Sieht nicht gut aus für Niko
Die Gegenargumente der abgemahnten Händler sind ebenso kompliziert.
Die Arbeit von Prof. Dr. Bernd Mayer von der Uni Graz – selber Dampfer – hat gezeigt, dass Nikotin nicht so gesundheitsschädlich ist, wie früher befürchtet. Kinder können sich nicht vergiften, wenn sie an einer E-Zigarette ziehen. Außerdem würden sie sofort husten, weil sie natürlich nicht gewohnt sind Nikotin zu inhalieren. Was Mayer auch in einem Verfahren dargelegt hat.
„Der Einwand [von Niko Liquids], der Wortlaut von § 14 Abs. 3 S. 1 TabakerzG nehme auf keine konkrete Gesundheitsgefahr Bezug und sei deshalb dahingehend auszulegen, dass auch ein Schutz vor der Inhalation des Dampfes umfasst sei, verfängt nicht. Ihre Auffassung, dass die Kindersicherheit einer E-Zigarette erst dann gegeben sei, wenn durch kindergesicherte Verschlüsse und Öffnungsmechanismen jegliches Gesundheitsrisiko für Kinder vermieden werde, würde faktisch nahezu zu einem Verbot der E-Zigaretten führen. Dies kann nicht dem Gesetzeszweck entsprechen.“
Landgericht Köln, Beschluss, 16.12.2022
Um den Verkauf der Elfbar sofort zu unterbinden, hat Niko Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt. Und das vor mehreren Gerichten bzw. Kammern.
Zwei davon sind bereits zurückgewiesen worden. Eine vom Landgericht Düsseldorf (12 O 322/22) und eine vom Landgericht Köln (33 O 478/22). Die Verfahren liegen jetzt beim Oberlandesgericht Köln und beim Oberlandesgericht Düsseldorf und dort wird dann das letzte Wort im Eilverfahren gesprochen.
Eine weitere Zivilkammer in Düsseldorf hat sich in der mündlichen Verhandlung bereits so geäußert, dass mit einer Zurückweisung zu rechnen ist.
Und das gibt schon einmal eine Vorstellung davon, wie die Richterinnen und Richter die Sache interpretieren dürften.
„Die Kammer kann nicht erkennen, dass § 14 Abs. 3 S. 1 TabakerzG die Untersagung der barrierefreien Nikotinfreisetzung durch Saugen am Mundstück fordert. […] Ebenso kann ein Kleinkind (theoretisch) an einer glimmenden Zigarette ziehen.
Landgericht Düsseldorf, 12. Zivilkammer, Beschluss 11.11.2022
[Niko Liquids] hätte dabei das Bestehen einer konkreten und tatsächlichen Gesundheitsgefahr durch die fehlende Verwendungssperre der streitgegenständlichen Produkte glaubhaft zu machen. Dies ist ihr nicht gelungen.“
Normen und Totenköpfe
Niko bringt noch weitere Argumente an. Zum einen sei bei Elfbar die auf der Verpackung angegebene Nikotinmenge unterschritten worden. Zum anderen seien die Produkte mit einem falschen Piktogramm (Totenkopf) versehen.
Der Nikotingehalt wird beanstandet, da Niko bei eigenen Messungen Abweichungen zum angegebenen Nikotingehalt festgestellt haben will. Auch bei diesen Messungen wurde jedoch weniger als 20% „Minusabweichung“ festgestellt.
Die angeblichen Abweichungen bewegen sich damit im Rahmen dessen, was die Norm (EN 17648:2022) als eine dem Stand der Technik zulässigen Abweichung ansieht.
Das Landgericht Köln hat dazu nun gesagt: solange die Abweichungen im Rahmen dieser DIN-Norm liegen, ist die Abweichung nicht zu beanstanden. Weder tabakrechtlich noch chemikalienrechtlich. Also ist auch das Totenkopf-Piktogramm in Ordnung.
Auch eine Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, der Ansicht aus Köln zu folgen.
In seinem Beschluss gab das Landgericht Köln dazu einen indirekten Hinweis. Es sah keine Dringlichkeit die Produkte sofort vom Markt zu nehmen… Durch das Verhalten von Niko selber.
Denn eine einstweilige Verfügung wird überhaupt nur erlassen, wenn die Sache für den Antragsteller (also Niko Liquid) dringend ist. Zwar wird diese Dringlichkeit in entsprechenden Verfahren für eine gewisse Zeit vermutet, aber das hat alles seine Grenzen.
„Jedenfalls aber hätte [Niko] Anlass gehabt, sich umgehend Produkte, die durch die Antragsgegnerin und andere Importeure importiert worden sind, zu beschaffen, um diese auf eine etwaige Abweichung zu überprüfen. Dass sie dies nicht umgehend, sondern erst am 19.10.2022 getan hat, begründet eine grob fahrlässige Unkenntnis.“
Landgericht Köln, 33. Zivilkammer, Beschluss 31.10.22
Vereinfacht sagt das Gericht, dass Niko vermutlich schon lange von der Zugautomatik der Elfbar gewusst habe. Niko behauptet erst im September einen Testkauf durchgeführt zu haben. Und nach der Prüfung dieser Stichproben keine weiteren Produkte von anderen Importeuren oder Händlern getestet.
Das Gericht in Köln meint also, Niko Liquid sei „grob fahrlässig“ in Unkenntnis bezüglich der möglichen Verstöße anderer großer Händler geblieben. Erst über einen Monat später habe Niko dann den Antrag auf eine einstweilige Verfügung gestellt. Dadurch sieht das Gericht keine Dringlichkeit mehr.
Eine Frage des Durchhaltevermögens
Ein Unternehmen wie Niko Liquids und der in der Branche über seine Marktrelevanz hinaus als streitfreudig bekannte Chef Stephan Endler will erst im September Kenntnis von der Elfbar gehabt haben. Persönlich halte ich das schlicht für absurd. Jeder in dieser Branche kennt seit Langem die Elfbar und ähnliche Disposables, deren Funktionsweise und Bauart.
Diese Verfahren können die Branche noch lange beschäftigen. Und letztendlich auch Dampferinnen und Dampfer verunsichern. Oder sogar Raucher vom Umstieg auf eine weit weniger schädliche Alternative abhalten.
Nach den Beschlüssen können Beschwerden kommen, nach Urteilen können Berufungen kommen. Es können Klagen kommen, dann wieder Berufungen, dann womöglich Revisionen und dann vielleicht auch noch der Europäische Gerichtshof. Die Frage ist nur, wie weit Niko es treiben will.
Und deshalb sind diese Verfahren nicht nur für die Branche, sondern auch für alle Dampferinnen und Dampfer wichtig. Denn wenn es am Ende heißt, dass elektronische E-Zigaretten einen Druck-Dreh-Verschluss am Mundstück brauchen, ist der Markt sofort tot. Es gibt erstmal keine einzige E-Zigarette mehr zu kaufen.
Es ist schwer vorstellbar, dass so viele Gerichte sich das angucken, und eines dann so einen Unfug urteilt. Am ehesten passiert sowas im Eilverfahren, erste Instanz, wenn ein Gericht nicht so genau hinschaut, weil es zu viele andere Akten auf dem Schreibtisch hat und denkt, die Elfbar ist doch eine Umweltsauerei.
Was ich ja genauso sehe. Ich bin sogar für ein Verbot. Aber nicht so. Was Recht ist, muss Recht bleiben. Und vor allem nicht, wenn dadurch ein Instrument der Harm Reduction für Millionen Nutzer vom Markt gefegt wird.
Doch selbst dann wäre erstmal nur eine Entscheidung gegen die Elfbar in der Welt. Dann käme das nächsthöhere Gericht. Das haben die Händler bereits angekündigt.
Und wenn das dann zugunsten der Unternehmen entscheidet, haftet Niko Liquid für den Schaden. Den es durch die falsche Gerichtsentscheidung beim betroffenen Unternehmen angerichtet hat. Also für den Verkaufsstopp.
Das dürfte sich läppern.
Joey Hoffmann
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