beweise jedoch gewandelt zu haben. So sagte er auch bei der Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages zugunsten der E-Zigarette aus.
„Potenzielle Langzeitfolgen von E-Zigaretten spielen für schwerstabhängige Raucherinnen und Raucher keine Rolle, wenn sie kurz davorstehen, ihre gesamte Lungenkapazität zu verlieren. Der weitere Verlust der Lungenkapazität kann jederzeit gestoppt werden, wenn die Patientinnen und Patienten auf E-Zigaretten umsteigen.“
Dr. Thomas Hering, Lungenfacharzt, Berlin
Der Berliner Lungenarzt ist der Praktiker. Was man auch an der Kernaussage sieht: Wer kurz davor steht, schwere Schäden davonzutragen, dem sind Langzeitfolgen egal.
Er wurde bei Konsumenten vor allem durch einen Live Stream der Welt (N24) bekannt, bei dem er sich pragmatisch zur E-Zigarette äußerte. Er hat inzwischen auch Artikel zum Thema veröffentlicht.
Hering ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie. Und widerspricht der Gegnerin der E-Zigarette öffentlich. (Link unten)
Andere Perspektive in den USA
„In den Bundestaaten, in denen die Steuern auf E-Zigaretten erhöht wurden, sind die Konsument*innen in den Online- und Schwarzmarkt abgewandert oder haben zur Tabakzigarette gegriffen. Da können geschlossene Systeme ein Vorteil sein, da sie besser zu kontrollieren und manipulationssicher sind. Insgesamt ist die Politik gefordert, die Anreize, auf den Schwarzmarkt auszuweichen, so gering wie möglich zu halten und den Verkauf und Konsum von regulierten Produkten zu fördern.“
Prof. Dr. Abigail S. Friedman, Associate Professor am Department of Health Policy and Management an der Yale University
Abigail S. Friedman hat ihren Doktor an der Elite-Universität Harvard gemacht und ist inzwischen Assistenzprofessorin an der Yale, ebenfalls eine Elite-Universität.
Aus Sicht mitteleuropäischer Konsumenten muss man die Empfehlung geschlossener Systeme natürlich kritisch bewerten. Denn diese sind üblicherweise nicht nur teurer und schränken Konsumenten ein. Sie werden auch fast ausschließlich von Tabakkonzernen produziert.
Diese Anmerkung muss aber sicherlich auch aus der US-amerikanischen Perspektive verstanden werden. Das Selbermischen von Liquids ist in den USA nahezu unbekannt. In den serviceverwöhnten USA konnte es sich nie durchsetzen, es spielt faktisch keine Rolle. Daher sind auch die einfachen Pod-Systeme, die hier eher am Rand eine Rolle spielen, weit beliebter.
Letztendlich fordert auch Friedman die Bekämpfung eines Schwarzmarktes. Und kritisiert damit auch Steuern auf alternative Produkte.
„Ein dynamisch wachsendes Forschungsfeld“
Bei der letzten Fachtagung von Prof. Dr. Stöver kam auch Simon Bauer vom Konsumentenverband BVRA zu Wort. Auch bei diesem Symposium wurden die „Nicht-Wissenschaftler“ vertreten, dieses Mal durch den Händler und Dampfer Georges Pisana.
Die Organisatoren waren nicht nur durch das große Interesse positiv überrascht.
„Wir sehen im Bereich der Tobacco Harm Reduction nicht nur ein dynamisch wachsendes Forschungsfeld, sondern auch einen festen Boden an Evidenzen, der klar für den Einsatz von Alternativprodukten wie E-Zigaretten und Tabakerhitzern bei der Rauchentwöhnung spricht. Das hat die heutige Veranstaltung noch einmal unter Beweis gestellt.“
Die bisherige Politik in Europa wird bestimmt durch die Einflüsterungen der Pharma- und Gesundheitslobby. Es bleibt zu hoffen, dass immer mehr Ergebnisse zu immer mehr Wissenschaftlern führen, die die Tobacco Harm Reduction stützen und ihre Stimme gegen diese Politik erheben.
Joey Hoffmann
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