Die Nachfrage soll durch immer neue Produkte künstlich hochgehalten werden. Ein Konzept, dass nicht mehr lange funktionieren dürfte.
Die Produktlebenszeit ist der betriebswirtschaftliche Fachausdruck für die Zeitspanne von der Herstellung beziehungsweise In-Markt-Stellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich mit dem Produkt nichts mehr erwirtschaften lässt.
Dann liegt es nahe, ein Nachfolgeprodukt auf den Markt zu bringen.
Häufig werden nur kleine Details verändert. Ein Akkuträger bekommt einen USB-C Port, ein Verdampfer eine andere Luftzufuhr, ein Pod-System einen etwas größeren Akku. Wichtig ist ein neues Design, um dem Käufer zu zeigen, dass es ein neues Produkt ist. Die Zeit der wirklich entscheidenden Neuentwicklungen ist vorbei.
In einem boomenden Markt mit enormen Zuwachsraten und immer mehr Konsumenten hat das noch Sinn gemacht.
Doch der Markt ist inzwischen gesättigt. Die Zuwächse der Dampfer stagnieren – zumindest im Gegensatz zu den Jahren bis etwa 2018. Die Entwicklungen sind nicht mehr so dramatisch, als dass Konsumenten unbedingt jedes neue Gerät kaufen möchte.
Influencer können nicht mehr influencen
Das dürfte auch ein Grund sein, warum das Interesse an Influencern und Reviewern stetig abnimmt. Denn ihr Geschäftsmodell beruht ja darauf, ständig neue Produkte vorzustellen. Es findet eine Ermüdung statt. Ein zu erwartender Effekt bei einem boomenden Markt. Um nicht zu sagen in einer Blase.
Hinzu kommt der inzwischen ebenso regulierte Markt der Liquids.
In der Hochphase des Booms kamen ständig neue Liquids auf den Markt, die von Influencern beworben wurden. Doch das Werbeverbot wurde auch auf nikotinfreie Liquids ausgeweitet. Was bedeutet, dass es sich vor allem für kleine Unternehmen nicht mehr lohnt, neue Liquids auf den Markt zu bringen. Das Interesse wird immer geringer.
Der Trick des künstlichen Bedarfs
Vor allem chinesische Produzenten reagieren darauf, indem sie die Produktlebenszeit verkürzen. Indem sie Produkte vom Markt nehmen, die sowohl funktionell als auch betriebswirtschaftlich noch laufen. Und sie durch ein neues Produkt ablösen. Das mit dem alten auch möglichst wenig kompatibel ist.
Dadurch wird ein höherer Bedarf künstlich erzeugt. Mehr Menschen wollen das neue Produkt kaufen, als sie das alte Produkt nachgefragt hätten.
Diese ständige Innovation ist die Cash Cow der Dampferbranche.
Ein bekannter chinesischer Hersteller bestätigte in einem persönlichen Gespräch im vergangenen Jahr, dass die Umsätze mit zwei Folgeprodukten 50 Prozent hinter den Erwartungen und noch mehr hinter den Vorgängermodellen zurückgeblieben sind.
Schaut man sich an, was Tabakriesen und kleine Manufakturen machen, ist es genau umgekehrt. Sie konzentrieren sich auf einzelne Produkte, die vergleichsweise lange am Markt bleiben.
Tabakkonzerne machen das Gegenteil
Bei den Manufakturen handelt es sich meist um Produkte der gehobenen Klasse, die sehr lange halten. Bringen sie ein neues Produkt auf den Markt, sind dabei meist deutliche Veränderungen oder Innovationen spürbar. Anders als beispielsweise viele mittelklasse Verdampfer. Irgendwann sind die Grenzen erreicht, sie können nicht noch besser schmecken oder noch mehr Dampf produzieren.
Die Produkte des Brandings My Blu von Reemtsma (Imperial Brands) sind seit Jahren weitestgehend unverändert. Ebenso die Vype Produkte von British American Tobacco. Es finden zwar Weiterentwicklungen statt, diese werden aber nicht großartig beworben. Man setzt auf Kundenbindung und Verfügbarkeit, die Produkte stehen inzwischen in jedem Kiosk und jeder Tankstelle.
Selbst vom Tabakerhitzer IQOS des Marktriesen Philip Morris International ist inzwischen die mindestens dritte Version draußen. Etwas, was kaum einmal die Stammkunden mitbekommen, bis sie sich für ein neues Gerät interessieren. Trotzdem werden Flagstores mit diesem kleinen Portfolio unterhalten.
Der Markt wird sich ändern
Es ist zu erwarten, dass diese Branchenriesen den Markt in Zukunft bestimmen werden. Die ersten Anzeichen dafür sind längst spürbar.
Kleine Fachhändler schließen bereits, viele werden folgen. Zumal die Pandemie, das Werbeverbot und die drohende Steuer ihren Teil beitragen werden.
Mit dem chinesischen Riesen RELX drängt derzeit ein wirklicher Gigant auf den europäischen Markt, gegen den die hierzulande bekannteren Unternehmen aussehen wie Winzlinge. Dabei geht RELX erstmal nur mit zwei E-Zigaretten an den Markt.
Die tatsächliche Nachfrage ist dafür nicht alleine ausschlaggebend. Auch wenn derzeit nur geringe Bruchteile des Umsatzes an diese Großen gehen. Der Markt ist sehr viel differenzierter und komplizierter.
Das erkennt man beispielsweise daran, dass die großen Tabakkonzerne in der Öffentlichkeit und Politik als treibende Kraft hinter der E-Zigarette gesehen werden. Zumal vor allem British American Tobacco sich durch Astroturfing genau dort positionieren will. Was von Interessenverbänden, Einzelhändlern und Konsumenten häufig kurzsichtig billigend in Kauf genommen wird.
Die E-Zigarette hat es verpasst, sich deutlich zu distanzieren.
In diesem Jahr werden diese Weichen gestellt werden.
Die Konzerne erhöhen derzeit ihre Preise, die Zielgruppe wird von der kommenden Steuer also wenig mitbekommen. Den Fachhändlern kann sie allerdings mindestens ein Bein brechen.
Die Zeit der künstlichen Aufrechterhaltung der Nachfrage durch immer neue Produkte dürfte jedoch keine Zukunft haben.
Joey Hoffmann
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