Grasroot und Astroturf
Zwei Informanten, die an der Kampagne World Vapers‘ Alliance mitgearbeitet haben, bestätigten Daily Beast, dass BAT nur in Telefonaten involviert war und nicht im Schriftverkehr genannt werden durfte. Dennoch hat der Tabakmulti „die Show geschmissen“ („ran the show“). Die Ausgaben schätzten sie auf Millionen.
Namentlich involviert soll Marcin Wiktorwitz sein, der Chef für solche Kampagnen bei BAT. Der bemerkenswerterweise im Netz nur auf einer polnischen LinkedIn Seite zu finden ist. Er soll auch alle Postings der Social Media Auftritte abgesegnet haben.
Von vier weltweit geschalteten Werbekampagnen auf Facebook wurden laut Daily Beast zwei von Facebook zurückgezogen. Auch das CCC wollte nicht bei diesen Kampagnen genannt werden. Zudem wurde man bei Red Flag offenbar „nervös“: Wird zu viel Geld investiert, kann das dem Grassroot Eindruck schaden. Was noch deutlicher zeigt, wie gezielt hier Astroturf betrieben wird.
Grasroot: Eine Bewegung, die durch Konsumenten oder Bürger betrieben wird. Grassroot = Graswurzel.
Astroturf: Eine professionelle Kampagne aus wirtschaftlichen oder politischen Interessen, die sich bewusst so darstellt, als wäre sie durch Verbraucher bzw. Bürger angetrieben. Im Gegensatz zu Graswurzel: Astroturf = Kunstrasen.
Ein internes Dokument der Agentur zeigt, dass in den Niederlanden Briefe gezielt unterschiedlich gestaltet wurden, um zu verschleiern, dass eine professionelle Agentur dahintersteht.
Was aussieht wie ein Konsumentenverband…
Das alles ist nur eine oberflächliche Darstellung der Vernetzungen und Zusammenhänge, welche die Recherchen inzwischen ergeben haben.
Auch dem Artikel der Le Monde sollte man nicht alles glauben. Laut Michelle Minton vom Competitive Enterprise Institute wurden einige Journalisten des The Investigative Desk in den Niederlanden, die an den Recherchen mitgearbeitet haben, für ihre Arbeit von Bloomberg Organisationen bezahlt. Einem entschiedenen Gegner der Tobacco Harm Reduction, der laut Minton inzwischen 700 Millionen Dollar in den Kampf gegen „den Tabak“ investiert hat. (Tobacco Free Kids, WHO, CDC Foundation, etc.)
Das CCC hat inzwischen die Darstellung von Daily Beast bestritten.
Klar dürfte aber sein, dass die World Vapers‘ Alliance kein organisch gewachsener Konsumentenverband ist. Sondern ein Astroturf Kampagne von British American Tobacco. Was insgesamt ins Bild passt.
Astroturf als Strategie
Eine Ähnliche Kampagne scheint tobaccoharmreduction.net zu sein.
Die Seite plädiert einerseits pro WHO, andererseits pro Vaping. Ein Verantwortlicher für die mehrsprachige Seite oder ein Impressum sind nicht zu finden. Sie wurden absichtlich verschleiert, nicht einmal über das Kontaktformular ist irgendetwas herauszufinden. So etwas passiert nicht aus Versehen.
Die Finanzierung scheint laut Informationen von „Health Diplomats“ zu kommen. Einer Organisation, die 2007 von dem Südafrikaner Dr. Delon Human gegründet wurde. Der wiederum jahrelange enge Verbindungen zu British American Tobacco unterhält.
Allgemein bekannt ist inzwischen, dass British American Tobacco auch federführendes Mitglied im Händlerverband VdeH ist. Der allerdings bemüht ist eifrig zu bestreiten, dass die Rolle von BAT über die eines normalen Mitgliedes hinausgeht. Was schwer zu glauben ist.
Umso merkwürdiger, dass die Rolle des BAT im Verband sowie die Finanzierung gemäß mehreren Informanten auch bei den Mitgliederversammlungen nicht hinterfragt werden. Geschweige denn, dass sie veröffentlicht werden.
Es wird auch nicht hinterfragt, warum der Government Affairs Manager von British American Tobacco Christoph Ihmels, eben jener Vertreter von BAT im VdeH, einen Geschäftsführer für den VdeH auf Stepstone sucht.
Keine organische Reichweite
Bemerkenswert auch eine weitere Parallele. Im April des vergangenen Jahres veranstaltete der VdeH eine „Informationskundgebung“ mit Video-Leinwand am Reichstag. Die gründlich in die Hose gegangen ist, obwohl der Verband bemüht ist, es wenigstens seinen Mitgliedern gegenüber als Erfolg zu verkaufen. Und der dafür ebenfalls Konsumentinnen und Konsumenten instrumentalisieren wollte.
Nur kurze Zeit später war die World Vapers‘ Alliance mit eigens lackiertem Van und einem Transporter mit Video Leinwand unterwegs durch Europa, um unter anderem in Genf (WHO Hauptquartier) und Brüssel (EU Parlament) zu posieren.
Das klingt doch sehr nach dem gleichen Konzept.
Auf YouTube begonnen hat die World Vapers‘ Alliance mit dem „World Vape Day“ am 30. May 2020. Fortgesetzt wurde das 2021, der recht professionelle Live-Stream mit Teilnehmern verschiedener Kontinente hat bis heute geschlagene 1.094 Aufrufe. Offenbar bestand unter den tausenden eigenen Mitgliedern kein so großes Interesse.
Zumindest konnte man aber mit hochkarätigen Gästen aufwarten. Dabei waren der bekannte Influencer GrimmGreen, der prominente Harm Reduction Verfechter Clive Bates und natürlich Prof. Dr. Bernd Mayer als proklamierter wissenschaftlicher Berater der World Vapers‘ Alliance.
Nach organischem Wachstum, geschweige denn einem weltweiten Konsumentenverband, sieht das nicht aus.
In der Zwischenzeit kann der engagierte Dampfer auf der Homepage der World Vapers‘ Alliance nicht nur den Newsletter anfordern, wofür er merkwürdigerweise seine Telefonnummer und Wohnort angeben muss. Er kann auch eine Petition unterzeichnen. Allerdings wird nicht gesagt, an wen genau die Petition adressieren soll, wie lange sie laufen soll etc.
Dafür kann man sich zumindest durch die Privacy Policy auf Englisch sicher sein, dass alle Daten irgendwo anders landen. Bürger, die innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums leben, werden darauf hingewiesen, dass ihre Daten außerhalb gespeichert werden. Und auch an „vertrauenswürdige Geschäftspartner“ weitergeleitet werden können.
Zerrieben zwischen Interessen
Die E-Zigarette wird zerrieben.
Zwischen den Interessen der Verfechter der Prohibition und der Quit-Or-Die-Mentalität auf der einen Seite, wie der WHO, der Pharmalobby und vielen – überraschenderweise eher linken – Politikern. Und den Interessen einiger Tabakkonzerne und wirtschaftsliberalen Stakeholdern auf der anderen Seite, wie British American Tobacco und Koch Industries.
Nicht nur die Stimme der Konsumentinnen und Konsumenten geht dabei unter. Sie wird sogar bewusst zum Schweigen gebracht, indem professionelle Tricks der Beeinflussung eingesetzt werden.
Sondern auch die Stimme der Einzelhändler und kleinen Hersteller geht unter, die meist selber Konsumenten sind.
In einer so diffizilen Gemengelage ist es absurd, eine Schuldzuweisung treffen zu wollen.
Doch man sollte ehrlich zu sich selber sein. Einzelhändler sollten sich eingestehen, dass sie vielleicht die Umtriebe von BAT unterstützen. Die dazu führen, dass die E-Zigarette als Produkt der Tabakkonzerne wahrgenommen wird. Die dadurch, und das wird immer deutlicher, an ihrem eigenen Grab mitschaufeln.
Für Content Creator und Verfechter der E-Zigarette oder Tobacco Harm Reduction gilt das Gleiche, wenn sie Geld annehmen, das auch nur indirekt aus solchen Quellen kommen könnte.
Und Dampferinnen und Dampfer sollten sich eingestehen, dass sie es unterstützen, wenn sie Beiträge rezipieren oder verteilen, von denen sie nicht sicher sind, aus welcher Quelle sie stammen. Vor allem aber, wenn sie Produkte dieser Unternehmen kaufen.
Im Grunde können die Verfechter der E-Zigarette nichts anderes tun, als immer wieder daran zu erinnern, dass sie weit weniger schädlich ist. Und zu erklären, sich gerade zu machen und offen zu sein.
Auch zu sich selber.
Joey Hoffmann
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