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Paukenschlag: „Würden Teens nicht dampfen, würden sie rauchen.“

Eine kleine Revolution, die niemand bemerkt

Im November wurde eine Studie von echten Experten veröffentlicht. Das Ergebnis dürfte vielen nicht gefallen. Denn es widerspricht allen Maßnahmen zum Jugendschutz fundamental.

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Ob ein Mensch in seinem Leben einmal Drogen konsumiert, ist nicht genetisch angelegt. Aber es gibt viele Faktoren, die das von Kindesbeinen an beeinflussen.

Das wissen Suchtforscher nicht nur lange. Sondern sie können inzwischen mit hoher Wahrscheinlichkeit Prognosen abgeben, ob ein Pubertierender zu Drogen neigen wird.
Faktoren sind das Elternhaus, die Bildung, Geschwister, das Konsumverhalten der Eltern, die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub und vieles mehr.

Beispielsweise neigen Jungen auf deutschen Hauptschulen mehr als doppelt so häufig zum Rauchen wie auf Gymnasien.

Man kann häufig sogar prognostizieren, welche Drogen bevorzugt werden würden. Extrovertierte Menschen neigen eher zu aufputschenden Drogen wie Kokain, introvertierte Menschen eher zu Opioiden wie Heroin.

Gateway und Epidemie

Die Gegner der E-Zigarette trumpfen häufig mit zwei Thesen auf, die kaum zu widerlegen sind. Und die geeignet sind, Politiker und Gesundheitsorganisationen vor sich her zu treiben. Jugendschutz geht immer wie geschnitten Brot.

Grundlage dafür sind zwei unbestreitbare Fakten. Der Konsum von E-Zigaretten ist auch bei Jugendlichen durch die Decke gegangen und Jugendliche, die einmal mit E-Zigaretten experimentiert haben, haben eine deutlich höhere Tendenz, später zu rauchen.

Was dabei mitschwingt sind psychologische Effekte. Denn man ist geneigt daraus abzulesen, dass durch die E-Zigarette mehr Jugendliche Nikotin konsumieren und dass die E-Zigarette gemäß der so genannten Gateway Hypothese Konsumentinnen und Konsumenten zwangsläufig an die härteren Drogen, also die Tabakzigarette, bringt.

Doch was, wenn es alles ganz anders ist?

Der „Jemals-Konsum“

Zunächst ist es zwangsläufig so, dass die E-Zigarette an Beliebtheit gewinnt. Denn es gab sie ja bis vor etwa 13 Jahren gar nicht. Die Kurve muss also nach oben gehen. Das wird häufig hinter zwei Scheinargumenten verschleiert.

Zum ersten wird für Studien jeder Jugendliche gezählt, der mal eine E-Zigarette ausprobiert hat. Doch der Probierkonsum ist bei Jugendlichen sehr hoch. Jeder, der mal bei seinem Freund an einer E-Zigarette gezogen hat, wird die Frage nach dem „Jemals-Konsum“ („erver-use“) also mit Ja beantworten.
Gewissenhaftere Studien wählen zumindest den Gebrauch innerhalb der letzten 30 Tage als Anhaltspunkt, was die Daten schon enorm bereinigt.

Es ist auffällig, dass ersteres vor allem in amerikanischen Studien gemacht wird. Die fast ausschließlich von Gegnern der E-Zigarette finanziert werden. (Bloomberg Philantrophies, American Heart Association, Truth Initiative, Tobacco Free Kids, etc.) Europäische Studien aber meist das zweite Modell bevorzugen, oder sogar gleich nach regelmäßigem Konsum fragen.

Eine „Generation Nikotinabhängiger“

Das hat dazu geführt, dass in den vergangenen Jahren in den USA medienwirksam von einer „Nikotin-Epidemie“ und einer „Generation Nikotin“ fabuliert wurde.
Der eher liberale Leiter der Zulassungsbehörde FDA sprach im September 2018 zur besten Sendezeit im öffentlichen Fernsehen von einer „Generation der Nikotinabhängigen“. Das hätten die aktuellen, dramatischen Zahlen der Kontrollbehörde CDC mit einem Anstieg um 300 Prozent ergeben.

Scott Gottlieb verkündet in der Newshour im September 2018 eine „Generation Nikotinabhängiger“.

Als die Zahlen dann nach Protesten endlich veröffentlicht wurden, zeigte sich, dass der Zigarettenkonsum im gleichen Maße zurückgegangen, wie der Konsum von E-Zigaretten angestiegen war.
Es gab keine „Generation Nikotinabhängiger“. Die Jugendlichen waren schlicht von der Tabakzigarette auf die weniger schädliche, preiswertere und besser schmeckende Alternative umgestiegen.

Doch das Bild war im öffentlichen Bewusstsein verankert. Kein größeres Medium stellte es richtig. Es war wahrscheinlich der größte Coup, den die moralinsauren Sittenwächter und Pharma-Lobbyisten jemals gegen die E-Zigarette gelandet haben. Selbst in Europa wird es bis heute gerne wiederholt.

Der Weg zum Rauchen

Doch dann war da noch das Ding mit dem Gateway.
Schwieriger ist das Argument zu widerlegen, dass jugendliche Konsumenten von E-Zigaretten eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, später zu rauchen. Denn das ist ja ein belegbarer, klar nachweisbarer Fakt.

Doch dabei handelt es sich um eine kognitive Verzerrung. Weil man daraus unwillkürlich ableitet, dass die Jugendlichen wegen der E-Zigarette rauchen. Nur man kann schwer beweisen, dass ein Jugendlicher eh angefangen hätte zu rauchen, ob E-Zigarette oder nicht. Zudem zeigte sich, dass die meisten, die gedampft haben, zuvor bereits geraucht hatten.

In der Wissenschaft nennt man das eine Scheinkausalität. „Correlation is not causation“ ist eine der Grundlagen empirischer Wissenschaft. Eine Korrelation ist noch lange kein Hinweis auf eine Ursache.
Man spricht auch von „cum hoc ergo propter hoc“.
Und eben weil das so bekannt ist, muss man den so argumentierenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterstellen, dass sie es besser wissen und es absichtlich tun.



Nicolas Cage und Margarine

Was sich theoretisch kompliziert anhört, ist eigentlich sehr einfach.

Der Amerikaner Tyler Vigen hat solche Scheinkausalitäten bzw. Scheinkorrelationen gesammelt und auf einer Homepage veröffentlicht. Die über den Wissenschaftszirkus hinaus sehr bekannt wurde. Inzwischen ist ein ganzes Buch daraus geworden.

Anhand von Beispielen zeigt er, dass der pro-Kopf-Konsum von Margarine eine Korrelation mit der Scheidungsrate von Maine aufweist. Die jährliche Häufigkeit von Menschen, die in einen Pool gefallen und ertrunken sind, korreliert überraschend eindeutig mit der Anzahl von Filmen, in denen Nicolas Cage auftritt.
Die Heiratszahlen von Kentucky korrelieren mit der Anzahl von Menschen, die aus einem Fischerboot gefallen sind, der amerikanische Öl-Import aus Norwegen scheint mit Fahrern zusammenzuhängen, die bei Zusammenstößen mit Zügen getötet wurden. Und die Anzahl von Selbstmorden durch Erhängen scheint von der Anzahl zugelassener Anwälte in North Carolina abzuhängen.

Das ist lustig, weil jeder halbwegs gesunde Mensch weiß, dass es keinen Zusammenhang geben kann.
Viele Verschwörungsmythen beinhalten solche Scheinkausalitäten bzw. Scheinkorrelationen.

Bei der E-Zigarette und Rauchen scheint es jedoch naheliegend. Trotzdem ist es wissenschaftlich nicht zulässig.

Der Pro-Kopf-Verbrauch von Käse korreliert mit der Anzahl der Menschen, die gestorben sind, weil sie sich in ihren Bettlaken verheddert haben.

Zwei Assistenzprofessoren von Elite Unis

Dr. Natasha Sokol ist Assistenzprofessorin für Psychiatrie und Verhalten an der Brown University. Eine gute Adresse, im Gesundheitsbereich wird sie auf Platz drei hinter Harvard und Johns Hopkins gesehen. Tatsächlich war sie auch an den beiden anderen tätig.
Justin M. Feldman ist ebenfalls Assistenzprofessor, jedoch für Epidemiologie und öffentliche Gesundheit an der Harvard University.

Beide haben sich diese Aussagen der Gegner der E-Zigarette genauer angesehen. Und ihre Studie in der November-Ausgabe des Oxford Academic Nicotine & Tobacco Research veröffentlicht. (Link unten)

Sie haben die beschriebenen wissenschaftlichen Regeln befolgt. Und die Techniken benutzt, die Psychologen und Soziologen verwenden.
Sie haben sich die Daten der „Monitoring the Future“ Umfragen (2008 – 2019) unter Abschlusskandidaten von High Schools angeguckt. Sie haben sich aber auch andere Daten angeschaut, wie Verfügbarkeit, Raucherquote, soziales Umfeld, und so weiter.
Das Ergebnis konnte eindeutiger nicht sein.

„Bei nichtrauchenden Jugendlichen war der Konsum von E-Zigaretten unter denen am niedrigsten, mit der niedrigsten vorhersagbaren Wahrscheinlichkeit Zigaretten zu rauchen, und am höchsten bei denen, mit der höchsten Wahrscheinlichkeit.“

High School Seniors Who Used E-Cigarettes May Have Otherwise Been Cigarette Smokers: Evidence From Monitoring the Future, 11/2021, Nicotine & Tobacco Research

Jugendschutz widerlegt

Einfacher gesagt: Wer eine geringe Wahrscheinlichkeit hat zu rauchen, hat auch eine geringe Wahrscheinlichkeit zu dampfen. Und wer eine hohe Wahrscheinlichkeit hat zu rauchen, hat auch eine hohe Wahrscheinlichkeit zur E-Zigarette zu greifen.

Und noch kürzer: Jugendliche, die E-Zigaretten dampfen, würden ohne sie Tabakzigaretten rauchen.

„[…], der Rückgang beim regelmäßigen Rauchen unter Zwölftklässlern hat sich beschleunigt, seitdem die E-Zigarette verfügbar ist. Der Konsum von E-Zigaretten ist hauptsächlich konzentriert unter Jugendlichen, die Charakteristika mit Rauchern der vor-E-Zigaretten-Ära teilen. Was nahelegt, dass die E-Zigaretten das Rauchen ersetzt hat.“

High School Seniors Who Used E-Cigarettes May Have Otherwise Been Cigarette Smokers: Evidence From Monitoring the Future, 11/2021, Nicotine & Tobacco research

In den USA wird derzeit über ein Verbot von Aromen diskutiert, auf EU-Ebene steht es nun auch an.
Wie bei fast allen anderen Argumenten der Gegner der E-Zigarette und der Lobbyisten der Pharma- und Gesundheitsindustrie wird der Jugendschutz als wichtigstes Argument angeführt.

Die Beschränkung von nikotinhaltigen Liquids auf 10 Milliliter in der EU ist eine (völlig absurde) Jugendschutz-Maßnahme. Ebenso die Warnhinweise auf Verpackungen, die selbst dann vor Nikotin warnen müssen, wenn das Produkt gar kein Nikotin enthält. Und das Werbeverbot natürlich auch.
Diese Studie führt das alles ad absurdum.

Aussagen in Medienbeiträgen lassen ahnen, dass die Autoren sich sehr genau bewusst sind, wem sie da widersprechen. Diese Studie kann der gesamten Argumentation der Gegner den Boden unter den Füßen wegreißen.

Leider muss man aber wohl davon ausgehen, dass es die entscheidenden Politiker nicht erreichen wird. Die Einflüsterungen der Lobby sind zu stark, die Medien an so komplizierten Erklärungen nicht interessiert.

Immerhin braucht es ja eine Gegenüberstellung von im Pool Ertrunkenen und Filmen mit Nicolas Cage, um den Leuten zu verdeutlichen, dass ihr Bauchgefühl nicht viel wert ist.


Die Studie im Original: https://academic.oup.com/ntr/article-abstract/23/11/1958/6276227


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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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