Bereits am Tag der Verabschiedung der Steuer auf Liquids hat der Händlerverband BfTG angekündigt, dagegen eine Verfassungsbeschwerde einreichen zu wollen. Das ist nun geschehen.
Eine Erklärung.
Es war klar, dass irgendwann eine Besteuerung für E-Zigaretten kommt. Und es war naheliegend, dass diese Steuer auf Liquids erhoben werden wird.
Die Initiative kam dann doch überraschend. Das Finanzministerium unter Olaf Scholz, heute Bundeskanzler, wagte den Vorstoß. Die Grünen und die der Wirtschaft nahestehende FDP wehrten sich, die CDU/CSU war skeptisch.
Und so wurde der Entwurf an den Finanzausschuss überwiesen, wo es zu einer Anhörung kam. In der auch das BfTG durch seinen Vorsitzenden Dustin Dahlmann vertreten war.
Doch dann passierte hinter den Kulissen etwas, was bis heute nicht wirklich nachzuvollziehen ist.
Plötzlich sollten nicht nur nikotinhaltige Flüssigkeiten besteuert werden, sondern auch nikotinfreie.
Gerüchten zufolge war das ein Kompromiss der SPD mit der CDU, die so die Höhe der Steuer auf alle Komponenten des Selbermischens verteilen und dadurch senken wollte. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.
Genau damit begann das Debakel überhaupt erst, das nun viele Einzelhändler in den Ruin treiben könnte. Scheinbar erdacht von Menschen, die sich nicht mit dem Markt auskennen.
Nachts in 15 Minuten durchgewunken
Dann musste alles sehr schnell gehen. Mehrere Gesetze und Gesetzesänderungen wurden kurz vor der Bundestagswahl noch eilig durchgedrückt. Am 11. Juni wurde die das Tabaksteuermodernisierungsgesetz innerhalb von 15 Minuten nachts um halb eins durchgewunken.
Ab Juli wird eine Tabaksteuer auf alle Flüssigkeiten erhoben, die zum Dampfen gedacht sind. Entscheidend ist dafür die Zweckbestimmung.
Die Steuer wird 0,16 Euro pro Milliliter betragen. Sie wird Stufenweise erhöht, bis sie 2026 0,32 Euro pro Milliliter betragen wird.
In der Praxis bedeutet das, dass ein Vape Shop 320 Euro Steuer für einen Liter Glycerin aufschlagen müsste. Der derzeit etwa 10,- Euro kostet. Während der gleiche Liter im Pferdehandel, Baumarkt oder medizinischem Handel weiterhin tabaksteuerfrei zu haben sein wird.
Eine übliche 10ml Flasche Liquid würde von derzeit etwa 5 Euro auf fast 9 Euro steigen.
Die Verfassungsbeschwerde
Dagegen hat der Händlerverband Bündnis für Tabakfreien Genuss nun Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ist das höchste Gericht Deutschlands.
Da ein Verband keine solche Beschwerde einreichen kann, sind vier Beschwerdeführer angegeben. Eine Privatperson, die Firma InnoCigs aus Hamburg, bei der der Vorsitzende Dustin Dahlmann auch Geschäftsführer ist, die Firma Happy Liquid aus München und der Rechtsanwalt Bo Hillebrand.
Eine solche Verfassungsbeschwerde kann nur eingereicht werden, wenn der Beschwerdeführer seine Grundrechte durch den Staat verletzt sieht. Es ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf.
In diesem Fall könnte eine Bestätigung des Gerichtes dazu führen, dass das Gesetz aufgehoben wird. Wird die Beschwerde angenommen, kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, die das Gesetz bis zu einem endgültigen Entscheid außer Kraft setzt.
Der weitaus größte Teil der eingereichten Verfassungsbeschwerden werden nicht angenommen. In einigen Jahren über 90 Prozent. Die Voraussetzungen wurden dann nicht erfüllt. Das Gericht muss diese Abweisung jedoch nicht begründen.
Nicht vollziehbar
Die Verfassungsbeschwerde, die im Original vorliegt, stellt zwei Anträge.
Zum ersten, dass die Steuer „nicht vollziehbar“ ist und zum zweiten, dass sie gegen die im Grundgesetzt vorgegebene Gleichbehandlung verstößt.
Laut der 38-seitigen Verfassungsbeschwerde machen Liquids, die aus ihren Bestandteilen selber gemischt werden, den überwiegenden Teil des Marktes aus.
Beispielsweise wird destilliertes Wasser genannt, das in vielen Supermärkten zu kaufen ist.
Nikotinhaltige, fertige Liquids – welche die Verfasser des Gesetzes offenbar im Kopf hatten – machen lediglich 10 Prozent des Marktes aus. Die restlichen 90 Prozent sind Komponenten, die nicht alleine verwendet werden können. Und – bis auf das Nikotin – alle als Lebensmittel zugelassen sind.
Hier wird auch mit der Auslegung der Generalzolldirektion argumentiert. Die, vereinfacht gesagt, ein Vermischen unversteuerter Komponenten zum Dampfen als Steuerhinterziehung bewerten würde.
Ungleichbehandlung
Das BfTG hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Cordes + Partner GmbH in Düsseldorf mit einem Gutachten beauftragt. Das sich wiederum auf ein Gutachten von Prof. Dr. Bernd Mayer, Leiter des Instituts für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Graz, stützt.
Dieses Gutachten kommt zu dem Schluss, dass der tägliche Konsum von Feinschnitt-Tabak einen Steueranteil von 1,34 Euro entstehen lässt, der „suchtäquivalente“ Konsum von nikotinhaltigen Liquids jedoch 5,71 Euro.
Im Weiteren wird die deutlich geringere gesundheitliche Belastung durch E-Zigaretten belegt, auch durch Veröffentlichungen des Bundesinstitut für Risikobewertung BfR und des Deutschen Krebsforschungsinstituts DKFZ.
Die Argumente
- Das Steuerrecht verlangt, dass die „Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden“. Dies finde hier jedoch nicht statt. Da ein „Selbermischer“ die Steuer weitestgehend umgehen oder auf Feinschnitttabak ausweichen könne.
- Das verletzt die Grundrechte der Konsumenten auf Gleichbehandlung. Da sie durch die Steuer nicht mehr frei in ihrer Entscheidung sind, zwischen Feinschnitttabak, verteuerten Liquids und selbst gemischten Liquids zu wählen.
- Es ist nicht nachvollziehbar, wie der Zoll die nachträgliche Versteuerung bei selbst gemischten Liquids umsetzen kann. („Vollziehbarkeit gewährleisten“)
- Das würde ein Ausweichen der Konsumenten auf den Handel begünstigen, der die gleichen Produkte tabaksteuerfrei anbieten kann. Dadurch wären die Grundrechte der Händler, beispielsweise auf freie Geschäftsausübung, kompromittiert.
- Die „Zwecktauglichkeit eines Gesetzes“ ist nicht danach zu beurteilen, was in der Praxis später passiert. Sondern muss danach beurteilt werden, was der Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Verabschiedung hätte wissen können.
- Das Gesetz verstößt gegen das Rahmenübereinkommen der WHO, da es Feinschnitttabak bevorzugt und dadurch nicht – wie beabsichtigt – eine Lenkungswirkung, weg vom Tabak, entfalten kann.
Für einige vielleicht zu spät
Heute wurde eine Meldung der Deutschen Presseagentur veröffentlicht.
Darin sagte Dustin Dahlmann, der Vorsitzende des BfTG „Die gesundheitspolitische Lenkungswirkung der Steuer ginge in die falsche Richtung: Die Raucher blieben beim extrem schädlichen Tabak, anstatt auf die wesentlich schadstoffärmeren Liquids zu wechseln.“
Der Rechtsanwalt Hillebrand ist eher vorsichtig optimistisch.
Ob die Beschwerde überhaupt angenommen wird, kann dauern. Eine Entscheidung kann sich leicht bis in das Jahr 2023 hinziehen.
Die Einzelhändler kommen also nicht daran vorbei, sich auf die Steuer vorzubereiten. Was hohe Vorleistungen und Zollfreilager einschließt.
Wie die Konsumentinnen und Konsumenten reagieren werden, wird man erst in den nächsten Monaten sehen. Ebenso, wie der Markt sich dann entwickelt und wie viele Vape Shops das überleben werden. Derzeit blüht der Markt des Bunkerns.
Selbst eine für Dampfer positive Entscheidung durch das Verfassungsgericht könnte dann für viele zu spät kommen.
Joey Hoffmann
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