Eine Metastudie hat nachgewiesen, dass sich die Zahl der Jugendlichen, die mit der E-Zigarette kiffen, verdoppelt hat. Das hört sich besorgniserregend an. Hat aber gar keine wirkliche Aussagekraft.
Immer mehr Wissenschaftler stellen sich hinter die deutlich weniger schädliche E-Zigarette. Sie kann ihrer Meinung nach ein gutes Mittel zur Schadensminimierung sein und Millionen Raucherinnen und Rauchern helfen.
Andere Wissenschaftler lassen sich – bewusst oder unbewusst – von den moralwachenden Gegnern der E-Zigarette instrumentalisieren. Wie ein aktuelles Lehrbuchstück zeigt.
Am 25. Oktober erschien in dem Fachjournal Jama Pediatrics eine Metastudie zur Prävalenz von Jugendlichen und Kiffen mittels E-Zigarette.
Dafür betrachtete ein Team der Universität von Queensland, Australien, 17 Studien aus den USA und Kanada. Diese wurden im Zeitraum von 2013 bis 2020 erhoben und umfassen die Daten von 198.845 Schülerinnen und Schülern.
Das Ergebnis: Die Zahl der Jugendlichen, die eine E-Zigarette nutzten um Cannabis zu konsumieren, hat sich in dem Zeitraum verdoppelt.
So lauten nun auch die Schlagzeilen, die seitdem in den Medien erschienen.
Das hört sich erst einmal dramatisch an. Denn leicht hat man im Kopf, dass der Konsum insgesamt zunimmt und die E-Zigarette daran Schuld ist. Schnell hat man das Bild einer „Cannabis-Epidemie“ vor sich.
Doch dummerweise sind diese Rückschlüsse nicht nur nicht möglich. Sie sind sogar falsch.
Bei dieser Studie handelt es sich um genau eine solche Studie, die von Lobbyisten dazu genutzt wird, um Politiker und Öffentlichkeit zu täuschen.
Machen wir einen Ausflug in die wissenschaftlichen Grundlagen.
E-Zigaretten oder Vaporizer?
Zunächst einmal geht aus der Studie überhaupt nicht hervor, ob oder in wie weit E-Zigaretten überhaupt in dieser Entwicklung eine Rolle spielen.
Dazu muss man wissen, dass es auch Verdampfer gibt, die trockenes Marihuana verdampfen können. Diese sind auch in Deutschland legal und schon lange auf dem Markt. Sie haben absolut nichts mit E-Zigaretten zu tun.
Sowohl die Nutzung der E-Zigarette als auch dieser Verdampfer wird im Englischen mit dem gleichen Begriff bezeichnet, nämlich „Vapes“ bzw. „Vaping“. Und so werden diese Verdampfer als „Vaporizer“ bezeichnet.
Bei den Studien, die als Quelle dienten, wurde aber nicht danach gefragt. Es wird nicht zwischen den Produkten unterschieden.
Schon sein 2013?
Der zweite Bias (Verzerrung) liegt darin, dass es die E-Zigarette noch gar nicht so lange gibt. Daher ist fraglich, warum 6,1 Prozent aller Jugendlichen bereits 2013 angaben, schon einmal mit der E-Zigarette gekifft zu haben. Zum damaligen Zeitpunkt waren kaum E-Zigaretten am Markt. Und sie wären sicher auch nicht dazu geeignet gewesen.
Der Wirkstoff in Cannabis ist das THC. Extrahiert man es, ist es ein Öl.
Vor acht Jahren gab es so gut wie keine Geräte, die das Verdampfen eines solchen Öls überhaupt sinnvoll möglich gemacht hätten. Die ersten Selbstwickler kamen etwa 2012 heraus. Es darf bezweifelt werden, dass diese bereits derart in Nordamerika verbreitet waren. Die Zahlen sind nicht schlüssig.
Zudem gab es zu dem Zeitpunkt noch gar keine „marktreifen“ Liquids mit THC. Die Gangs und Drogenköche sind erst weit später auf das Geschäft aufmerksam geworden. Vorher hätten die Jugendlichen also das THC selber extrahieren müssen. THC Öle waren nicht sehr verbreitet.
Eins ist mehr als Null
Derzeit kann man Zeuge eines allgemeinen Bias werden. Denn häufig melden die Medien, dass die Anzahl oder der Anteil von Geimpften unter den Corona Erkrankten zunimmt. Das verleitet einige zu der Annahme, dass die Impfung nicht wirkt.
Tatsächlich gibt es die Impfung aber erst seit Dezember 2020. Zu dem Zeitpunkt war die Zahl der geimpften Erkrankten also zwangsläufig null. Als es zwei gab, war das ein Anstieg um 200 Prozent.
Ausgehend von der Null ist jede Meldung eine Steigerung. Diese Angabe sagt nichts aus. Man muss die Relation betrachten. Beispielsweise den Anteil geimpfter Erkrankter im Vergleich zum Anteil in der Gesamtbevölkerung.
Genauso ist es bei der E-Zigarette.
Vor etwa 2007 gab es gar keine marktreife E-Zigarette in Europa und Nordamerika. Die Zahl der Nutzer muss also zwangsläufig ansteigen. Und wird es auch weiterhin. Ebenso der Anteil der Menschen, welche die E-Zigarette zum Kiffen nutzen.
Konsum steigt an
Insgesamt findet ein Umschwung bei Jugendlichen statt. Der Konsum von Cannabis wird immer beliebter. Auch das könnte erst einmal alarmierend sein.
Tatsächlich ist es aber so, dass der Konsum von Alkohol, Tabak und härteren Drogen ständig rückläufig ist. Rauchen und Saufen wird uncool. Diese Entwicklung zeichnet sich seit über einem Jahrzehnt ab. Schon bevor es E-Zigaretten gab.
Derzeit geben in Deutschland 31 Prozent aller Schülerinnen und Schüler an, schon einmal gekifft zu haben.
Doch da man Cannabis rauchen, verdampfen, schlucken und sogar in Keksen backen kann, ist die Konsumform völlig irrelevant. Ja, vielleicht hat die Konsumform des Verdampfens deutlich zugenommen. Aber vielleicht hat die Konsumform des Rauchens im gleichen Maß abgenommen. Das geht aus der Studie aber nicht hervor.
Psychologische Störfaktoren
Alle Angaben in den Studien basieren auf Selbstauskunft. Und da könnte es weitere Störfaktoren geben. Durch die Psychologie.
Denn im angegebenen Zeitraum der Studien wurde der Konsum von Cannabis in vielen Bundesländern der USA und in Kanada legalisiert. Was nach allgemeinen Zahlen nicht zu einem Anstieg geführt hat.
Doch wenn ein Schüler danach gefragt wird, ob er eine illegale Droge konsumiert, wird er geneigt sein, das zu leugnen. Zumindest eher als bei einer legalen Droge.
Es ist also wahrscheinlich, dass viele Jugendliche die Frage vor der Legalisierung wahrheitsuntreu mit „Nein“ beantwortet haben, später aber ehrlicherweise mit „Ja“. Und das kann natürlich zu einem Anstieg in den Zahlen führen, der in der Realität gar nicht stattgefunden hat.
Schlagzeilen und Lobby
Bei solchen Erhebungen – eigentlich sind es keine Studien – ist immer die Frage, warum sich jemand die Arbeit macht.
Man kann nicht pauschal unterstellen, dass es sich dabei um eine „Gefälligkeitsstudie“ handelt. Für die Grundlagenforschung kann so etwas durchaus Sinn machen.
Aber die Relevanz ist in diesem Fall schon ziemlich dürftig.
Die Studie sagt weder etwas Verlässliches über die Menge des Konsums unter Jugendlichen aus, noch über die Konsumform.
Geschweige denn, dass dadurch nachgewiesen würde, dass die E-Zigarette zum Kiffen verleitet.
Für die Öffentlichkeit hat diese Studie schlicht zwei Nutzen:
Schlagzeilen zu produzieren und Politiker zu beeinflussen.
Joey Hoffmann
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